In den vergangenen Wochen ist Bundesanwalt Michael Lauber wegen seinen Gesprächen mit Fifa-Chef Gianni Infantino unter massiven politischen Druck geraten. Zu Recht?, fragt Andreas Britt in seinem Essay auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Michael Lauber wird vorgeworfen, dass er Gianni Infantino informell getroffen und diese Treffen nicht genau protokolliert hat, zu einer Zeit, als letzterer in den Fokus der Untersuchungsbehörden zu geraten schien. Zudem hat Lauber vergangene Woche sich dahingehend geäussert, dass er sich nicht mehr an ein Treffen mit Infantino erinnern könne – eine Wortwahl, die fatal an Erinnerungslücken erinnert, welche Angeklagte in Strafprozesses brauchen. Mehrere Parlamentarier haben nun öffentlich angekündigt, die anstehende Wiederwahl von Lauber verhindern zu wollen.

Den Bundesanwalt aus dem Amt zu befördern wäre leichtfertig und befördert eine Tendenz, die nicht zuletzt durch Leute wie Julian Assange in die Wege geleitet wurde: alles muss jederzeit öffentlich belegbar sein. Das Prinzip der Transparenz ist nachvollziehbar und kann mit vielen Beispielen begründet werden – Kleptokratien, Gewaltherrscher, Mafiosi, sie alle fürchten die Öffentlichkeit.

«Michael Lauber war in seiner Wortwahl schlecht beraten»

Was wir aber wegen dem Fokus auf Petitessen und alltäglichen Begebenheiten mittlerweile aus den Augen verloren haben, ist der Blick fürs Wesentliche. Nicht mehr das Ziel steht im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern der Weg. Statt dass wir Magistratspersonen am Erreichen der Ziele messen, wollen wir teilhaben daran, wie sie ihren Alltag bestreiten. Dies untergräbt das Vertrauen in ihre Fähigkeiten und nimmt ihnen den nötigen Spielraum, um ihren Aufgaben nachzugehen. Der Bundesanwalt soll dafür sorgen, dass die komplexesten Fälle der Schweiz behandelt werden.

Ich erwarte von einem Bundesanwalt, dass er mit Personen, welche mit heiklen Posten betraut sind, regelmässig im Gespräch ist und ich wünsche nicht, dass er hierzu jederzeit Bericht erstattet (erstatten kann). Was ist genau der Mehrwert für die Öffentlichkeit, wenn sie über die Kontakte von Lauber Bescheid weiss? Solange informelle Gespräche der Strafverfolgung nicht im Wege stehen, sind solche Gespräche komplett irrelevant.

«Die Telefonate mit Werner Abegg waren notorisch fruchtlos»

Lauber war in seiner Wortwahl schlecht beraten. Das Sich-Nicht-Erinnern-Können zeugt nicht von einem souveränen Umgang mit Fragen von Journalisten. Ein Vergleich hiezu: Die Medienstelle der Schweizerischen Nationalbank hat grosse Erfahrung darin, Fragen von Journalisten ins Leere laufen zu lassen – selbstverständlich sehr zum Missfallen der Fragenden. Werner Abegg erarbeitete sich über viele Jahren als Mediensprecher der SNB den Ruf als hartnäckiger Verfechter von «No news is good news» – die Telefonate mit Abegg waren notorisch fruchtlos.

Die Abneigung gegen eine von aussen gesteuerte Öffentlichkeit hatte zur Folge, dass jedes von einem SNB-Vertreter geäusserte Wort auf die Goldwaage gelegt wurde. Ein Extrembeispiel, welches vielleicht für die Zentralbanker im Austausch mit der Öffentlichkeit nicht nur hilfreich war. Aber gleichzeitig auch nicht ohne Meriten, weil damit der Auftrag der Behörde – die Wahrung der Preisstabilität – im Fokus blieb. Mit wem die Zentralbanker wann was besprachen blieb aussen vor.

Die Flut an Rechtsfällen, mit der die hiesige Bankenwelt über die vergangenen zehn Jahre konfrontiert wurde, hatte eine wichtige Konsequenz: die Abteilung Legal und Compliance wurde bei allen Banken massiv ausgebaut und in eine viel dominantere Position zu den produzierenden Einheiten versetzt, sehr zum Ärger der erfahrenen Banker.

«Unter dem Strich führt das Drängen zu lückenloser Offenlegung zur Einschränkung der Handlungsfreiheit»

Parallel zu dieser Entwicklung im Privatsektor neigt auch die öffentliche Hand dazu, beim Auftauchen eines fragwürdigen Ereignisses alsbald die Einsetzung einer neuen Kontrollbehörde zu empfehlen. Bekanntestes Opfer dieser Aufsichtsbehördenflut war der Nachrichtendienst, welcher heute von mehreren voneinander unabhängigen Behörden und Parlamentsdelegationen kontrolliert wird.

Unter dem Strich führt also das Drängen zu lückenloser Kontrolle und Offenlegung primär zu einer Einschränkung der Handlungsfreiheit, zur Entmündigung von Amtspersonen und einem Vertrauensverlust in Behörden – und, last but not least, zu einem Ausbau des Staatsapparates ohne gleichzeitige Erhöhung der Leistung.


Andreas Britt ist Publizist und Redaktor bei finews.ch. Er studierte politische Wissenschaften an der London School of Economics und arbeitete danach als Redaktor bei der internationalen Nachrichtenagentur «Bloomberg News» in Zürich und Stockholm, wo er sich vor allem mit politischen und makroökonomischen Themen befasste. Bevor er 2015 zu finews.ch stiess, arbeitete Britt während acht Jahren als Politologe und Führungskraft in der Bundesverwaltung in Bern.


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