Die Schweizer Armee kommt nicht aus den Schlagzeilen. Die Budget-Erhöhung, um die Verteidigungsfähigkeit wiederherzustellen, soll gebremst werden. Dazu unterhöhlen national-konservative Kräfte die Glaubwürdigkeit der Institutionen. Armee-Kenner Beat Wittmann weist in einem Beitrag exklusiv auf finews.ch nach, wie das Eidgenössische Finanzdepartement die Legende des «fehlenden Plans» konstruiert hat.
Die Schweiz hat keine einsatzbereite Armee, und damit gefährden der Bundesrat und das Parlament die nationale Sicherheit, die ein Verfassungsauftrag ist. Dabei waren es ausschliesslich bürgerliche Bundesräte und bürgerliche Mehrheiten im Parlament, welche die Armee seit drei Jahrzehnten kaputtgespart haben, und diese zeigen weiterhin keinerlei politischen Willen noch Taten die schweizerische Souveränität durch eine glaubwürdige Landesverteidigung sichern zu wollen.
Ganz im Gegenteil: Nachdem eine unheilige Allianz von FDP und SVP im Bundesrat und die national-konservative Inlandredaktion der liberalen «Neuen Zürcher Zeitung» gemeinsam mit der in Bad Horn tagenden SVP-Spitze die Verteidigungsministerin Viola Amherd zermürbte, soll nun auch der Armeechef Thomas Süssli das Feld räumen.
Beides ist falsch
Bereits zum zweiten Mal wird nach dem Frühjahr 2024 ein Versuch unternommen, den Armeechef, Korpskommandant Thomas Süssli (CdA) abzuschiessen. Das Narrativ ist so einfach wie klar: Der CdA habe sich zu viel angemasst, als er schonungslos und öffentlich die fehlende Verteidigungsfähigkeit der Armee aufzeigte. Ausserdem habe er die Projekte nicht im Griff. Beides ist falsch.
Ein Kernpunkt der systematischen und konzertierten Diskreditierung des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), seiner Vorsteherin, der Armee und ihres Chefs ist die Legende einer «Budgeterhöhung ohne Plan», welche das Finanzdepartement (EFD) konstruierte. Im Entwurf der Armeebotschaft 2024 war detailliert aufgelistet, wofür die Armee bis 2035 insgesamt 23 Milliarden Franken braucht. Doch das FDP-SVP-Duo im Bundesrat kippte die Passage aus dem Bundesbeschluss – seither verbreiten sie das Märchen, die Armee habe gar keinen Plan, was sie mit den zusätzlichen Mitteln vorhabe.
Verantwortungsloser Machtkampf
Die Schweiz leistet sich in einer eskalierenden geopolitischen Sicherheitslage seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und damit auf die gesamte europäische Sicherheitsordnung einen verantwortungslosen internen Machtkampf. Dabei geht es nicht um das Staatsinteresse, sondern um Bundesratssitze, Parteiinteressen, Departementsmacht und die national-konservativen Ideologien rund um die Schuldenbremse und Neutralität.
Die Armee braucht rasch und viel mehr Geld, das heisst mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), um im Minimum die bestehenden Verbände auszurüsten, zu modernisieren und die grössten Lücken zu schliessen. Zudem muss das VBS die Zusammenarbeit mit der Nato ausbauen, weil der militärische Alleingang der Schweiz im aktuellen Umfeld nicht möglich ist.
«Was nicht sein darf, ist nicht»
Beide Absichten stossen auf erbitterten Widerstand im Bundesrat, denn die FDP will kein zielführendes Ausgabenwachstum bei der Armee ins Budget schreiben und die SVP verfolgt die prinzipielle Abschottung der Schweiz. Zu diesem Zweck setzt sie unter anderem ihre Neutralitäts-Initiative ein, die im Volk Stimmung gegen die notwendige Zusammenarbeit mit den westlichen Partnern machen soll.
