Zwei Ökonomen der Europäischen Zentralbank schiessen nicht zum ersten Mal gegen den Bitcoin. Der Bitcoin sei ein Vehikel für Kriminelle, habe keinen inneren Wert und lasse die Gesellschaft verarmen. Weshalb diese Thesen mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben, erklärt Leon Curti in seinem Beitrag für finews.first.
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
In einem in der zweiten Oktoberhälfte 2024 publizierten 29-seitigen Bericht führen Ulrich Bindseil, Generaldirektor für Marktinfrastruktur und Zahlungsverkehr bei der Europäischen Zentralbank (EZB), und sein Berufskollege Jürgen Schaaf das Argument an, ein weiter steigender Bitcoin-Preis lasse die Gesellschaft verarmen. Aufgrund des potenziellen Schadens solle man digitale Assets verbieten. Die Argumentation der EZB-Ökonomen enthält jedoch fragwürdige Lücken.
Bindseil und Schaaf starten ihr Paper mit einem der ältesten und am leichtesten zu widerlegenden Mythen über digitale Assets: Bitcoin sei nie in nennenswertem Umfang für legale Transaktionen in der realen Welt verwendet worden. Als Quelle verweisen die Autoren auf einen eigenen Artikel aus dem Jahr 2022, der Bitcoin ein «Verschwinden in die Bedeutungslosigkeit» prophezeit.
Tatsächlich bezahlten nämlich fast ausschliesslich Kriminelle mit Bitcoin, so die These des Duos. Die Kryptowährung bleibe das Finanzprodukt der Wahl für Finanzbetrüger, Gesetzesbrecher und Verbrecher weltweit. Bitcoin werde verwendet für Steuerhinterziehung, Betrug, Ransomware, Umgehung von Sanktionen, Terrorismusfinanzierung, Drogenhandel und Geldwäsche. Die Autoren bestreiten, dass es andere Anwendungsfälle gibt.
«Bitcoin eignet sich nicht als Zahlungsvehikel für Verbrechen»
Glücklicherweise finden Krypto-Transaktionen auf einem öffentlich einsehbaren Hauptbuch – der Blockchain – statt. Die Historie von Konten mit Bezug zu illegaler Aktivität kann vollständig eingesehen werden. So veröffentlichen Analyseunternehmen wie «Chainalysis» jährliche Schätzungen des Krypto-Volumens krimineller Akteure. Und wie zu erwarten, sprechen die Fakten nicht für die EZB-Ökonomen.
Im Jahr 2024 standen nur 0,34 Prozent des Gesamtvolumens auf der Blockchain in Verbindung mit Verbrechen. Zum Vergleich: Laut Schätzungen des britischen Wirtschaftsmagazins «Economist» werden jedes Jahr 500 Milliarden bis 1,5 Billionen Dollar über traditionelle Banken gewaschen. Das entspricht etwa der gesamten Marktkapitalisierung von Bitcoins. Die Blockchain hinterlässt einen ewigen «Paper Trail» und eignet sich deshalb nicht als Zahlungsvehikel für Verbrechen.
Der nächste Kritikpunkt ist ebenfalls nicht neu: Bitcoin habe trotz der mitterweile erheblichen Marktkapitalisierung keinen inneren Wert. «Viele Ökonomen betrachten den fairen Wert von Bitcoin als Null.» Die Kryptowährung befinde sich entsprechend in einer enormen Blase.
«In der Realität ist ein ‹fairer Wert› nichts als eine leere Phrase»
In der Realität ist ein «fairer Wert» nichts weiter als eine leere Phrase. Gold bezieht seinen Wert ebenfalls aus den Attributen, dank derer sich das Edelmetall historisch als Währung auszeichnete. Gold ist beständig, teilbar, knapp und hält deshalb seinen Wert. Dieselben Kriterien treffen auf Bitcoin zu, wobei die digitale Natur weitere Vorteile mit sich bringt. Der Euro beispielsweise hat ebenfalls keinen inneren Wert. Und anders als Gold oder Bitcoin verliert er jedes Jahr an Kaufkraft.
Die EZB-Ökonomen schliessen mit einer bizarren Konklusion ab: Da Bitcoin das produktive Potenzial der Wirtschaft nicht erhöhe, sei ein hypothetisches Szenario mit stetig steigenden Preisen umverteilend. Die Halter von Bitcoin würden reicher, während die Nicht-Halter verarmten. «Es ist, als würde man einen Eimer füllen, indem man Wasser aus einem anderen Eimer ablässt.»
