Seien wir ehrlich: Die Performance der Emerging Markets nach der grossen Finanzkrise war enttäuschend. Doch was können Investoren in den nächsten zehn Jahren tun?, fragt Christian Gast in seinem Essay auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Nach einer schnellen Erholung 2009 entwickelten sich die Schwellenländer-Börsen in der Folge vor allem seitwärts, während sich die übrigen Märkte mehr als verdoppelt haben. Das war damals alles andere als offensichtlich. Denn namhafte Investoren sprachen von einer neuen Normalität im Hinblick auf das Wachstum der entwickelten Märkte, das durch die Kreditexzesse der Vergangenheit beeinträchtigt werden sollte. Investieren in Länder mit höherem BIP-Wachstums schien daher nur natürlich.

Neben der sektoralen Ausrichtung von Emerging Markets (EM) auf Rohstoffe und einem geringeren Technologiegewicht sind mangelnde Governance und mangelnder Schutz von Aktionärsinteressen die anderen wichtigen Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass EM gegenüber den entwickelten Märkten so enttäuscht hat. Was sollen Investoren in den nächsten zehn Jahren tun?

«Es scheint, dass ESG-Faktoren preislich bis jetzt kaum bewertet werden»

Der Schlüssel zu einer Lösung könnte in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) und Künstliche Intelligenz (KI) liegen. Denn eine Vermeidung der schlechtesten Unternehmen in Bezug auf ESG-Faktoren kann nicht nur die Umwelt- und Sozialkosten für die Gesellschaft senken, sondern auch die Governance näher an den Standard der entwickelten Märkte heranführen. Dies wiederum kann den Gewinnanteil, der den Aktionären zufliesst, deutlich erhöhen.

In den entwickelten Märkten unterscheiden sich die historische Performance sowie Bewertungskennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Dividendenrendite nicht wesentlich, ob ESG-Filter eingesetzt werden oder nicht. Es scheint, dass ESG-Faktoren preislich kaum bewertet werden. Dies könnte sich in Zukunft ändern, wenn sich die Investoren mehr und mehr auf ESG-Kriterien konzentrieren.

«Dies ist eine gute Nachricht»

In den Schwellenländern war der Unterschied in der Vergangenheit deutlich höher und auch die Bewertungskennzahlen für ESG-Portfolios sind günstiger. Höhere Multiplikatoren für ESG-Portfolios in Schwellenländern deuten darauf hin, dass die Anleger hier diese Faktoren bewerten.

Die Tatsache, dass die Outperformance von ESG-Portfolios nicht vollständig durch die Expansion der Bewertungskennzahlen erklärt werden kann, lässt sich jedoch so interpretieren, dass ESG-Faktoren die Ertragskraft von EM-Portfolios verbessern kann. Dies ist eine gute Nachricht, da sie darauf hindeutet, dass die Outperformance der ESG-Faktoren in EM nicht nur eine einmalige, sondern eine nachhaltige Entwicklung sein könnte.

«Hier kann künstliche Intelligenz im Investmentprozess helfen, Informationen konsistent zu verarbeiten»

Heutzutage werden Portfoliomanager wie alle anderen mit einem konstanten Strom von Informationen bombardiert. Zur Verarbeitung solcher Informationsmengen sind Menschen ungeeignet. Die Herausforderung für den Menschen ist nicht nur die reine Menge an Daten, sondern vielleicht noch wichtiger die Herausforderung, im Ansatz treu zu bleiben.

Hier kann künstliche Intelligenz im Investmentprozess helfen, Informationen konsistent zu verarbeiten und letztendlich Unternehmen mit attraktiven Risiko- und Renditeeigenschaften bei grösserem Atemzug und zu niedrigeren Kosten zu identifizieren.

In Schwellenländern ist dieser Ansatz besonders vielversprechend, da sie im Vergleich zu entwickelten Märkten oft noch tendenziell weniger effizient sind. Diese Entwicklung in der Asset-Management-Industrie wird letztlich den Anlegern zugutekommen.


Christian Gast ist seit November 2018 CEO der in Zürich ansässigen Firma Systematic Investment Management (Simag). Zuvor war er Geschäftsführer des Bereichs iShares beim US-Finanzkonzern Blackrock in der Schweiz und nahm hierzulande auch Einsitz im Executive Committee. Frühere Stationen in seiner langen Karriere waren die UBS sowie die St. Galler Kantonalbank. Er studierte und promovierte in Banking Management an der Universität Zürich und hat überdies einen MBA der Universität des Saarlandes.  


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