Das Private Banking ist mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Darum dürfte 2016 als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem sich die Spreu vom Weizen trennt, schreibt Michael Benz auf finews.first.
Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.
Die Private-Banking-Branche macht eine ihrer schwierigsten Zeiten durch. Sie ist dabei mit vier grossen Herausforderungen konfrontiert, welche die Wachstumsstrategien vieler Institute zusehends erfolglos erscheinen lassen: rekordtiefe Zinsen, die Flut an neuen Regulationen, technologische Innovationen sowie ein fundamentaler Wandel in den Erwartungen der Klientel.
Die Zahl der Finanzinstitute, die im Stande sind, ihre Geschäftsmodelle anzupassen, um diese Herausforderungen anzugehen, ist vergleichsweise klein. Vor diesem Hintergrund dürfte 2016 für die Private-Banking-Branche als ein Jahr in die Geschichte eingehen, in der sich die Spreu vom Weizen trennt.
Die unreflektierte Jagd nach Neugeld rechnet sich immer weniger; sie verkommt vielmehr zu einer Ertragsbolzerei, die angesichts des damit verbundenen Aufwands langfristig nicht die erhofften Ziele erreicht. Die grosse Herausforderung für die Branche wird folglich darin bestehen, die Kosten im Griff zu haben – was wiederum nicht einfach ist, solange ultratiefe Zinsen die Banken gleichzeitig zwingen, ihre Gebühren laufend zu senken.
«So erhält die Investment-Performance zwangsläufig eine viel grössere Bedeutung»
Vom Kostenaspekt her ist klar, dass die vielen Jobs, die keinen direkten Kundenkontakt haben, einer immer schärferen Prüfung unterzogen werden, und wo immer möglich rationalisiert, automatisiert oder ausgelagert werden. Umgekehrt bietet diese Entwicklung auch eine Chance, dass Privatbanken dank der technologischen Fortschritte und Innovationen ihre Front-Office-Prozesse neu definieren und aufsetzen können.
Während es also zu einem massiven Abbau überzähliger Funktionen im Middle- und Back-Office-Bereich kommen wird, rücken die Banken gleichzeitig den Fokus umso stärker auf die Kundenberater (Relationship Manager, RM), insbesondere auf deren Anlage-Expertise respektive auf das in vielen Fällen fehlende Know-how.
Denn letztlich werden nur jene Privatbanken langfristig Neugeld generieren können, die den Kunden passende und entsprechend fundierte Anlagevorschläge unterbreiten. Das wiederum setzt voraus, dass eine Bank die finanziellen Bedürfnisse und Erwartungen jedes einzelnen Kunden genau kennt. So erhält die Investment-Performance zwangsläufig eine viel grössere Bedeutung – was es aus Bankensicht gewiss nicht einfacher machen wird, Neugeld zu akquirieren. Oder anders gesagt: Nur jene Banken, die langfristig den Beweis erbringen können, ihren Kunden tatsächlich einen Mehrwert zu bieten, werden Erfolg haben.
«Der Kundenberater wird sich wieder vermehrt auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren können»
Dabei werden sich die einzelnen Geldhäuser einerseits auf ihre Wurzeln respektive auf ihre Zweckbestimmung rückbesinnen, und andererseits mit der technologiegetriebenen (Finanz-)Welt Schritt halten müssen. Denn die Digitalisierung hilft nicht nur, die Ausgaben zu senken und die Kostenbasis der Banken flexibler zu gestalten, sie verhilft im Idealfall auch zu neuen Erfahrungen für die Klientel (Customer Experience). Mit zunehmend jüngeren Kunden, die zum Teil bereits über das Vermögen ihrer Eltern verfügen oder dieses verwalten, ist es für Privatbanken umso wichtiger, «Erfahrungen» zu schaffen, die beispielsweise dem Einkaufserlebnis beim Online-Shopping ähnlich sind.
Das heisst auch, dass die Kunden über unterschiedliche Kanäle ihre Finanzgeschäfte abwickeln und über ebendiese Kanäle auch massgeschneiderte Anlagevorschläge erhalten wollen. Diese neue, digitale Interaktion wird auch dazu führen, dass viele Abwicklungsprozesse standardisiert werden, so dass sich der Kundenberater vermehrt auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren kann – auf die persönliche Beratung seiner Kunden.
«Für viele Institute bleibt dies ein ferner Traum»
In diesem Zusammenhang lässt sich auch feststellen, dass Privatbanken einen nachhaltigeren, also besser planbaren Ertragsstrom erzielen werden, falls sie auf gebührenbasierte Beratungsmodelle wechseln. Doch für viele Institute bleibt dies ein ferner Traum, gerade vor dem Hintergrund des anhaltenden Tiefzins-Umfeld, das es immer schwieriger macht, einen planbaren Ertragsstrom zu erzielen. Für die Beratung etwas zu verlangen bedeutet auch, dass die Bank weiss, welche Erwartungen die Kunden haben.
Um Neugeld zu gewinnen, wird es am Ende entscheidend sein, die Kundenbedürfnisse zu erkennen und mit entsprechenden Angeboten darauf zu reagieren. Das wiederum setzt voraus, die sich bietenden Möglichkeiten der Digitalisierung voll zu nutzen, sei dies in effizienteren Abwicklungsprozessen oder in der Kreation von attraktiven Kundenerfahrungen – Stichwort: Customer Experience.
(Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Wealth-Management-Plattform Hubbis).
Der Schweizer Michael Benz blickt auf eine mehr als 20-jährige Erfahrung im Private Banking, Asset Management sowie im Treasury-Bereich. In seiner letzten aktiven Rolle bis Ende 2015 war er Global Head im Private Banking der Standard Chartered Bank (SCB). Zuvor war er designierter Chairman Asia bei Julius Bär sowie Asien-CEO der Bank of America/Merrill Lynch Wealth Management. In diesen Funktionen trug er massgeblich zur Integration des Merrill-Lynch-Geschäfts in die Julius-Bär-Gruppe 2013 bei.
Von 2003 bis 2010 war er Regionalchef für den Bereich Products & Services im UBS Wealth Management in Asien-Pazifik. Zuvor hatte er verschiedene Funktionen innerhalb des UBS Asset Management und Treasury inne. Benz besitzt einen MBA der St. Galler Business School sowie einen Doktortitel in Finanzwirtschaft der Hochschule St. Gallen. Er lebt in Hongkong.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Thomas Fedier, Claude Baumann, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Peter Hody, Steve Hanke, Andreas Britt, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart und Oliver Bussmann.