Sina Meier: «Bitcoin etabliert sich zunehmend als Safe-Haven-Asset»
21Shares hat seit Anfang Jahr ein neues Führungsduo. Dieses will das regulatorisch freundlichere Umfeld für die internationale Expansion nützen. Schweiz-Chefin Sina Meier sieht aber auch hierzulande Potenzial. Ein Interview über den reiferen Krypto-Markt und das grosse Wachstumspotenzial, die Folgen des Trump-Schocks, die Sicherheit von Cold Storage, die Hashrate als Indikatoren und den Markteintritt Blackrocks.
Das seit 2018 aktive Finanzinstitut bezeichnet sich als First-Mover und grössten Anbieter von Exchange Traded Products (ETP) auf Krypto-Basiswerte. Derzeit umfasst die Produktpalette von 21Shares rund 50 ETP (an 15 verschiedenen Börsen kotiert) auf Klassiker wie Bitcoin, Ethereum aber auch auf weniger gängige Exemplare wie Ondo oder Dogecoin.
Seit Anfang Jahr wird der Spezialist für Krypto-ETP, der den Anspruch hat, Krypto jeder und jedem zugänglich zu machen, von einem neuen Führungsduo geleitet. Der neue CEO heisst Russell Barlow, der neue Verwaltungsratspräsident Duncan Moir. Beide haben von der Hedge-Funds-Industrie in den Kryptobereich gewechselt. Vor wenigen Wochen weilten sie für eine Präsentation im Zürcher Sitz von 21Shares (das auch in London und New York vor Ort ist).
Bitcoin: Wertaufbewahrung statt Zahlungsmittel
Moir verwies dabei auf die starke Research-Abteilung von 21Shares – ein Asset, dass er künftig noch besser vermarkten möchte. Barlow will international noch stärker expandieren, wobei ihm der Trend mit plötzlich sehr kryptofreundlichen Regulierungsbehörden in den USA und dem absehbaren Wegfall des ETP-Banns in Grossbritannien entgegenkommt.
Für Kryptos spricht zusätzlich, dass sie zunehmend in die normale Asset Allocation, die Banken für ihre Kunden vornehmen, integriert werden. Allerdings muss auch Barlow konzedieren, dass Bitcoin den ursprünglichen Claim als alternatives Zahlungsmittel (ausserhalb des traditionellen Bankensystems) nicht einlösen kann. «Der Anwendungsfall als Wertaufbewahrungsmittel ist viel stärker.»
Auch auf dem Heimmarkt will 21Shares den Schwung ausnutzen und weiter wachsen – und hat dazu eine neue Werbekampagne lanciert. finews.ch nutzte die Gelegenheit, sich mit Sina Meier, seit 2020 Leiterin Schweiz, über die spezielle Anlageklasse zu unterhalten.
Frau Meier, wie hat der Kryptomarkt auf Donald Trumps «Liberation Day» reagiert?
Trumps Zollankündigung hat die Märkte erschüttert: Weltweit geraten Aktien unter Druck, insbesondere Technologie-Titel, und die Rezessionsängste kehren zurück. Auch Bitcoin verzeichnete zunächst eine Korrektur – typisch für ein Asset, das rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr, gehandelt wird und oft als Frühindikator für die Marktstimmung dient, wenn traditionelle Märkte geschlossen sind.
Und wie sieht es aktuell aus?
Bitcoin zeigt sich erstaunlich stabil. Besonders in den vergangenen zwei Wochen zeichnet sich ein interessanter Trend ab: Während Aktien weiter abverkauft werden, behauptet sich Bitcoin und etabliert sich zunehmend als sogenanntes Safe-Haven-Asset – ähnlich wie Gold, das inzwischen Woche für Woche neue Rekordstände erreicht. Fundamental bleibt das Bild positiv, insbesondere für Bitcoin: Die Hashrate, die weltweit genutzte Rechenleistung des Netzwerks für die Verarbeitung von Transaktionen, liegt auf einem Allzeithoch, das institutionelle Interesse nimmt zu, und auch die regulatorischen Rahmenbedingungen werden klarer. Diese Korrektur? Könnte sich als echte Kaufgelegenheit erweisen.
«Diese Korrektur? Könnte sich als echte Kaufgelegenheit erweisen.»
In den letzten Jahren hat sich der Kryptomarkt stark entwickelt. Auch etablierte Banken und Asset Manager bieten zunehmend Produkte und Dienstleistungen an. Es ist einfacher geworden, in Krypto-Assets zu investieren. Setzen Sie mit ETP «only» immer noch auf das richtige Pferd?
