Seit der Finanzkrise wollen die Behörden in Notlage geratene Banken ohne Störung der Stabilität des Finanzsystems abwickeln. Die Banco Popular ist eine Blaupause dafür, schreibt Stephen Thariyan auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


In den vergangenen Wochen beherrschte die Politik in Grossbritannien und Frankreich die Schlagzeilen. Kaum Notiz nahm man daher von der Pleite einer spanischen Grossbank, die von der europäischen Bankenaufsicht weitgehend geräuschlos und entschlossen abgewickelt wurde.

Am 6. Juni 2017 kam der Ausschuss des einheitlichen europäischen Abwicklungsmechanismus (SRB), 2015 eingerichtet, um die Abwicklung in Notlage geratener Grossbanken im Euroraum zu steuern, zum Schluss, dass die Banco Popular Espanol, Spaniens viertgrösstes Geldhaus, «zahlungsunfähig ist oder bald zahlungsunfähig sein wird».

Zur Begründung verwies der SRB auf die sich verschlechternde Liquiditätslage der Bank. Der SRB stellte fest, die Bank sei nicht länger geschäftsfähig und ordnete die Abwicklung an, da ein Verkauf an einen privaten Investor nicht in Sicht sei und eine Abwicklung die Einlagen schützen und die Stabilität des Finanzsystems sichern würde.

«Es folgte der Verkauf an die Bank Santander für einen symbolischen Euro»

An den Verlusten beteiligte die Abwicklungsbehörde auch die Wertpapierinhaber der Bank, die auf 3,3 Milliarden Euro verzichten mussten. Hierzu reduzierte sie das Eigenkapital der Banco Popular auf null, bevor sie Inhaber nachrangiger Anleihen zur Kasse bat. Auch AT1- und LT1-Kapitalinstrumente wurden wertlos gestellt, während T2-Kapitalinstrumente in Stammaktien umgewandelt und anschliessend ebenfalls auf null abgeschrieben wurden.

Es folgte der Verkauf der notleidenden Banco Popular an die Bank Santander für einen symbolischen Euro. Die vorrangigen Anleihen wurden von Abschreibungen ausgenommen und auf die Santander Bank übertragen; dass in Spanien vorrangige Anleihen im gleichen Rang mit Einlagen stehen, dürfte die Entscheidung der Abwicklungsbehörde beeinflusst haben, bei diesen Anleihen auf eine Beteiligung an der Rettung zu verzichten.

«Dieser Präzedenzfall unterstreicht, über welche Machtbefugnisse die Bankenaufsicht verfügt»

Seit der Finanzkrise 2008 ist es ein zentrales Anliegen der Bankenregulierer, in Notlage geratene Banken weitgehend ohne Störung der Stabilität des Finanzsystems abzuwickeln. Die Banco Popular ist eine viel versprechende Blaupause dafür, wie Grossbanken im Pleitefall abgewickelt werden können, ohne dass es zu einer Kettenreaktion kommt und der Steuerzahler in die Bresche springen muss.

Stattdessen setzte man auf eigens für diesen Zweck geschaffene eigenkapitalähnliche Instrumente. Dieser Präzedenzfall unterstreicht auch, über welche Machtbefugnisse und Instrumente die Bankenaufsicht inzwischen bei in Schieflage geratenen Banken verfügt. Diese reichen von der Aussetzung von Zinszahlungen bei Nachranganleihen bis hin zur Beteiligung der Gläubiger an einer Rettung und dem möglichen Verkauf der Bank.

«Inzwischen überwiegen an den Kreditmärkten die Abwärtsrisiken»

Aus meiner Sicht lassen sich aus diesem Fall drei zentrale Erkenntnisse gewinnen:

  • Die Abwicklung der Banco Popular wurde dadurch erleichtert, dass ein williger Käufer bereitstand. Das wird nicht immer der Fall sein und wirft Fragen mit Blick auf die mögliche Beteiligung von Inhabern vorrangiger Anleihen und die Geschäftskontinuität auf.
  • Da die Abwicklung zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Bank noch über mehr als das vom Regulierer geforderte Mindestkapital verfügte, scheint die Frage zulässig, ober der Unterschied zwischen AT1- und LT2-Anleihen nicht möglicherweise überbewertet wird. In einer Situation, in der AT1-Anleihen wegen eines erwarteten Kapitalengpasses ausfallgefährdet sind, würde eine Bank wohl als «wahrscheinlich zahlungsunfähig» erklärt, bevor der Verlustabsorptionsmechanismus ausgelöst wird. In diesem Fall würde sie vermutlich unter Einbeziehung sämtlicher Kapitalinstrumente abgewickelt.
  • Wir sind nicht bei Anleihen der Banco Popular engagiert und vertreten die Auffassung, dass die Übernahme für die Santander Bank, die die notleidende Bank für 1 Euro erworben hat, vorteilhaft sein könnte.

In den letzten Jahren haben sich Anleiheinvestoren an ein Umfeld gewöhnt, in dem Zahlungsausfälle der Vergangenheit anzugehören schienen. Aber auch wenn sich an den Märkten die starke Dynamik der letzten zwölf Monate fortsetzt, bleiben titelspezifische Risiken, vor denen wie eh und je vor allem fundierte Kreditanalysen schützen.

Inzwischen überwiegen an den Kreditmärkten eindeutig die Abwärtsrisiken. Die Schlechten von den Guten zu unterscheiden, sollte daher oberste Priorität haben.


Stephen Thariyan ist Global Head of Credit beim Vermögensverwalter Janus Henderson und leitet dabei ein 30-köpfiges Team an Kreditspezialisten. Bevor er 2007 zur damaligen Firma Henderson Global Investors stiess, war er für Rogge Global Partners sowie für NatWest tätig.  Seine Karriere startete er als Buchhalter bei Ernst & Young im Jahr 1988, bevor der leitender Revisor bei der Chevron Corporation wurde. Er studierte und schloss sein Buchhaltungs- und Finanzanalyse-Studium an der Universität von Newcastle-Upon-Tyne ab.

Henderson Global Investors und Janus Capital Group haben im Mai 2017 fusioniert.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Guido Schilling, Adriano Lucatelli, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Dan Steinbock, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Peter Kurer, Kinan Khadam-Al-Jame, Werner E. Rutsch, Robert Hemmi, Claude Baumann, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Katharina Bart, Frédéric Papp, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Didier Saint-Georges und Mario Bassi.