Natürlich liesse sich dieses Konzept auf sämtliche Anlagen übertragen. Die These besagt, dass ein Anstieg des Goldpreises die Inhaber bereichert und dabei jene benachteiligt, die kein Gold besitzen. Die These ignoriert den fundamentalen Nutzen eines inflationsresistenten Vermögenswerts, der vor Entwertung schützt. Der wahre Verlierer ist die Bevölkerung im Euro-Währungsraum, deren Geld immer weniger Güter kaufen kann.
Leon Curti ist Head of Research bei Digital Asset Solutions, das Finanzinstitute auf ihrem Weg in die Welt der digitalen Assets in den Bereichen Bildung, Research und Vermögensverwaltung begleitet und berät.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Rolf Banz, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Gilles Prince, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Thomas Stucki, Neil Shearing, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Vega Ibanez, David Folkerts-Landau, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Roman Balzan, Todd Saligman, Stuart Dunbar, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese, Gun Woo, Lamara von Albertini, Ramon Vogt, Andrea Hoffmann, Niccolò Garzelli, Darren Williams, Benjamin Böhner, Mike Judith, Jared Cook, Henk Grootveld, Roman Gaus, Nicolas Faller, Anna Stünzi, Thomas Höhne-Sparborth, Fabrizio Pagani, Guy de Blonay, Jan Boudewijns, Sean Hagerty, Alina Donets, Sébastien Galy, Roman von Ah, Fernando Fernández, Georg von Wyss, Stefan Bannwart, Andreas Britt, Frédéric Leroux, Nick Platjouw, Rolando Grandi, Philipp Kaupke, Gérard Piasko, Brad Slingerlend, Dieter Wermuth, Grégoire Bordier, Gianluca Gerosa, Michael Bornhäusser, Christine Houston, Manuel Romera Robles, Fabian Käslin, Claudia Kraaz, Marco Huwiler, Lukas Zihlmann, Sherif Mamdouh, Harald Preissler, Taimur Hyat, Philipp Cottier, Andreas Herrmann, Camille Vial, Marcus Hüttinger, Serge Beck, Alannah Beer, Stéphane Monier, Ashley Semmens, Lars Jaeger, Shanna Strauss-Frank, Bertrand Binggeli, Marionna Wegenstein, George Muzinich, Jian Shi Cortesi, Razan Nasser, Nicolas Forest, Jörg Rütschi, Reto Jauch, Bernardo Brunschwiler, Charles-Henry Monchau, Nicolas Ramelet, Ha Duong, Teodoro Cocca, Jan Brzezek, Nicolas Mousset, Beat Weiss, Pascal Mischler, Andrew Isbester, Konrad Hummler, Jan Beckers, Martin Velten, Katharine Neiss, Claude Baumann, Daniel Roarty, Kubilaqy Yalcin, Robert Almeida, Karin M. Klossek, Marc Taverner, Charlie T. Munger, Daniel Kobler, Patrick Stauber, Anna Rosenberg, Judith Wallenstein, Adriano Lucatelli, Daniel Goleman, Val Olson, Brice Prunas, Frances Weir, Luis Maldonado, Francesco Magistra, Nadège Lesueur-Pène, Massimo Pedrazzini, Eric Sarasin, Dina Ting, Christopher Gannatti, Shaniel Ramjee, Mihkel Vitsur, Nannette Hechler-Fayd'herbe, Ralph Ebert, Mark Denham, Francesco Mandalà, Mariolina Esposito, Maryann Umoren Selfe, Dominique Gerster, Christian Kälin, Nadège Dufossé, Benjamin Melman, Brigitte Kaps, Florin Baeriswyl, Marc Reinhardt, Thomas Holderegger, Beat Wittmann, Bruno Cavalier, Gary Burnison, Louise Curran, Adrian Cox, Philip Adler, Serge Fehr, Marc Lussy, Axel Brosey, Colin Vidal, Vivien Jain, Ralf Zellweger, Maria Vassalou, Nico Fiore, Gary Burnison, Thomas Signer, Brigitte Kaps, Andreas Ita und Jacques-Aurélien Marcireau.