Im Banking mit jüngeren Generationen wird Reichtum sekundär. Was Private Banker dann noch zu tun haben, verrät finews.ch-Redaktor Samuel Gerber auf finews.first.
Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.
Anfang Jahr hat die UBS ihre gesamte Vermögensverwaltung im Global Wealth Management zusammengezogen. Ob die weltgrösste Privatbank mit der neuen Superdivision erfolgreich wird, muss sich noch weisen. Schon jetzt darf aber kritisiert werden: Die UBS-Manager hatten bei der Namenswahl kein glückliches Händchen. Denn um «Wealth» wie in «Global Wealth Management» könnte es im Banking der Zukunft immer weniger gehen. Stattdessen dürften jüngere Generationen wie die viel beschworenen Millennials nach etwas ganz anderem verlangen.
Eine Ahnung dieser Wünsche hat Vishal Jain. Der frühere McKinsey-Berater steht im Dienst des britischen Versicherers Prudential – jenes Konzerns notabene, als dessen CEO der heutige Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam von 2009 bis 2015 wirkte. Jain bekleidet dort die futuristisch klingende Position des Chief Financial Wellness Officer. Kraft dieses Amtes folgerte er jüngst in einem Beitrag für das Branchenportal «Institutional Investor»: was künftig gefragt sein werde, ist «Financial Wellness».
Das klingt nach Beratersprech. Doch bei näherem Hinsehen spricht einiges für dieses Konzept, das einem Finanzkonzern wie Prudential als wichtig genug erscheint, dafür extra einen Manager abzustellen. Doch worum geht es im Kern?
Im klassischen Private Banking stand und steht die Vermehrung von Geld im Vordergrund, denn wozu sonst soll ein Millionär einen Vermögensverwalter engagieren? Und mit Blick auf die Banken wiederum sind es die «Net New Assets», die als Gradmesser für Marktanteil, Prestige und Bankerboni gelten.
«Für Millennials ist YOLO – you only live once – eine gültige Lebensphilosophie»
Bei der Financial Wellness hingegen ist die Geldvermehrung sekundär. Vielmehr geht es darum, die vorhandenen Finanzen zu nutzen, um ein möglichst erfülltes Leben zu führen. Das mag esoterisch klingen, gerade für Plus-40-jährige Kader, die sich für Familie, Hypothek, Rente und die Aussicht auf ein wenig Luxus im Hamsterrad der Grosskonzerne abstrampeln. Für gut ausgebildete Millennials jedoch ist YOLO – you only live once – eine gültige Lebensphilosophie. Fürs Hamsterrad interessieren sie sich weniger.
In diese Lebensphilosophie fügt sich das finanzielle Wohlergehen ein wie ein Puzzleteil, zusammen mit der körperlichen Gesundheit und einem vernünftigen Umgang mit Mitmenschen und der Umwelt. In der Financial Wellness ihrerseits wird – so die Voraussage – alles verschmelzen, was bisher im Universum der Finanzdienstleistungen zu haben war: Anstelle von Bankkonti, Fonds, Versicherungen und Vorsorgeplänen soll es künftig holistische Angebote geben, die alle denkbaren Aspekte des finanziellen Wohlergehens sicherstellen.
Klingt utopisch? Solche Angebote simd bereits heute im Ansatz vorhanden: Robo-Advisor, die über eine App jederzeit erreichbar sind, fassen eine Vielzahl von Wertschriften und Produkten zu einem klar formulierten Anlageziel zusammen. Digitale Broker suchen unter Tausenden Policen nach der Passenden fürs Risiko.