Die Armee hat einen klaren Plan, aber für die FDP-SVP Allianz im Bundesrat gilt: «Was nicht sein darf, ist nicht». Diese Realitätsverweigerung gilt bezüglich Beurteilung der europäischen Bedrohungslage genauso wie gegenüber der warnenden und fordernden Armeespitze. Das «Schwarze Buch» des Armeechefs – in der Behördensprache das «Zielbild und die Strategie Armee der Zukunft» – wird nicht zur Kenntnis genommen.
«Schwarzes Buch» als Wunschprogramm der Armee
Der Chef der Armee soll ein Beamter in Uniform sein und sein «Schwarzes Buch» das Wunschprogramm der Armee. Das letzte Wort aber hat der Bundesrat, wie er den Verantwortlichen machtvoll zu verstehen gibt.
Mit der Armeebotschaft 2024 hätte das «Schwarze Buch» untermauert und sogar ergänzt werden sollen. Auf der Basis von Szenarien entwickelte die Armee drei Varianten für die längerfristige Ausrichtung der Armee und schuf damit erstmals die Möglichkeit, dass überhaupt eine Diskussion über das militärische Fähigkeitsprofil geführt werden konnte.
Detaillierte Auflistung gestrichen
Der Bundesrat und später auch das Parlament stimmten diesen Eckwerten wohl zu, aber das Finanzdepartement (EFD) hatte zuvor über einen Mitbericht dafür gesorgt, dass der Plan von VBS und Armee evaporierte. Dieser wollte eine detaillierte Auflistung samt Kostenaufwand in die Botschaft aufnehmen, um den genauen Pfad aufzuzeigen, wie die Verteidigungsfähigkeit wieder hergestellt wird.
Schliesslich strich aber der Bundesrat an seiner Sitzung vom 14. Februar 2024 ausgerechnet jenen Artikel aus dem Bundesbeschluss, der die geplanten Verpflichtungskredite in der Grössenordnung von insgesamt 23 Milliarden Franken bis 2035 näher aufschlüsselte.
finews.ch hat sich den Entwurf der Armeebotschaft 24 beschafft und kann die argumentative Manipulation belegen:
Ausriss aus dem Entwurf zum Bundesbeschluss über die Eckwerte zur Ausrichtung der Armee bis 2035
(zum Vergrössern, Bild anklicken)
- Das Beweisstück: Das VBS hatte einen klaren Plan – nur leider wurde er vom Bundesrat gestrichen, um dann zu behaupten, es gebe keinen Plan.
Visionärer Plan gekippt
Der Plan, den das VBS vor knapp einem Jahr dem Bundesrat vorlegte, ging über das «Schwarze Buch» hinaus. Ausserdem berücksichtigte er das verlangsamte Wachstum der Armeefinanzen.
Anders, als vom Parlament 2022 beschlossen, sollte das Verteidigungsbudget erst 2035 1 Prozent BIP erreichen und nicht schon 2030. Zudem sollte festgehalten werden, dass der Bundesrat bei der Beratung der Verpflichtungskredite die Entwicklung des Bundeshaushalts berücksichtigt.
Ungewöhnlich deutliche Worte beim Rücktritt
Bei ihrem Rücktritt wählte Bundesrätin Viola Amherd ungewöhnlich deutliche Worte: «Als zunehmend schwierig für unsere Institutionen, unser demokratisches System und den Erhalt der Schweizer Werte sehe ich die wachsende Polarisierung, die sich ausbreitende Gehässigkeit im politischen Diskurs und die vermehrte Durchsetzung von Partikularinteressen durch reine Machtausübung.»
Im Licht dieser Manipulationen erhalten ihre Worte eine ganz neue Dimension.
Beat Wittmann hat viele Jahre als Offizier (Oberstleutnant) im Militärischen Nachrichtendienst (MND) im Armee-HQ in Bern gedient.
