Der Schweizer Finanzplatz hat nur noch eine Grossbank in seinen Reihen. Das ist für die Entwicklung als internationales Finanzzentrum ein zweischneidiges Schwert, stellt finews-Redaktor Andrew Isbester in seinem Beitrag auf finews.first fest.
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
Die erzwungene Rettung der Credit Suisse (CS) durch die UBS zu Beginn dieses Jahres hat den Finanzplatz Schweiz in ein unbekanntes Fahrwasser gebracht. Die kurzfristigen Auswirkungen der staatlich initiierten Blitzhochzeit scheinen positiv zu sein. Die Sorge über eine weitere bevorstehende globale Finanzkrise hat sich ganz klar abgekühlt, sofern man sich nicht in die dunklen Ecken bestimmter Sozialer Medien verirrt.
Dennoch wird es Jahre dauern, bis die langfristigen Auswirkungen des Scheiterns der CS voll zum Tragen kommen werden. Unmittelbar ist es indessen so, dass der Schweizer Finanzplatz nur noch eine Grossbank hat.
«Die Vielfalt der Kleinen könnte einen ausreichenden Clustereffekt haben»
Eine Studie der Universität Michigan über den Aufstieg und Fall führender internationaler Finanzzentren, die 2018 nach dem Brexit publiziert wurde, listet sie alle auf: Amsterdam, London, Paris und New York, wobei Frankfurt, Berlin und Tokio nur knapp dahinter rangieren.
Laut der Studie, von der viele Punkte nach wie vor relevant sind, beschreiben vier allgemeine Faktoren für den Aufstieg und den Untergang von Finanzplätzen. Dabei handelt es sich um das Vertrauen in ein Zentrum, in das Zentralbank- und Währungssystem des Landes, in die Finanzpolitik und -regulierung sowie in die allgemeine Stabilität.
Der Schweizer Finanzplatz spielte als internationales Zentrum schon immer eine besondere Rolle und zwar als Offshore-Drehscheibe für grenzüberschreitend angelegte Vermögen. Vielleicht ist es angesichts der grossen Zahl an mittleren und kleineren Privatbanken und Vermögensverwaltern gar nicht so nachteilig, nur noch ein einziges grosses Institut zu haben. Die Vielfalt der Kleinen könnte einen ausreichenden Clustereffekt haben, um die ausgedünnte Spitze zu kompensieren.
Die Studie stellt indessen auch fest, dass auch die Verbindungen eines Zentrums zu den internationalen Märkten wichtig sind. Das gilt als einer der Gründe für den Aufstieg Londons zum weltweit führenden Finanzzentrum im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert.
«Der Finanzplatz hat mit dem Niedergang der CS eine Schnittstelle zu den Märkten verloren»
In dieser Hinsicht ist die Bilanz der Schweiz eher zwiespältig, da der Finanzplatz mit dem Niedergang der CS eine wichtige Schnittstelle zu den internationalen Märkten verloren hat und es unwahrscheinlich ist, dass diese direkt durch kleinere Institute ersetzt werden kann.
Was das Zentralbankwesen und die Geldpolitik betrifft, so werden die Auswirkungen dessen, was die Behörden in diesem Jahr unternommen haben, erst in einigen Jahren zu erkennen sein.
Der Studie zufolge erfüllt die Schweiz jedoch viele der notwendigen Voraussetzungen, die den Erfolg des Finanzplatzes für viele Jahre garantieren können. Namentlich verfügt sie mit dem Franken über eine starke Währung, was eine Grundbedingung für eine eigenständige Geldpolitik ist – den zweiten Faktor der Studie.
«Dann ist da noch die Frage der Stabilitä»
Für den dritten Faktor, die Politik und die Regulierung, stellt die Studie fest, dass das ideale Gleichgewicht des Staates in der Finanzpolitik unklar bleibt. Das spielt der Schweiz in die Hände. Denn sie verfügt über einen international anerkannten Regulierungsrahmen, selbst wenn sie im Vergleich zu anderen grossen Finanzplätzen eine Ausnahme darstellt, da sie konsequent prinzipienbasiert in ihrer «Laissez-faire»-Haltung ist.
Ob zum Finanzplatz eine oder zwei Grossbanken gehören, dürfte in diesem Zusammenhang irrelevant sein. Die einzige Herausforderung für die Schweizer Aufsichtsbehörde Finma dürfte darin liegen, dass sich Aufsicht und Kontrolle in Zukunft immer mehr aufspalten werden.
Dann ist da noch die Frage der Stabilität. Der Studie zufolge war es eine Mischung aus Krieg und Wirtschaftskrisen, die den Aufstieg und Fall von Finanzzentren bestimmt hat. Auch hier ist es de Schweiz gelungen, beides über weite Strecken dieses Jahrhunderts zu vermeiden, ebenso wie bei den grossen europäischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts.
«Das Fazit für den Schweizer Finanzplatz fällt ambivalent aus»
Dass es in der Schweiz mit der kombinierten UBS nur ein einziges grosses Institut gibt, dürfte in diesem Zusammenhang ebenfalls kaum relevant sein. Die Frage der Stabilität ist aber auch ein zweischneidiges Schwert. Denn die Schweiz ist der einzige Standort, an dem der Staat innerhalb von 15 Jahren beide Grossbanken, die UBS im Jahr 2008 und jetzt die Credit Suisse, retten musste.
Das Fazit für den Schweizer Finanzplatz fällt ambivalent aus. Ein einziges grosses Institut in einem Finanzzentrum hat wahrscheinlich keine unmittelbaren oder direkten Auswirkungen. Gleichzeitig scheint es aus historischer Sicht aber kein sehr gesundes Gesamtprofil für einen sehr wichtigen Wirtschaftssektor zu sein.
Andrew Isbester, ein schweizerisch-britischer Doppelbürger, ist Editor-at-large von finews.asia und finews.com. Er lebt seit 14 Jahren in Hongkong. Er verbrachte seine Jugend in Argentinien, Brasilien, den USA, Belgien und Schottland, bevor er in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren in die Schweiz zurückkehrte, wo er als Korrespondent und später als Büroleiter der internationalen Nachrichtenagentur «AFX News» arbeitete, die Teil der «Agence France Presse» (AFP) und der «Financial Times» war. Danach war er in Zürich und Hongkong für mehrere Grossbanken tätig, bevor er seine Tätigkeit als Journalist wieder aufnahm.
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