Das Feld der Kryptowährungen ist mit zahlreichen Fallstricken gepflastert. Anleger sollten daher wachsam sein, schreibt Nicolas Roth exklusiv auf finews.first.
Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.
Die erste Hürde für jeden, der sich in Kryptowährungen engagieren will, ist die Wahl des Instruments. Ähnlich wie bei Gold haben Anleger die Wahl zwischen einem indirekten oder einem physischen Engagement. Angesichts der hinter Kryptowährungen stehenden Ideen – Schutz der Privatsphäre, Absicherung und Dezentralisierung – ist es etwas widersprüchlich, einen ETF zu kaufen und ihn einer Depotbank zu überlassen. Dies ist der gleiche Grund, der Dauerpessimisten schon immer dazu trieb, Barrengold zu kaufen und es in speziellen Tresoreinrichtungen zu verwahren.
Zu Beginn dieses Jahres ist es nicht so leicht, das richtige Finanzinstrument zu finden, um ein Engagement in diesem Bereich aufzubauen. Im Gegensatz zu den gängigeren Anlageklassen gibt es nur eine Handvoll von Produkten. Die meisten Fonds werden von Anfängerteams verwaltet, die kaum Erfahrung mit der Geldverwaltung haben.
«In den Medien haben Plattformen nicht den besten Ruf, da sie anfällig sind für Betrügereien»
Zudem sind sie an Offshore- Standorten wie den Britischen Jungferninseln (BJI) und Cayman registriert. Im Zeitalter von UCITS und AIF scheint eine Anlage auf einer BJI für den Aufbau eines Krypto-Engagements eine drastische Kehrtwende in Bezug auf Risiko- und Governance-Grundsätze zu sein.
Die Alternative zu einem ETF wäre die Eröffnung eines Kontos auf einer Plattform, die den Handel mit Kryptowährungen bietet. In den Medien haben Plattformen und Börsen nicht den besten Ruf, da sie anfällig sind für Hackerangriffe und Betrug.
Bei den meisten Anlegern ist die Furcht, etwas zu verpassen, jedoch oft grösser als die Angst, alles zu verlieren. Dies trieb die Marktteilnehmer dazu, Konten auf Plattformen zu eröffnen, ohne ihre Seriosität und ihre Fähigkeit zur Abwehr von Hackerangriffen zu überprüfen.
«Börsen für alternative Coins sind in der Regel etwas undurchsichtig»
Darüber hinaus gibt es zwei Arten von Plattformen: Die einen bieten einen einfachen Geldtransfer von einem Kreditkarten- oder Bankkonto auf das Börsenkonto für den Kauf der vier wichtigsten Kryptowährungen: Bitcoin, Ethereum, Litecoin und Bitcoin Cash. Wer mit alternativen Kryptowährungen wie Iota, Ripple, Augur oder Faktor handeln möchte, muss ein Konto auf einer Plattform eröffnen, das nur in Kryptowährungen dotiert werden kann. Börsen für alternative Coins sind in der Regel etwas undurchsichtig, und die Kontoeröffnung kann ein mühsamer Prozess sein.
Die Verwahrung von Coins ist ein reales Problem, mit dem grosse Anleger konfrontiert sind. Angesichts der notorisch geringen Zuverlässigkeit der Börsen müssen Anleger, die bedeutende Mengen von Coins angesammelt haben, eine sicherere Lösung suchen – ähnlich einem Tresor in einer Bank.
Die Verwahrung lässt sich in drei verschiedene Risikoklassen einteilen. Das risikoreichste Verwahrungssystem besteht darin, die Coins auf der Börse zu lassen. In diesem Fall befinden sich die Coins technisch im Besitz der Börse und sind nur über die Börse zugänglich. Ist die Plattform ausser Betrieb, ist kein Zugriff möglich.
«Denken Sie sich den Fall eines Schürfers aus, der grosse Mengen von Coins geschürft hat»
Das zweite Verwahrungssystem wird als Wallets bezeichnet. Wallets sind Anwendungen, die dafür geschaffen wurden, private Schlüssel zu verwahren. Damit werden die Coins ausserhalb der Börse aufbewahrt, bleiben aber im Netz und sind nach wie vor möglichen Angriffen ausgesetzt.
