Ob man es wahrhaben will oder nicht: Aktive oder gar aggressive Aktionäre werden in den nächsten Jahren die Geschäftswelt radikal verändern, schreibt der IMD-Professor Nuno Fernandes auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.


«Activist Investors» sind Aktionäre von börsenkotierten Unternehmen. Ihr Hauptziel besteht darin, mit allen Mitteln Einfluss auf eine Firma zu nehmen, indem sie auf Konfrontation zum Management und Verwaltungsrat gehen und so zumeist öffentlich Druck auf die jeweilige Unternehmensführung ausüben.

Die Bandbreite solcher Aktivitäten ist sehr unterschiedlich und hängt davon ab, was in einem Unternehmen tatsächlich verändert werden soll. Angesichts ihrer mitunter recht aggressiven Vorgehensweise, die oftmals auf kurzfristigen Forderungen und Gewinnerwartungen beruht, gelten aktivistische Investoren im angelsächsischen Sprachraum auch als «Corporate Raiders», «Green Mailers» oder «Asset Strippers».

Als aggressivste Aktivisten gelten Hedgefonds, die tiefgreifende Veränderungen in einem Unternehmen einfordern, sei es in Bezug auf die finanzielle Struktur eines Unternehmens oder bezüglich der Zusammensetzung des Managements oder des Verwaltungsrats.

«In den USA floss die Forderung nach ‹say on pay› auch ins Gesetz ein»

Häufig, aber nicht weniger konfliktträchtig, sind es Aktionäre, welche die Löhne des Top-Managements kritisieren. Sie fordern ein so genanntes «say on pay», was soviel bedeutet, dass die Führungsleute eines Unternehmens begründen müssen, warum ihre Saläre eine bestimmte Höhe haben; das rührt von daher, dass es in der Vergangenheit immer wieder Fälle gegeben hat, bei denen die obersten Führungskräfte ihre Vergütungen nach eigenem Gutdünken festlegten und sich dabei unverhältnismässig hohe Zahlungen zuschanzten.

In den USA floss die Forderung nach «say on pay» auch in die Gesetzeswerke ein, die nach der Finanzkrise von 2008 unter der Bezeichnung Dodd-Frank-Act entstanden. Sie zielten darauf ab, mehr Verantwortlichkeit und Transparenz im amerikanischen Finanzsystem zu schaffen. Auf Grund der globalen Vernetzung der Finanzindustrie entfalteten sich diese Forderungen mehr oder weniger rund um die Welt.

Die Postulate der Aktionärs-Aktivisten tangieren eine ganze Reihe von Aspekten, wobei es letztlich fast immer um die Corporate Governance geht, also um die rechtmässige Führung eines Unternehmens. Themen in diesem Zusammenhang sind wie schon erwähnt die Vergütungspläne des Top-Managements, aber auch Fragen um die Rechnungslegung, das Risikomanagement, die Firmenstrategie sowie damit zusammenhängende Überlegungen bezüglich Ab- oder Aufspaltung von Firmenteilen sowie Fusionen, um das Unternehmen auf sein Kerngeschäft zu fokussieren.

«Bereits aggressiver ist der Gang vor die Medien»

In jüngster Zeit zielten viele Vorstässe auch auf die Zusammensetzung des Managements ab sowie auf die Allokation der Unternehmensmittel. Oftmals versuchen aktive Aktionäre auch eigene Vertreter in die Firmenführung einzubringen, wo sie nach den Vorstellungen der Investoren die operative Effizienz erhöhen sollen – beispielsweise mit Devestitionen respektive dem Verkauf von gewissen Aktiven.

Aktivistische Aktionäre haben verschiedene Möglichkeiten, um etwas zu bewirken. Sie können hinter den Kulissen für ihre Anliegen Stimmung machen, oder sie kommunizieren ihre Forderungen in offiziellen Verlautbarungen oder in Sitzungen mit dem Management. Bereits aggressiver ist der Gang vor die Medien, indem die Aktivisten an Pressekonferenzen das jeweilige Management harsch kritisieren und so einen Handlungsdruck aufbauen.

In allen Fällen besteht für die Aktivisten der erste Schritt darin, genügend gleichgesinnte Aktionäre hinter sich zu scharren, etwa Pensionskassen oder andere institutionelle Anleger, die ebenfalls eine höhere Rendite auf ihrem investierten Kapital sehen möchten.

Die Motivation solcher Aktionäre ist vielfältig. Sie geht typischerweise auf eine vermutete Underperformance (im Aktienkurs), auf Fehler des Managements oder auf eine ungenügende Transparenz in den Unternehmensprozessen zurück. Manche Investoren werden auch aktiv, wenn sie der Meinung sind, dass ein Unternehmen seine Mittel falsch einsetzt oder Geschäfte betreibt, die keine oder zu wenige Synergien entfalten.

«Auch 2016 ist in dieser Hinsicht ein ereignisreiches Jahr»

Allein 2015 waren Hunderte von Firmen, darunter General Motors, Dow Chemical, Nestlé, Xerox oder Mondelez Zielscheibe von so genannten aktivistischen Attacken, und auch 2016 ist in dieser Hinsicht ein ereignisreiches Jahr.

