Es gibt keinen Präzedenzfall, in dem ein Unternehmen in weniger als einem Jahr von einer Marktkapitalisierung von weit unter 1 Billion Dollar auf fast 2 Billionen Dollar gestiegen ist, schreibt Christopher Gannatti in seinem Beitrag auf finews.first. Ist alles nur ein Hype?
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
Im Vorfeld des letzten Gewinnberichts von Nvidia mehrten sich die Stimmen, dass der Aktienkurs des Konzerns allmählich nach unten tendieren würde. Hier ein Beispiel aus der Financial Times: «Nvidia is nuts, when’s the crash?» (Nvidia ist verrückt, wann kommt der Absturz?) Die Ergebnisse des vergangenen Jahres waren fantastisch. Aber es gibt keinen Präzedenzfall, in dem ein Unternehmen in weniger als einem Jahr von einer Marktkapitalisierung von weit unter 1 Billion Dollar auf fast 2 Billionen Dollar gestiegen ist.
Es gibt zwei logische Auslegungen:
- Es ist alles nur ein Hype. Aktienkurse können aus vielen Gründen schwanken, und es gibt ein berühmtes Sprichwort, das besagt: «Kurzfristig wirkt der Markt wie eine Wahlmaschine, aber langfristig wirkt er wie eine Waage.» Wir haben es bei GameStop gesehen – die Macht vieler, vieler Anleger, die in eine Aktie einsteigen, kann den Kurs weit über die Fundamentaldaten hinaus treiben. Allerdings ist zu beachten: Je grösser die Marktkapitalisierung des Unternehmens, desto mehr Kapitalgeber werden benötigt. Wir sprechen jetzt über eine Aktie, deren Marktkapitalisierung die Marke von 1,9 Billionen Dollar überschritten hat.
- Eine Erfolgsgeschichte von exponentiellem Wachstum kommt zum Tragen. Was nach einem bemerkenswerten Ergebnis in nur einem Jahr aussieht, sind in Wirklichkeit zahlreiche Massnahmen, die das Unternehmen in den vergangenen Jahren ergriffen hat, um sich auf ein bestimmtes Ereignis vorzubereiten, das eintritt, wenn die richtigen Bedingungen herrschen. Nvidia war vorbereitet, dann löste ChatGPT einen beispiellosen Ausbau der Recheninfrastruktur aus, um generative KI-Modelle zu betreiben – und kein Unternehmen konnte auch nur annähernd an seine Ausführung heranreichen.
Der Trick dabei ist: Der aktuelle Aktienkurs sagt nicht unbedingt etwas über die Vergangenheit aus, sondern gibt einen Ausblick auf die Zukunft. In einem Artikel hiess es, die derzeitige Bewertung von Nvidia könne gerechtfertigt sein, falls das Unternehmen seinen gegenwärtigen Umsatz verzehnfachen und in den kommenden zehn Jahren eine – stabile – operative Marge von etwa 55 Prozent erzielen kann.
«Nvidia ist schon seit Langem ein kotiertes Unternehmen»
Wir können heute nicht wissen, ob dies der Fall sein wird oder nicht. Aber wir können feststellen, dass der gesamte Halbleitermarkt (das heisst alle Erlöse mit Halbleitern, nicht nur mit KI-Beschleunigern) in den vergangenen Jahren 500 bis 600 Milliarden Dollar betragen hat. Und wir sagen, dass Nvidia für sich allein in zehn Jahren einen Jahresumsatz von 600 Milliarden Dollar erwirtschaften könnte.
Der Punkt: Die weitere Umsetzung einer These von exponentiellem Wachstum ist zwar nicht unmöglich, aber eine sehr hohe Hürde.
Nvidia ist schon seit Langem ein kotiertes Unternehmen – 1999 ging das Unternehmen zu einem Preis von 12 Dollar pro Aktie an die Börse. Bevor die extremen Gefühle von FOMO (Fear of Missing Out respektive Angst, etwas zu verpassen) einsetzen, müssen wir uns daran erinnern, dass die Idee, Grafikprozessoren (GPUs) für Anwendungen der künstlichen Intelligenz zu nutzen, erst mit dem sogenannten «AlexNet»-Moment im Jahr 2012 den Mainstream erreicht hat. Das bedeutet, dass wir die Umsatzzahlen von Nvidia über einen langen Zeitraum hinweg Jahr für Jahr betrachten können.
