Sterling oder wie ein aktivistischer Fonds 25 Jahre alt werden konnte

Seit 25 Jahren investiert der Sterling Active Fund in kleine und mittelgrosse europäische Unternehmen. Die beiden Verantwortlichen, Giulia Nobili und Massimo Pedrazzini, erklären im Interview mit finews.ch die Mission hinter diesem aktivistischen Fonds.


Massimo Pedrazzini, was bedeutet dieses Jubiläum für Sie?

Sehr viel. Meines Wissens gibt es in unserem Geschäftsfeld keinen Fonds, der auf die Erfahrung aus 25 Jahren zurückgreifen kann – eine Erfahrung, die sich einerseits in einem tiefen Verständnis unseres Umfelds, der Manager und Investoren widerspiegelt; und andererseits in der Bestätigung, dass unser eigener Investitionsansatz langfristig funktioniert und die zahlreichen Krisen, welche die Märkte seit 1999 durchlaufen haben, überstanden hat.

Können Sie etwas zur Performance, zu den einzelnen Investments und zum Fondsvolumen sagen?

Aktuell verwalten wir knapp 250 Millionen Euro, die wir in der Regel in 10 bis 12 börsennotierte Unternehmen investieren. Idealerweise handelt es sich um Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung zwischen 500 Millionen und 2 Milliarden Euro.

«Im Durchschnitt haben wir eine annualisierte Nettorendite von rund 10 Prozent erzielt»

Wir fokussieren uns auf Unternehmen, die einen oder mehrere Stressfaktoren aufweisen, die ein aktiver Aktionär lösen kann. Im Durchschnitt haben wir eine annualisierte Nettorendite von rund 10 Prozent erzielt – ohne Leverage und mit einer reinen «Long Only»-Strategie.

Läuft man mit einem 25-jährigen Fonds nicht Gefahr, vor einem Generationenwechsel zu stehen, der nicht immer ganz einfach ist?

Theoretisch ja, praktisch jedoch nein. Unser Gründer, der Rechtsanwalt und Investor Tito Tettamanti, der die Fonds-Strategie basierend auf seinen in den 1980er-Jahren in den USA gesammelten Erfahrungen entwickelte, hat bereits vor mehr als 15 Jahren schrittweise die Führung an Giulia Nobili und mir übertragen.

Darum verfügen wir heute über die seltene Kombination aus äusserst erfahrenen Partnern und jungen Talenten, die eine glänzende Zukunft für unseren Fonds und unsere Investoren sichern.

Giulia Nobili, verraten Sie uns das «Geheimrezept», mit dem es überhaupt erst möglich wurde, über einen so langen Zeitraum so hohe Renditen zu erzielen?

Tatsächlich hat der Fonds in den vergangenen 25 Jahren eine kumulierte Rendite von 848 Prozent (B-Aktien) netto nach Gebühren erzielt.

Das Rezept ist vergleichsweise einfach: eine sehr gründliche Analyse sowohl in der Studienphase als auch während der gesamten Investitionsdauer; eine strenge Betreuung der Unternehmen, in die wir investieren – ähnlich wie im Private Equity, jedoch mit besonderer Vorsicht –, ein konstruktiver Ansatz, Geduld und auch die Fähigkeit, den Druck zu erhöhen, wenn es nötig ist. Vor allem aber… wir lieben unsere Arbeit.

«Die bedeutendsten Anleger des Fonds sind wir selbst»

In 25 Jahren haben nur 7 von 63 Investitionen eine negative Rendite erzielt (sieben zu viel!). In den vergangenen Jahren war das einzige verlustbringende Investment jenes in die Firma Essentra, ein englisches Konglomerat, das zwei Sparten abstiess, um das Geschäft – wie von uns angestrebt – auf kleine Industriekomponenten zu fokussieren, jedoch später von einer branchenweiten Krise getroffen wurde, die ausserhalb unserer Kontrolle lag, und auf die wir keinen Einfluss hatten.

Wir sind 2024 ausgestiegen, als wir die relevanten Risiken in den jeweiligen Sektoren erkannten. Wie von uns befürchtet, erlitt die Aktie anschliessend einen weiteren erheblichen Verlust.

