Joksimovic: «Noch aggressivere Gangart der US-Behörden»

Was bedeutet die zweite Trump-Regierung für Schweizer Unternehmen und Banken? Viele erwarten, dass die US-Behörden unter dem Zeichen von Deregulierung und einer wirtschaftsfreundlichen Politik im Umgang mit Gesetzesverstössen mehr Nachsicht walten lassen könnten. Weshalb die Realität für ausländische Finanzinstitute und Unternehmen weitaus komplexer ist, erklärt der Anwalt Tomislav Joksimovic auf finews.first.

Die Administration unter Donald Trump ergreift beispiellose Massnahmen, um den Regierungsapparat nach ihren Vorstellungen umzustrukturieren und zu verkleinern. Es stellt sich die Frage, inwieweit die USA ihre Gesetze und Vorschriften künftig durchsetzen werden – insbesondere mit Blick auf die Schweizer und die globale Geschäftswelt.

Kurzfristig werden die weitreichenden und tiefgreifenden Schritte der Trump-Regierung – insbesondere durch das neu geschaffene «Department of Government Efficiency» – zur Reduzierung und Umstrukturierung der Bundesverwaltung erhebliche Auswirkungen auf die Aktivität jener Bundesbehörden haben, die für die Durchsetzung der US-Gesetze und -Vorschriften im In- und Ausland zuständig sind. Sobald sich die aktuelle Lage etwas stabilisiert hat, ist zu erwarten, dass die Anwendung und Durchsetzung der US-Gesetze ausserhalb der USA kontinuierlich fortgeführt wird.

Schlüsselrolle des US-Justizministeriums bei Finanz- und Wirtschaftskriminalität

Die zentrale Bundesbehörde für die Verfolgung von Finanz- und Wirtschaftskriminalität, einschliesslich Korruption, Geldwäsche und Sanktionsverstössen, ist das US-Justizministerium (Department of Justice, DOJ), das mit seinen US Attorney’s Offices in allen Bundesstaaten vertreten ist.

Besonders aktiv in der grenzüberschreitenden Strafverfolgung wirtschaftlicher Straftaten sind traditionell die Staatsanwaltschaften der Southern und Eastern Districts of New York (SDNY und EDNY). Prominente Beispiele hierfür sind die Strafverfolgung zahlreicher Schweizer Banken wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung amerikanischer Staatsbürger (SDNY), verschiedene Korruptionsfälle im Zusammenhang mit der FIFA (EDNY) sowie die bislang höchste verhängte Strafe wegen Sanktionsverstössen gegen BNP Paribas in Höhe von 8,9 Milliarden US-Dollar (SDNY).

OFAC gewinnt gegenüber SEC an Gewicht

Auf der regulatorischen und zivilrechtlichen Seite bleibt das «Office of Foreign Assets Control« (OFAC) des US-Finanzministeriums wohl auch unter Trump die wichtigste Behörde für die globale Geschäftswelt und Finanzinstitute. Dies ist umso relevanter, als die US Securities and Exchange Commission (SEC), die primäre Finanzaufsichtsbehörde, unter Trump voraussichtlich weniger regulieren und durchsetzen wird.

OFAC führt Sanktionslisten, bestraft regulatorische Verstösse gegen US-Sanktionen und verweist vorsätzliche Fälle zur weiteren strafrechtlichen Verfolgung an das DOJ.

Komplexe Realität

Während viele erwarten, dass der Fokus der Trump-Regierung auf Deregulierung und auf einer unternehmensfreundlichen Politik zu einem nachsichtigeren Umgang mit Gesetzesverstössen im Wirtschaftsbereich führen könnte, dürfte die Realität für Schweizer und globale Finanzinstitute sowie Unternehmen weitaus komplexer sein.

So hat Präsident Trump beispielsweise das US-Gesetz gegen Korruption im Ausland (Foreign Corrupt Practices Act, FCPA) in der Vergangenheit als «schreckliches Gesetz» bezeichnet – jedoch nicht, weil er gegen dessen Anwendung auf ausländische Unternehmen war, sondern weil er es als Wettbewerbsnachteil für US-Firmen ansah. Selbst wenn die erste Trump-Amtszeit – die zahlenmässig mehr Strafverfolgungen im Bereich Wirtschaftskriminalität verzeichnete als die Regierung unter Joe Biden – kein verlässlicher Indikator für die Zukunft ist, könnte eine zweite Amtszeit eine aggressivere Gangart der US-Behörden gegenüber ausländischen Unternehmen und Einzelpersonen mit sich bringen.

Normalisierung der Beziehungen zwischen der USA und Russland?

Es ist offensichtlich, dass einige der neuen Prioritäten der Regierung Einwanderung und Drogenkriminalität sein werden, doch auch nationale Sicherheit, Sanktionen und Exportkontrollen dürften eine zentrale Rolle spielen. Es ist zu erwarten, dass die USA unter Trump ihre aggressive Durchsetzungspolitik in diesen Bereichen fortsetzen oder sogar verschärfen werden – selbst wenn Trump eine von den USA vermittelte Lösung des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland anstrebt.

Eine solche Einigung würde zwar voraussichtlich zu einer gewissen Normalisierung der US-russischen Beziehungen führen, jedoch nicht zu einer vollständigen Aufhebung der gegen russische Unternehmen und Einzelpersonen verhängten Sanktionen. Zudem hat die Trump-Regierung zu verstehen gegeben, dass eine weitere Verschärfung der Russland-Sanktionen möglicherweise erforderlich sei, um Russland mehr Zugeständnisse abzuringen. Gleichzeitig dürfte die Trump-Regierung den Druck auf andere geopolitische Rivalen wie China und den Iran durch eine intensivierte Anwendung und Durchsetzung von Sanktionen weiter erhöhen.

Weiterhin konsequente Durchsetzung

Abgesehen von Sanktionen und den weiteren Prioritäten der Trump-Regierung ist auch weiterhin eine konsequente Durchsetzung in traditionellen Bereichen wie Korruption und Geldwäsche zu erwarten – wenn auch durch die geplanten Budgetkürzungen in gewissem Masse eingeschränkt.

Direkt unter den höchsten politischen Ernennungen im DOJ hat Trump bislang eine Reihe erfahrener Fachleute eingesetzt, darunter den ehemaligen SEC-Vorsitzenden Jay Clayton, der nun die mächtige Staatsanwaltschaft des SDNY leitet. Während Clayton aufgrund seiner Zeit bei der SEC eine marktorientierte Haltung mitbringt, zeigt sein bisheriger Werdegang, dass er bei klaren Verstössen bereit ist, entschlossene Massnahmen zu ergreifen.

Rückkehr zum traditionellen Ansatz und schnellere Verfahren

Claytons Ernennung zum SDNY deutet insgesamt auf eine Abkehr von neuartigen Strafverfolgungstheorien in aufstrebenden Bereichen wie Kryptowährungen und künstlicher Intelligenz hin – was mit Trumps politischer Annäherung an diese Branchen übereinstimmt – und signalisiert eine Rückkehr zu einem eher traditionellen Ansatz, der möglicherweise zu einer schnelleren Abwicklung von Fällen führen könnte.

Unter Bidens DOJ haben sich Unternehmensfälle häufig aufgrund mehrerer politischer Prüfungsinstanzen verzögert. Trumps schlankere Hierarchie könnte den einzelnen Staatsanwälten mehr Autonomie gewähren, was potenziell zu schnelleren Verfahren führen könnte.


Tomislav Joksimovic, US-amerikanischer Anwalt, globaler Litigator und Krisenmanager, ist Partner der Schweizer Kanzlei 5Gambit Disputes.