Ja, der Markt ist reifer geworden, und es gibt mehr Möglichkeiten. Aus meinen vielen Gesprächen mit Kunden weiss ich aber, dass die Regulierung und Sicherheit weiterhin ein grosses Thema ist. ETP erfüllen diese Anforderungen. Wir haben keinen Zugriff auf die Assets der Kunden, die als «Cold Storage» bei entsprechend zertifizierten Gesellschaften sicher aufbewahrt werden.
Im Februar stahlen aber doch Hacker 1,5 Milliarden Dollar von der Handelsplattform Bybit, trotz Cold Storage.
Ja, zum einen gingen diese Hacker extrem professionell vor. Zum anderen gibt es bei den im Rahmen von ETP verwahrten Assets noch zusätzliche Schutzvorkehrungen, die das Risiko weiter minimieren. Absolute Sicherheit gibt es aber leider, wie auch bei anderen Anlageklassen, nicht. Aber es sprechen noch weitere Argumente für ETP…
Absolute Sicherheit gibt es aber leider bei ETP, wie auch bei anderen Anlageklassen, nicht.»
Welche?
Mit ETP lösen wir auch das Versprechen ein, Kryptos einfach handelbar zu machen. Die Liquidität während der Öffnungszeiten der Börsen ist sehr gut, die Spanne zwischen Geld und Brief klein. Und ETP sind ausgesprochen kosteneffizient, v.a. im Vergleich mit aktiv gemanagten Produkten.
Warum lancieren Sie nicht einen Exchange Traded Fund (ETF) auf Kryptos? In den USA sind solche ETF seit letztem Jahr im Angebot.
Weil in Europa und in der Schweiz die Regulierung dies nicht zulässt. Aber um ganz präzise zu sein: ETP ist eigentlich der Oberbegriff auch für ETF, und bei unseren ETP handelt es sich technisch betrachtet um Exchange Traded Notes (ETN) bzw. Exchange Traded Commodities (ETC).
Warum haben Sie eigentlich eine so grosse Produktpalette? Könnten Sie die Nachfrage, die sich erfahrungsgemäss auf wenige Instrumente konzentriert, nicht mit weniger abdecken?
Wir sind nur in dieser Nische tätig und haben den Anspruch, nicht nur die aktuellen Kundenbedürfnisse zu bedienen, sondern auch vorausschauend zu handeln und First-Mover zu sein. So waren wir bereit, als 2024 plötzlich Ripple stark nachgefragt wurde. Viele unsere Kunden sind tech-affin und wissen, dass es schwierig ist, heute zu erkennen, was sich morgen durchsetzen wird. Sie wollen daher nicht nur Bitcoin-Standardprodukte im Portfolio, sondern diversifizieren. Etwas pointiert ausgedrückt: Wenn eine Bank ein «innovatives» strukturiertes Produkt auf Krypto-Assets lanciert, haben wir dieses in der Regel schon seit geraumer Zeit in unserem Angebot.
«Wenn Anbieter wie Blackrock auftreten, schafft das Vertrauen auch bei den institutionellen Investoren.»
Der bekannte US-Gigant Blackrock hat jüngst seinen ersten Bitcoin-ETP ausserhalb der USA in der Schweiz kotieren lassen. Ist das nicht eine Bedrohung für 21Shares?
Wir betrachten diesen Markteintritt eher als Bestätigung des Trends, dass Krypto mehr und mehr zu einer normalen Anlageklasse wird. Wenn solche bekannten Namen als Anbieter auftreten, schafft das Vertrauen auch bei den institutionellen Investoren. Das Wachstumspotenzial von Krypto ist so gross, so dass genügend Platz für viele Akteure bleibt.
In der Branche spricht man naturgemäss gerne über Chancen, aber man muss doch auch über Risiken nachdenken. Was sind aus Ihrer Sicht Faktoren, die den Markt erschüttern könnten?
Unsicherheiten bezüglich der Regulierung, Sicherheitsrisiken wie das bereits angesprochene Hacking, Fehler in Smart Contracts, Unfälle bei Kryptobörsen – und bei jungen Branchen wie der Kryptoindustrie ist nicht auszuschliessen, dass einmal der berüchtigte «schwarze Schwan» auftauchen kann.
Unsere Finanzmarktaufsicht Finma wird in den letzten Monaten – Stichwort: Stablecoin-Regulierung – eher als bremsend wahrgenommen. Zugleich betreiben andere Länder, nicht nur die USA, aggressive Standortförderung und locken Krypto-Unternehmen an. Verliert die Schweiz an Attraktivität?
Die Schweiz war eines der ersten Länder, das einen gesetzlichen Rahmen für Krypto-Assets geschaffen hat. Es sind viele Player hier, das Ökosystem ist immer noch intakt, der Austausch untereinander ausgezeichnet. Aber wir müssen angesichts des Wettbewerbs noch mehr dafür tun, Talente hier zu behalten und ein günstiges Umfeld für Innovationen zu sichern.