Das gesamte Unternehmen erwirtschaftete im Jahr 2013 Erlöse von 4,28 Milliarden Dollar und in den zwölf Monaten zum 31. Januar 2024 60,92 Milliarden Dollar. Wir alle können sehen, dass dies mehr als eine einfache Verzehnfachung ist. Zudem sehen wir, dass das Wachstum exponentiell verläuft, das heisst in den ersten Jahren wuchs das Unternehmen, aber der Wert davon, während der Entwicklung von generativer KI im Jahr 2023 das richtige Produkt zu haben, war auf lange Sicht der wichtigste Schritt für das Unternehmen.
«Umsatzerlöse sind keine Gewinne»
Während die Gesamterlöse in der Gewinn- und Verlustrechnung ein standardisiertes Feld der Rechnungslegung sind, haben Unternehmen die Flexibilität, verschiedene Quellen dieser Erlöse auf der Grundlage der Storys, die sie darstellen wollen, zu benennen. Im Laufe der Zeit können sich diese Einstufungen ändern. Wir haben ermittelt, dass Nvidia ab 2021 ein Umsatzsegment «Compute & Networking» ausweist. Dieses Segment besteht aus Nvidias beschleunigten Computerplattformen für Rechenzentren und End-to-End-Netzwerk-Plattformen.
Der Schwerpunkt bei Nvidia liegt 2024 auf der Nachfrage nach seinen KI-Beschleunigerchips für Rechenzentren, daher lohnt sich ein Blick auf dieses Umsatzsegment.
Nun, Umsatzerlöse sind keine Gewinne. Die Wachstumsstory von Nvidias Nettogewinn ist allerdings noch beeindruckender als die Komponente des Umsatzwachstums. In den zwölf Monaten zum 31. Januar 2013 betrug der Nettogewinn von Nvidia 563 Millionen Dollar. In den zwölf Monaten zum 31. Januar 2024 belief sich diese Zahl auf beinahe 30 Milliarden Dollar.
Der weitaus grösste Teil dieses Wachstums basierte wiederum auf einer guten Positionierung für den massiven, noch nie dagewesenen Ausbau der Recheninfrastruktur, der durch ChatGPT und generative KI in Gang gesetzt wurde. In den zwölf Monaten zum 31. Januar 2023 belief sich der Nettogewinn auf rund 4,4 Milliarden US-Dollar – ein deutlicher Zuwachs gegenüber 563 Millionen US-Dollar, der jedoch nicht annähernd an die 30 Milliarden US-Dollar heranreicht, die im folgenden Jahr verzeichnet wurden.
«Mit Blick auf die nächsten zehn Jahre würden wir sicherlich nicht gegen Nvidia wetten»
Wir würden sogar so weit gehen, zu sagen, dass die Ergebnisse von Nvidia über den in diesem Artikel untersuchten Zeitraum so bemerkenswert sind, dass es für andere Unternehmen schwierig wäre, damit gleichzuziehen.
Bei thematischen Anlagen, wie etwa Risikokapital, kann ein «Potenzgesetz» zum Tragen kommen, das heisst statt dass alle Unternehmen ein annähernd «durchschnittliches» Ergebnis erzielen, kann es vorkommen, dass einige wenige Firmen astronomische Zahlen erzielen und andere Unternehmen eher schlechte Resultate aufweisen. Glücklicherweise können die astronomischen Ergebnisse im Laufe der Zeit die schrecklichen Ergebnisse ausgleichen.
Mit Blick auf die nächsten zehn Jahre würden wir sicherlich nicht gegen Nvidia wetten – auch wenn wir nicht wissen, ob der Konzern eine weitere Verzehnfachung seines Jahresumsatzes erreichen wird.
Für Strategien, die auf KI fokussiert sind, ist es ein wichtiges Unternehmen. Dennoch würden wir dafür plädieren, anzuerkennen, dass Nvidia nicht allein erfolgreich sein kann, und dass der Megatrend KI nicht von einem einzigen Unternehmen vorangetrieben wird.