Das sicherste Verwahrungssystem ist die «kalte Lagerung». Effektiv bedeutet das «vom Netzwerk getrennt». Die einfachste Form der kalten Lagerung ist ein Stück Papier mit dem privaten Schlüssel. Komplexere Systeme für die kalte Lagerung beinhalten vom Internet getrennte Festplatten, die in physischen Tresoren verwahrt werden.
Obwohl die kalte Lagerung als sicherste Form der Verwahrung gilt, ist sie auch die Form, welche die Liquidität des Anlegers am stärksten beeinträchtigt, da der private Schlüssel zu den Coins vom Netzwerk getrennt ist. Für Anleger, die einen schnellen Zugriff auf ihre Kryptowährung benötigen, ist die kalte Lagerung nicht der beste Kompromiss.
Die steuerliche Behandlung von Kryptowährungen ist ebenfalls ein Thema, das noch gelöst werden muss. Für Privatanleger, die ein paar Tausend halten, ist das natürlich kein grosses Problem, aber anderen Marktteilnehmern kann ein anderes Schicksal blühen. Denken Sie sich den Fall eines Schürfers aus, der grosse Mengen von Coins geschürft hat. Um sie zu monetisieren, müssen Kryptowährungen gegen Fiatgeld wie Euro und Dollar getauscht und anschliessend auf einem Bankkonto deponiert werden.
«Ohne Zweifel werden sich die Steuerbehörden bald mit diesem Thema befassen»
Das steuerliche Problem ergibt sich mit der Offenlegung, dass dieses Bankkonto besteht. Ist das Guthaben auf dem Konto das Ergebnis von Arbeit, so dass es als Einkommen behandelt und entsprechend besteuert werden soll? Oder ist es ein Vermögen und mit dem entsprechenden Steuersatz? Das bleibt eine offene Frage. Es steht aber ausser Zweifel, dass sich die Steuerbehörden bald mit diesem Thema befassen werden.
Die erwähnte Liste ist keineswegs erschöpfend. So könnte man zum Beispiel die geringe Ausführungsqualität an einigen Börsen, die Dauer bis zur Bestätigung einer Transaktion in der Blockchain in Zeiten der Überlastung und die hohen Transaktionsgebühren in der Bitcoin-Blockchain hinzufügen. Kryptowährungen sind jedoch der sichtbarste Teil einer technologischen Innovation, welche die Art und Weise der Geschäftstätigkeit in einigen Bereichen verändern dürfte. ICO (Initial Coin Offering) und Tokenisierung können den Zugang neuer Unternehmen, die Finanzmittel benötigen, zu Wagniskapital revolutionieren.
Die Blockchain dürfte eine Reihe von Branchen umkrempeln – auch Finanzdienstleistungen. Zugegeben, Kryptowährungen sind volatil, eine Reihe von ICO sind reiner Schwindel und der Handel mit Kryptowährungen ist mit Fallstricken gepflastert. Letztlich sind Kryptowährungen aber ein Ausdruck der tektonischen Verschiebung bei der Art und Weise, wie Geschäfte abgewickelt werden. Folglich kommt es zu Erdbeben...
Nicolas Roth ist Co-Manager des Fonds Reyl Resurgence. Gemeinsam mit seinem Fondspartner ist er auch für Research, Einzeltitelauswahl und Anlageberatung für alternative Fonds bei Reyl zuständig. Bevor Roth 2009 zur Reyl-Gruppe stiess war der Ökonom bei HBK Investments Advisory und der Standard Chartered Bank für Analysen im Bereich quantitative Strategien, Credit-Arbitrage und Fixed Income sowie für das Risikomanagement von Vermögenswerten von mehr als einer Milliarde Dollar zuständig.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Didier Saint-Georges, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Katharina Bart, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Beat Wittmann, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Michel Longhini, Frédéric Papp, Claudia Kraaz, James Syme, Peter Hody, Claude Baumann, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Ralph Ebert und Marionna Wegenstein und Armin Jans.