In der heutigen populistischen Zeit sollten die Zentralbanken den durch die Einkommensungleichheit hervorgerufenen Unmut in ihrer Politik berücksichtigen, schreibt Salman Ahmend auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Trotz drei Jahrzehnten beispiellosen globalen Wachstums verändert das Bewusstsein um Ungleichheit die Wirtschafts- und Investitionslandschaft. Globalisierung und Technologie sind mitverantwortlich dafür, dass qualifizierte Arbeitskräfte ungleichmässig entlöhnt werden und das Zusammenspiel von Kapital und Arbeitsrenditen sich verändert. Die Debatte über die Rolle der Zentralbank bei einer weiteren Verschärfung der Ungleichheit wird jedoch sicherlich noch mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Dabei unterschätzen die Zentralbanken der entwickelten Länder die möglichen Auswirkungen des Populismus' auf die Wirtschaft, sollte die Geldpolitik die Einkommens-Ungleichheit nicht berücksichtigen – und zwar schnell. Die Inflation der Konsumentenpreise ist seit Anfang der 1990er Jahre die wichtigste makrovariable Triebkraft der Geldpolitik und bildet heute den Rahmen für viele Zentralbanken auf der ganzen Welt. Es wird inzwischen akzeptiert, dass beispielsweise die Quantitative Lockerung (QE) einen Portfolio-Rebalancing-Effekt bewirkt hat, da die Zentralbanken versuchten, «Lebensgeister» wieder zu entfachen, um so Anreize für riskantere Vermögenswerte zu schaffen.

«Das Trump-Phänomen erscheint nun immer mehr als eine Verirrung»

Die zunehmende Ungleichheit war auch ein wichtiger Faktor für den starken Aufschwung des amerikanischen und europäischen Populismus. Das Trump-Phänomen erscheint nun immer mehr als eine Verirrung, da es sich nun sogar nach links ausbreitet und sich dabei erst noch verstärkt. In Europa ist der Aufstieg des Populismus' insbesondere in Italien, aber auch in Deutschland und Frankreich, deutlich zu erkennen. Diese Verschiebungen werden wahrscheinlich langfristige Auswirkungen auf die politische und wirtschaftliche Ordnung im Westen haben, gegen die die Zentralbanken nicht immun sind.

In der heutigen populistischen Zeit muss die Zentralbankpolitik in liberalen Demokratien den durch Ungleichheiten hervorgeruften Unmut mitberücksichtigen, da er wahrscheinlich einen starken Einfluss auf die zukünftigen politischen Realitäten haben dürfte. Auf den Finanzmärkten ist die Verhaltensökonomie gut verstanden worden. Die Zentralbanken können daraus lernen und Reaktionsfunktionen in ihre Entscheidungen einbeziehen.

«Die EZB benötigt dringend ein breiteres Spektrum an politischen Instrumenten»

Ein Umdenken in der Reaktionsfunktion der Europäischen Zentralbank (EZB) ist dringend erforderlich. Die Bank braucht ein fokussiertes, glaubwürdiges und sichtbares Engagement, um ihr Inflationsziel von 2 Prozent zu erreichen. Sie benötigt auch dringend ein breiteres Spektrum an politischen Instrumenten, wie einen gezielten Einsatz von Grosskrediten für KMU und Gruppen mit mittlerem und niedrigem Einkommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Konjunkturabschwungs steigt.

Es ist darum wichtig, sich daran zu erinnern, dass, wenn ein schwerwiegender Abschwung den einheitlichen Währungsraum treffen würde, die daraus resultierenden politischen Auswirkungen durch den derzeitigen Anstieg des Populismus stärker belastet würden.

Der Charakter einer demokratisch gewählten Regierung impliziert, dass technokratische Institutionen wie die EZB, wenn sie ihre Mandate weiterhin eng auslegen, unbeabsichtigt den populistischen Druck erhöhen können – was sich unweigerlich auf die Zukunft der EU auswirken könnte.


Salman Ahmed ist Chief Investments Strategist bei Lombard Odier Investment Managers (LOIM).


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