«Früh im Leben erlittene Vermögensverluste sind später umso schwieriger aufzuholen»
Weil Nutzer jene Angebote nach ihren individuellen Bedürfnissen gestalten, empfinden sie diese auch als sinnvoller – ideal für jüngere Generationen, die sich konstant auf Sinnsuche befinden. Dass diese Suche nach finanziellem Wohlergehen Sinn macht, liegt auf der Hand. Denn Financial Wellness wird künftig ein rares Gut. Die um die Jahrtausendwende Geborenen können nämlich davon ausgehen, mehrere Dekaden länger zu leben als vorangehende Generationen. Entsprechend müssen die angesparten Vorsorgegelder und Vermögen weiter reichen.
Das wird kein Kinderspiel. Anders als die «Baby-Boomer» vor ihnen sind sie mit einem Wirtschafts- und Börsenumfeld konfrontiert, das den Kräften der Globalisierung voll ausgesetzt und immer wieder von Rezessionen bedroht ist. Früh im Leben erlittene Verluste auf dem Vermögen sind später umso schwieriger aufzuholen. Die Grossbank Credit Suisse bezeichnete die Millennials deswegen in einer Studie als die «Generation der Unglücklichen».
Von Wellness ist das ziemlich weit entfernt. Umso gründlicher hat die neue Dienstleistung zu greifen, um doch noch ein glückliches Alter für die Jungen zurechtzubiegen. Laut Experten muss dabei der ganze Lebensplan überdacht werden: Welche Ausbildung zum Ziel führt, für wen man arbeitet, wo man wohnt, und ob und wann man eine Familie gründet. Vor allem aber: wie die langen Jahre, die noch vor einem liegen, zu gestalten sind.
Das ist durchaus positiv zu betrachten – aufgrund ihrer körperlichen Wellness werden die Millennials auch im Rentenalter wohl einiges mobiler sein als die älteren Generationen heute. Die Finanzinstitute, zumal die eingangs erwähnte UBS, gehen für dieses Angebot bereits in die Startlöcher. Die grösste Schweizer Bank stellt in der Vermögensverwaltung nun bevorzugt Finanzplaner ein, die Kunden zu ganzen Lebensabschnitten beraten können.
«Nun könnte die Stunde der Versicherer schlagen»
Damit steigen die Anforderungen an die Kundenberater an der Front rapide an. Doch die Frage ist, ob die Private Banker trotz zusätzlichem Know-how noch die Kurve kriegen. Denn wenn es um die Financial Wellness geht, haben die hoch bezahlten Spezialisten für den Reichtum nicht die besten Karten in der Hand.
Stattdessen könnte die Stunde der Versicherer schlagen. Diese haben beim Verkauf von Vorsorge-, Krankenversicherungs- und Lebensversicherungs-Produkten ihre Kunden schon immer zu Lebensphasen beraten. Dabei stand zwar eher die Furcht vor finanziellem Schaden als das finanzielle Wohlergehen im Gesprächszentrum. Doch immerhin ist das Terrain den Versicherern vertraut. Hinzu kommt, dass die Assekzuranz via die Berufliche Vorsorge über einen engen Kontakt mit den Arbeitgebern verfügt. Und die Unternehmen sind in Sachen «Financial Wellness» ein entscheidender Faktor.
In der Schweiz sind bereits die ersten Versicherer daran, aus diesem Vorteil Kapital zu schlagen. So verbindet etwa der grösste Lebensversicherer Swiss Life seine Vorsorgeberatung mit Vermögensverwaltungs-Mandaten – und spannt den Bogen gleich noch weiter zur Pensionsplanung, Dienstleistungen im Bereich Gesundheit und Pflege sowie altersgerechtes Wohnen. Damit ist die Swiss Life der Financial Wellness schon ziemlich nahe gekommen.
Mit dem einzigen Schönheitsfehler, dass sich die Dienstleistung vorab an Über-65-Jährige richtet.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Didier Saint-Georges, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Katharina Bart, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Beat Wittmann, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Michel Longhini, Frédéric Papp, James Syme, Peter Hody, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Ralph Ebert, Marionna Wegenstein, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Michael A. Welti, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Claude Baumann, Sandro Occhilupo, Claudia Kraaz, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel und Jens Pongratz.