Investitionen in Infrastrukturvorhaben bieten sichere und planbare Cashflows, geeignet fürs Asset-Liability-Matching von Pensionskassen, schreibt die Finanzexpertin Mirjam Staub exklusiv für finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Schweizer Privatbank Pictet & Cie. Die Auswahl der Beiträge liegt bei finews.ch.


Die Verstädterung nimmt zu. Jedes Jahr ziehen rund 75 Millionen Menschen in Stadtgebiete, hauptsächlich in den schnell wachsenden Schwellenländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Leben heute rund 3,4 Milliarden Menschen in Städten, wird bis im Jahr 2030 ein Anstieg auf fünf Milliarden – oder rund 60 Prozent der Weltbevölkerung – erwartet.

War im Jahr 1950 New York weltweit noch die einzige Metropole mit über 10 Millionen Einwohnern, gab es 1990 bereits zehn davon. In weniger als zwanzig Jahren hat sich diese Zahl fast verdreifacht: Heute zählen wir weltweit 28 Megastädte, in China allein befinden sich sechs davon.

«Die Lösungsansätze bieten riesige Chancen»

Diese dramatische Entwicklung belastet Umwelt und Gesellschaft enorm. Nicht nur erzeugen Städte fast 70 Prozent der Treibhausgas-Emissionen weltweit, auch ist in zahlreichen dicht besiedelten Stadtgebieten die Belastung der Infrastruktur, vor allem der Wasser-, Nahrung- und Energieversorgung, Abfall- und Abwasserentsorgung sowie der Transportsysteme, untragbar geworden und resultiert in einer miserablen Lebensqualität für die Einwohner.

Lebenswerte Grossstädte hingegen, wie Singapur oder San Francisco schützen ihr natürliches Ökosystem mit Massnahmen zur Ressourcen- und Energieeffizienz und sichern so eine nachhaltige Lebensqualität für kommende Generationen.

Die Lösungsansätze zur nachhaltigen Urbanisierung bieten riesige Chancen für Investoren. Die weltweit hohe Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen zur effizienten Nutzung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Luft oder Energie – China zum Beispiel investiert derzeit mehr als 150 Milliarden Dollar jährlich in die Bekämpfung der Luftverschmutzung – begünstigt Sektorspezialisten.

«Durch den Spardruck im öffentlichen Sektor bieten sich attraktive Möglichkeiten»

Geberit beispielsweise, setzt wassersparende Sanitär- und Rohrsysteme weltweit ab und belohnte Investoren mit einer durchschnittlichen jährlichen Aktienrendite von 20 Prozent über die vergangenen 15 Jahre. Oder die belgische Umicore, ehemals tätig im Kupferabbau in Schwarzafrika, ist heute ein weltweit tätiger Materialtechnologie- und Recycling-Konzern, führend in der Rückgewinnung von Kupfer und (Edel)metallen aus Elektroschrott.

Urbanisierung ist die treibende Kraft für Infrastrukturausgaben. Gemäss Schätzungen der OECD werden in den nächsten 20 Jahren jährlich 2,5 bis 3,5 Billionen Dollar oder rund 3,5 Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts benötigt, um die für die Wirtschaft notwendige Infrastruktur zu schaffen und aufrecht zu erhalten, davon alleine mehr als zwei Billionen Dollar pro Jahr für urbane Infrastruktur.

Aufgrund des zunehmenden Spardrucks im öffentlichen Sektor bieten sich privaten Investoren attraktive Möglichkeiten, beispielsweise in Mautstrassen, Häfen, erneuerbare Energien, Gasleitungen oder Telekommunikationsanlagen zu investieren.

«So resultieren sichere und planbare Cashflows»

Viele Infrastrukturanlagen bieten einen inhärenten Schutz vor Inflation durch Regulierung, Konzessionen, Verträge respektive Preissetzungs-Macht auf Grundlage einer starken strategischen Position. Ebenso führen die hohen Investitionskosten für den Bau von Infrastrukturanlagen zu einer (Quasi-)Monopolstellung und damit zu einer gewissen Krisenresistenz bei Konjunkturschwankungen.