Grossinvestoren wie David Einhorn und Carl Icahn haben beispielsweise ihre milliardenschweren Aktienpakete dafür verwendet, Druck auf die amerikanische Technologiefirma Apple machen. Sie fordern, dass ein Teil des Unternehmenskapitals an die Aktionäre zurückbezahlt wird, hält doch der Konzern rund 150 Milliarden Dollar an solchen Mitteln.

Im Jahr 2014 wiederum übte beispielsweise der Triad Fund seinen Einfluss auf die Firma PepsiCo dazu aus, den Snack- und den Getränkebereich aufzuspalten, was am Ende dazu führte, dass ein Vertreter von Triad Fund im Verwaltungsrat Einsitz nehmen konnte.

Bill Ackman von der Firma Pershing Square Capital Management, war 2013 der zehntgrösste Aktionär bei dem Markenartikel-Konzern Proctor and Gamble. Er schaffte es mit seiner Beteiligung, den damaligen CEO Robert McDonald aus dem Amt zu jagen, indem er dessen Leistung fortdauernd kritisierte und den übrigen Miteigentümern einen besseren Aktienkurs in Aussicht stellte.

Anders verlief der Disput des Triad Funds mit dem Verwaltungsrat des amerikanischen Chemiekonzerns DuPont. Dabei ging es um die Frage, ob DuPont in zwei Firmen aufgeteilt werden sollte. Das Kräftemessen endete zunächst mit einem Sieg der damaligen Chefin Ellen J. Kullman, die den Forderungen von Triad Stand hielt.

Doch bereits wenige Monate später trat Kullman als CEO zurück. In der Folge fusionierte DuPont mit dem Konkurrenten Dow Chemical, nachdem DuPont erneut die Zielscheibe aktivistischer Investoren geworden war; neuer Angreifer war diesmal der Hedgefonds Third Point. Bis heute ist diese komplexe Fusion allerdings noch nicht abgeschlossen; sie zielt darauf ab, die Firma in drei Einheiten aufzuteilen.

«Jede kotierte Gesellschaft muss heute darauf gefasst sein, Ziel solcher Attacken zu werden»

Im Jahr 2013 wiederum schrieb Dan Loeb, der Besitzer von Third Point, dem japanischen Technologie-Konzern Sony einen Brief. Darin forderte er die Abspaltung der Unterhaltungs- und Elektronik-Sparte. So sollten die Investoren die Möglichkeit erhielten, verstärkt in die Sparte Sony Entertainment zu investieren. Der Verwaltungsrat von Sony lehnte diesen Vorschlag jedoch ab und erklärte, dass er zusammen mit dem Management weitere Optionen evaluieren würde, um zusätzlichen Aktionärswert zu schaffen. Dennoch sackte die Sony-Aktien nach diesem Schlagabtausch spürbar ab.

Ein Jahr später, also 2014, verkaufte Sony das Computer-Geschäft an die Firma Japan Industrial Partners, einem Fonds, der auf Geschäftsrestrukturierungen spezialisiert ist. Das Unternehmen reorganisierte dann auch das TV-Geschäft von Sony und empfahl, es in eine Tochtergesellschaft auszugliedern, was später auch geschah. Selbst wenn aktivistische Investoren nicht immer das erreichen, was sie einfordern, entfalten ihre Aktionen zumeist einen grossen Einfluss.

Sicher ist, dass solche Aktionäre nicht mehr von der Bildfläche verschwinden werden, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Darum muss heute jede kotierte Gesellschaft darauf gefasst sein, Ziel solcher Investoren-Attacken zu werden, zumal die Bedeutung des Mehrwerts für Aktionäre (engl. Shareholder Value) laufend zunimmt. Doch was ist der beste Weg, um sich vor Aktionärs-Aktivisten zu schützen?

«Einige Manager haben vergessen, für wen sie eigentlich arbeiten»

Gewiss sollten Unternehmen eine anhaltend starke und stabile Wirtschaftsleistung an den Tag legen. Darüber hinaus sollten sie sicherstellen, dass die Wertmaximierung über sämtliche Geschäftsbereiche erfolgt, und dass bei Konzernen greifbare Synergien zwischen den einzelnen Divisionen oder Tochtergesellschaften bestehen.

Allen Unkenrufen zum Trotz, die Empirie zeigt klar: Der Aktienkurs wie auch die operative Leistung von Firmen, die von Aktivisten unter Druck gesetzt wurden, verbessern sich in der Folge zumeist. Der amerikanische Grossinvestor Warren Buffett hat dafür eine gute Erklärung: «Wenn jedes Unternehmen gut geführt wäre, gäbe es keine Aktionärs-Aktivisten. Doch leider gibt es doch einige Firmen, in denen die Manager vergessen haben, für wen sie eigentlich arbeiten.»


Nuno Fernandes ist Finanzprofessor am IMD in Lausanne, wo er die Programme «Strategic Finance» sowie «Finance Fundamentals for Executives» leitet. Ausserdem ist er Autor des Werks «Finance for Executives: A Practical Guide for Managers».


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer (zweimal), Oliver Berger, Rolf Banz, Dieter Ruloff, Samuel Gerber, Werner Vogt, Claude Baumann, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Peter Hody, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy und Samuel Gerber.