Sklaverei gibt es selbst im 21. Jahrhundert – auch die Finanzwirtschaft ist davon betroffen. Profite, verdient mit moderner Sklaverei, lassen sich aber nur schwer aufdecken, schreibt Ursula Finsterwald in ihrem Essay auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Die Vereinten Nationen (Uno) gehen davon aus, dass heute mehr als 40 Millionen Menschen entweder in Gefangenschaft leben, durch Zwangsarbeit ausgenutzt werden oder unter einer anderen Form der Leibeigenschaft leiden. Die Staatengemeinschaft hat sich mit der Uno-Agenda 2030, deren Kernstück die insgesamt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sind, dazu verpflichtet, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu bekämpfen.

Die SDGs adressieren das Thema im Unterziel 8.7: Es sollen sofortige, wirksame Massnahmen ergriffen werden, um Zwangsarbeit abzuschaffen und moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden. Zudem soll das Verbot der schlimmsten Formen von Kinderarbeit, einschliesslich der Zwangsrekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten, durchgesetzt und bis 2025 jegliche Form von Kinderarbeit abgeschafft werden.

«Trotz diesen Schritten ist die Sklaverei bis heute nicht verschwunden»

Diese Bestrebungen sind nicht neu. Bereits 1926 haben sich die Vertragsstaaten des Völkerbunds in einem Übereinkommen verpflichtet, «Sklavenhandel zu verhindern und zu unterdrücken». Die Uno nahm dies 1948 als Grundsatz in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auf und ergänzte diese 1956 mit einem Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und Sklaverei-ähnlicher Einrichtungen und Praktiken.

Trotz diesen Schritten ist die Sklaverei bis heute nicht verschwunden. Sie hat lediglich neue Formen angenommen und findet – da sie gesetzlich verboten ist – grösstenteils im Verborgenen statt. Die Walk Free Foundation definiert moderne Sklaverei als die Ausbeutung von Menschen, der sich die Betroffenen nicht entziehen können, ohne Gewalt und Drohungen fürchten zu müssen oder Opfer von Machtmissbrauch zu werden.

«Involviert in solche Praktiken sind sogar auch staatliche Institutionen»

Dementsprechend wurden 2016 mehr als 40 Millionen Menschen Opfer von Sklaverei. Rund 25 Millionen verrichten Zwangsarbeit, davon 16 Millionen in der Privatwirtschaft. Das heisst, sie müssen unter Androhung einer Strafe und gegen ihren freien Willen arbeiten, unter anderem als Haushaltshilfe, auf dem Bau, in obskuren Fabriken, in der Landwirtschaft, der Fischerei oder als Prostituierte.

Involviert in solche Praktiken sind nicht nur Privatpersonen oder Organisationen, sondern auch staatliche Institutionen. Die produzierten Waren landen am Ende oft in normalen Verkaufskanälen, zum Beispiel als Textilien oder Lebensmittel. Die Internationale Arbeitsorganisation der Uno schätzt, dass mit Sklavenarbeit und Menschenhandel weltweit jährlich rund 150 Milliarden Dollar umgesetzt werden.

«Riesige Geldsummen aus Verbrechen fliessen über das Banksystem»

Entgegen häufiger Annahmen gibt es moderne Sklaverei nicht nur in Asien oder Afrika. Zwar leben 58 Prozent der Menschen, die Sklavenarbeit tätigen, in Indien, China, Pakistan, Bangladesch und Usbekistan, aber auch in Europa leben rund eine Million Menschen in sklaverei-ähnlichen Verhältnissen. Migration und Flucht verschärfen das Problem, da Flüchtlinge vermehrt Menschenschmuggel und Zwangsprostitution ausgesetzt sind.

Die wichtigste Voraussetzung für die Bekämpfung der modernen Sklaverei ist der politische Wille. Regierungen müssen ihre Bemühungen international besser koordinieren, Informationen untereinander austauschen und beim Vollzug des Arbeits- und Strafrechts sowie im Bereich Migration vermehrt mit internationalen und regionalen Organisationen zusammenarbeiten.

Neben den Staaten kann auch die Privatwirtschaft einen Beitrag gegen Sklavenarbeit und Menschenhandel leisten. Insbesondere die Finanzwirtschaft sitzt am richtigen Hebel. International fliessen riesige Geldsummen über das Banksystem, die mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit erwirtschaftet wurden, oder mit denen in Waren und Dienstleistungen investiert wird, in deren Lieferketten moderne Sklaverei oder Menschenhandel vorkommt.

«Die Finanzindustrie soll vom Problem zum Teil der Lösung werden»

Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein hat diese Problematik erkannt und 2018 beschlossen, eine international besetzte «Financial Sector Commission on Modern Slavery and Human Trafficking» einzuberufen. Die sogenannte Liechtenstein Initiative ist eine Private-Public-Partnership der liechtensteinischen Regierung, des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV), der Hilti Family Foundation, der LGT sowie verschiedener Stiftungen. Zudem unterstützt die australische Regierung die Initiative und die UN University fungiert als Sekretariat.

Ziel der Liechtenstein Initiative ist es, Finanzinstituten anhand eines Massnahmenkatalogs und «Best Practices» aufzuzeigen, wie sie sich am besten vor Investitionen und Geschäften im Bereich moderne Sklaverei und Menschenhandel schützen können. Die Finanzindustrie soll dadurch vom Problem zum Teil der Lösung werden.

Wie die Massnahmen konkret aussehen, hat die Financial Sector Commission anlässlich ihres zweiten Treffens in Liechtenstein im Januar 2019 diskutiert. Die Resultate sollen im September 2019 an der Uno-Generalversammlung vorgestellt werden.


Ursula Finsterwald ist Head Group Sustainability Management der LGT und befasst sich auch publizistisch vor allem mit dem Thema Nachhaltigkeit. In der Natur findet sie Inspiration für ihre Artikel. Die LGT-Gruppe führte vor einigen Jahren das Sustainability-Management ein, das die nicht-finanziellen Kriterien in der Vermögensverwaltung berücksichtigt und sie in die jeweiligen Anlagestrategien integriert.


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