Wer sind Ihre Investoren?

Massimo Pedrazzini: Es sind Finanzinstitute, Pensionskassen, von Vermögensverwaltern vermittelte Kundinnen und Kunden sowie private Investorinnen und Investoren. Aber die bedeutendsten Anleger sind wir selbst.

«Wir könnten ein Buch darüber schreiben»

Mehr als 40 Prozent des investierten Kapitals wird von den Fondsmanagern, unserem Beraternetzwerk und von dauerhaften Investoren gehalten, die seit mehr als zwanzig Jahren bei uns sind. Unser Fonds kann man über die ortsansässigen Banken oder direkt bei unserem Verwalter zeichnen.

Wenn Sie auf die vergangenen 25 Jahren zurückblicken, gibt es da eine Geschichte, die ihn ganz besonders in Erinnerungen geblieben ist?

Giulia Nobili: Wir könnten ein Buch darüber zu schreiben, aber aus Gründen der Vertraulichkeit ist das leider nicht möglich.

Verraten kann ich aber folgendes: Das jüngste Abenteuer, das wir gerade abgeschlossen haben, war Renewi, ein Unternehmen im Bereich Abfallmanagement, das vor allem in den Niederlanden und Belgien tätig ist.

Wir begannen Ende 2023 zu investieren und bauten den Grossteil unserer Position vor dem Sommer 2024 auf, unmittelbar nach der Ankündigung des Verkaufs einer konstant verlustreichen Sparte in Grossbritannien, deren Veräusserung wir zusammen mit anderen Aktionären forderten.

«In den nächsten zwei Jahren wollen wir 500 Millionen Euro an Assets under Management erreichen»

Durch die Neuausrichtung auf ihr hochwertigeres Kerngeschäft wurde das Unternehmen zu einem attraktiven Übernahmekandidaten. In den folgenden Monaten kam es zu einem öffentlichen Übernahmeangebot, das es uns ermöglichte, in diesem Februar mit einem positiven Return von 24 Prozent und einem IRR von 52 Prozent auszusteigen.

Wie sieht es nun konkret mit er Nachfolgeregelung aus?

Das Thema stellt sich in den kommenden Jahren nicht, da wir ein junges Team aufgebaut haben, das langfristig im Fonds wachsen kann.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihren Fonds in den nächsten zwei Jahren gesetzt?

Unsere Hauptziele sind die Diversifizierung der Investorenbasis und das Erreichen von 500 Millionen Euro an Assets under Management.


Giulia Nobili ist Verwaltungsratspräsidentin der SSVL (Monaco) S.A.M. und Investmentberaterin des Sterling Active Fund. Sie stiess 2010 zur ST Group Holding. Sie verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in den Bereichen Unternehmensführung, Vorstandstätigkeit und Investment Banking sowie in Strategie, Geschäftsentwicklung, Restrukturierung, operativem Geschäft und Integration. Ihre Karriere begann sie im Bereich Private Equity bei CVC, danach war sie im Investmentbanking bei Salomon Brothers und Lehman Brothers tätig. Sie hat einen Abschluss in Volkswirtschaftslehre vom Boston College und einen MBA von der Bocconi-Universität. Zudem ist sie Verwaltungsrätin der Fidinam Group.

Massimo Pedrazzini ist Präsident des von Tito Tettamanti gegründeten Sterling Strategic Value Fund, Luxemburg, und der Fidinam-Gruppe in Lugano. Darüber hinaus präsidiert er unter anderem die ST Group. Er begann seine berufliche Laufbahn 1985 bei der in Lugano ansässigen Anwaltskanzlei Tettamanti Spiess & Associati, wo er 1993 bis 2005 Partner war und sich auf Vertragsrecht, M&A, Gesellschaftsrecht sowie internationales Steuer- und Finanzrecht konzentrierte. Während dieser Zeit beriet er Industrie- und Finanzunternehmen bei grenzüberschreitenden Joint-Ventures und M&A-Transaktionen in Europa, Asien und Amerika. Er besitzt einen Abschluss in Rechtswissenschaften der Universität Genf.