Entsprechend resultieren sichere und planbare Cashflows, geeignet zum Asset-Liability-Matching von Pensionskassen oder Versicherungen und zur Portfoliodiversifikation, da sie kaum mit anderen Anlageklassen korrelieren. Letzteres gilt allerdings nur für Investitionen in nicht börsennotierte Infrastrukturgesellschaften oder -fonds, deren Nachteil wiederum in ihrer eingeschränkten Liquidität und Fungibilität liegt.

Sie erfordern vor der Investition eine umfassende Due-Diligence-Prüfung, kompensieren den Anleger jedoch je nach dem ausgewählten Risikoprofil der Investition mit stabilen Renditen im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich.

«Das Investitionsvolumen bestimmt die Anlageform weitgehend»

Börsennotierte Infrastrukturinvestitionen, dazu gehören Versorgeraktien oder auch kotierte Investitionsvehikel, sind zwar recht liquide, aber auch entsprechend volatil und weisen eine hohe Korrelation zu den Aktienmärkten auf. Dafür ermöglichen sie Investoren, unverzüglich und auch mit kleineren Anlagevolumen global diversifiziert in die Anlageklasse zu investieren.

Weltweit stammt bereits über ein Drittel des privaten Kapitals für Infrastrukturinvestitionen von Pensionskassen, weitere zehn Prozent von Versicherungen, Tendenz steigend. Australische und kanadische Pensionskassen investieren aktuell rund 15 Prozent ihres Kapitals in Infrastruktur, im Gegensatz zu europäischen, die noch unter 5 Prozent liegen.

Institutionelle Anleger investieren bevorzugt direkt in Infrastrukturprojekte oder über Private-Equity-Fonds. Das Investitionsvolumen bestimmt die Anlageform weitgehend, kann doch ein Minimum an die im Vorsorgebereich geforderte Diversifikation nur über Infrastrukturanlagen an verschiedenen Standorten und unterschiedlichen Sektoren erreicht werden.

«Die Anleger leisten einen zentralen Beitrag zu einer klimafreundlichen Wirtschaft»

Rund drei Viertel der 2050 bestehenden Infrastruktur ist heute noch nicht gebaut. Für Investoren bietet sich die hier die Chance, möglichst zukunftsfähige Infrastrukturprojekte, die sich als widerstandsfähig im Hinblick auf Klimarisiken wie Sturmfluten oder steigende Wasserpegel und ressourceneffizient und -schonend erweisen, zu finanzieren.

Dadurch verbessert sich nicht nur das Rendite-Risiko-Profil, sondern die Anleger leisten auch einen zentralen Beitrag zu einer klimafreundlichen, kohlestoffarmen und damit nachhaltigen Wirtschaft.


Mirjam Staub-Bisang ist Mitgründerin und CEO der Independent Capital Group, einem Asset-Management-Unternehmen für institutionelle und private Kunden mit einem Fokus auf nachhaltige Wertschriften- und Immobilienanlagen. Sie ist Verwaltungsrätin der Bellevue Group, der INSEAD in Fontainebleau/Singapur und Stiftungsrätin der Profond Sammelstiftung.

Sie ist promovierte Juristin der Universität Zürich und Rechtsanwältin und hält einen MBA-Abschluss der INSEAD in Fontainebleau. Sie ist Autorin von Standardwerken zu nachhaltigen Anlagen und Infrastrukturanlagen. Zuletzt erschien von ihr als Co-Autorin: «Infrastructure as an Asset Class» bei Wiley & Sons. Das Buch kommt demnächst auch in einer chinesischen Ausgabe heraus. Im Jahr 2009 wurde sie vom World Economic Forum (WEF) zu einem «Young Global Leader» ernannt.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Claude Baumann, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Frédéric Papp, Brigitte Strebel und Peter Hody.