«Nvidia stellt derzeit keine physischen Chips selbst her»
Die Wertschöpfungskette in der Halbleiterindustrie ist komplex und es lohnt sich, über die Beziehungen innerhalb dieser Kette nachzudenken – zum Beispiel über die Tatsache, dass die Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC) die fortschrittlichen Chips von Nvidia herstellt. Nvidia stellt derzeit keine physischen Chips selbst her.
Bei der Betrachtung verschiedener KI-Strategien ist es wichtiger, genauer unter die Oberfläche zu schauen und zu verstehen, worin das Engagement bei Nvidia besteht. Was ist das Engagement bei den Glorreichen Sieben? Es gibt kein Schwarzweiss und keine richtigen oder falschen Antworten. Dennoch ist sicherzustellen, dass das Ausmass des Engagements in diesen verschiedenen Bereichen im Laufe der Zeit überwacht wird und zu der Sichtweise passt, die der Anleger umsetzen möchte.
Christopher Gannatti begann im Dezember 2010 als Research Analyst bei WisdomTree. Im Januar 2014 wurde er zum Associate Director of Research befördert. Im Februar 2018 wurde er zum Head of Research, Europe ernannt. Im November 2021 stieg er zum Global Head of Research auf. Er stiess von Lord Abbett zu WisdomTree, wo er fast fünf Jahre lang als Regional Consultant tätig war. Er erwarb 2010 seinen MBA in Quantitative Finance, Accounting, and Economics an der Stern School of Business der NYU und 2006 seinen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Colgate University. Er ist zudem Chartered Financial Analyst (CFA).
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Rolf Banz, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Gilles Prince, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Thomas Stucki, Neil Shearing, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Vega Ibanez, David Folkerts-Landau, Andreas Ita, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Roman Balzan, Todd Saligman, Christian Kälin, Stuart Dunbar, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese, Gun Woo, Lamara von Albertini, Ramon Vogt, Andrea Hoffmann, Niccolò Garzelli, Darren Williams, Benjamin Böhner, Mike Judith, Jared Cook, Henk Grootveld, Roman Gaus, Nicolas Faller, Anna Stünzi, Thomas Höhne-Sparborth, Fabrizio Pagani, Guy de Blonay, Jan Boudewijns, Sean Hagerty, Alina Donets, Sébastien Galy, Roman von Ah, Fernando Fernández, Georg von Wyss, Stefan Bannwart, Andreas Britt, Frédéric Leroux, Nick Platjouw, Rolando Grandi, Philipp Kaupke, Gérard Piasko, Brad Slingerlend, Dieter Wermuth, Grégoire Bordier, Thomas Signer, Gianluca Gerosa, Michael Bornhäusser, Christine Houston, Manuel Romera Robles, Fabian Käslin, Claudia Kraaz, Marco Huwiler, Lukas Zihlmann, Sherif Mamdouh, Harald Preissler, Taimur Hyat, Philipp Cottier, Andreas Herrmann, Camille Vial, Marcus Hüttinger, Serge Beck, Alannah Beer, Stéphane Monier, Ashley Semmens, Lars Jaeger, Shanna Strauss-Frank, Bertrand Binggeli, Marionna Wegenstein, George Muzinich, Jian Shi Cortesi, Razan Nasser, Nicolas Forest, Jörg Rütschi, Reto Jauch, Bernardo Brunschwiler, Charles-Henry Monchau, Nicolas Ramelet, Philip Adler, Ha Duong, Teodoro Cocca, Beat Wittmann, Jan Brzezek, Florin Baeriswyl, Nicolas Mousset, Beat Weiss, Pascal Mischler, Andrew Isbester, Konrad Hummler, Jan Beckers, Martin Velten, Katharine Neiss, Claude Baumann, Daniel Roarty, Kubilaqy Yalcin, Robert Almeida, Karin M. Klossek, Marc Taverner, Charlie T. Munger, Daniel Kobler, Patrick Stauber, Colin Vidal, Anna Rosenberg, Judith Wallenstein, Adriano Lucatelli, Daniel Goleman, Val Olson, Brice Prunas, Brigitte Kaps, Frances Weir, Luis Maldonado, Francesco Mandalà, Francesco Magistra, Nadège Lesueur-Pène, Massimo Pedrazzini, Eric Sarasin, Dina Ting und Ralph Ebert.