Beruflich ist er seit gut acht Jahren Chairman und Partner der in Zürich ansässigen Finanzberatungs-Gesellschaft Porta Advisors. Der Bündner blickt auf eine mehr als 30-jährige Karriere im Schweizer Bankwesen zurück, die ihn unter anderem zu den Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie zu Clariden Leu und Julius Bär führte. Von 2009 und 2015 war er zunächst selbständig und danach für die Schweizer Raiffeisen-Gruppe im Asset Management tätig.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Rolf Banz, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Ursula Finsterwald, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Gilles Prince, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Thomas Stucki, Neil Shearing, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Mark Urquhart, Bruno Capone, Peter Hody, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Vega Ibanez, David Folkerts-Landau, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Roman Balzan, Todd Saligman, Stuart Dunbar, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese, Gun Woo, Lamara von Albertini, Ramon Vogt, Andrea Hoffmann, Niccolò Garzelli, Darren Williams, Benjamin Böhner, Mike Judith, Jared Cook, Henk Grootveld, Roman Gaus, Nicolas Faller, Anna Stünzi, Thomas Höhne-Sparborth, Fabrizio Pagani, Guy de Blonay, Jan Boudewijns, Sean Hagerty, Alina Donets, Sébastien Galy, Roman von Ah, Fernando Fernández, Georg von Wyss, Stefan Bannwart, Andreas Britt, Frédéric Leroux, Nick Platjouw, Rolando Grandi, Philipp Kaupke, Gérard Piasko, Brad Slingerlend, Dieter Wermuth, Grégoire Bordier, Gianluca Gerosa, Michael Bornhäusser, Christine Houston, Manuel Romera Robles, Fabian Käslin, Claudia Kraaz, Marco Huwiler, Lukas Zihlmann, Sherif Mamdouh, Harald Preissler, Taimur Hyat, Philipp Cottier, Andreas Herrmann, Camille Vial, Marcus Hüttinger, Serge Beck, Alannah Beer, Stéphane Monier, Ashley Semmens, Lars Jaeger, Shanna Strauss-Frank, Bertrand Binggeli, Marionna Wegenstein, George Muzinich, Jian Shi Cortesi, Razan Nasser, Nicolas Forest, Jörg Rütschi, Reto Jauch, Bernardo Brunschwiler, Charles-Henry Monchau, Nicolas Ramelet, Ha Duong, Teodoro Cocca, Jan Brzezek, Nicolas Mousset, Beat Weiss, Pascal Mischler, Andrew Isbester, Konrad Hummler, Jan Beckers, Martin Velten, Katharine Neiss, Claude Baumann, Daniel Roarty, Kubilaqy Yalcin, Robert Almeida, Karin M. Klossek, Marc Taverner, Charlie T. Munger, Daniel Kobler, Patrick Stauber, Anna Rosenberg, Judith Wallenstein, Adriano Lucatelli, Daniel Goleman, Val Olson, Brice Prunas, Frances Weir, Luis Maldonado, Nadège Lesueur-Pène, Massimo Pedrazzini, Eric Sarasin, Dina Ting, Christopher Gannatti, Shaniel Ramjee, Mihkel Vitsur, Nannette Hechler-Fayd'herbe, Ralph Ebert, Mark Denham, Francesco Mandalà, Mariolina Esposito, Maryann Umoren Selfe, Dominique Gerster, Christian Kälin, Nadège Dufossé, Benjamin Melman, Brigitte Kaps, Florin Baeriswyl, Marc Reinhardt, Thomas Holderegger, Bruno Cavalier, Gary Burnison, Louise Curran, Adrian Cox, Philip Adler, Serge Fehr, Marc Lussy, Axel Brosey, Colin Vidal, Vivien Jain, Ralf Zellweger, Maria Vassalou, Nico Fiore, Gary Burnison, Thomas Signer, Brigitte Kaps, Andreas Ita, Leon Curti, Remo Badertscher, Alexis Marinof, Olivier Kessler, Beat Wittmann, Jacques Aurélien Marcireau, Patricia Ordody, Marc Palahi, Francesco Magistra und George Muzinich.