Zürich, Davos, Zermatt… eine Firma malt die Schweiz neu

Ein Hotel oder eine Privatklinik der Aevis Victoria Gruppe von Antoine Hubert und Michel Reybier kennt fast jeder. Geführt wird das Unternehmen seit kurzem vom ehemaligen Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen. finews.ch hat sich dem Westschweizer Gesundheits- und Hotellerie-Giganten genähert.

Ob man im Hotel «La Réserve Eden au Lac» in Zürich einen schönen, mit einem Michelin-Stern dekorierten Lunch geniesst, ob man seine Winterferien im Alpengold Hotel in Davos zubringt – dem «Goldenen Ei», das die Intercontinental-Gruppe seinerzeit nie richtig zum Laufen brachte – oder ob man zum Gesundheits-Checkup in die Privatklinik Bethanien am Zürichberg fährt: Die wenigsten Gäste fragen sich, wem das Haus eigentlich gehört.

Das ist ein Fehler, denn hinter all diesen Häusern, und noch vielen mehr, steht ein interessantes und sogar börsenkotiertes Unternehmen: Aevis Victoria, eine Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Fribourg. Ausserhalb der Romandie bleibt der Name oft unbemerkt – ein blinder Fleck im Bewusstsein. In der Romandie ist das anders: Antoine Hubert, Gründer und Verwaltungsratsdelegierter, und sein langjähriger Partner Michel Reybier sind dort seit Jahrzehnten feste Grössen. Hubert ist auch ein bekannter Verleger – 100 Prozent der Wirtschaftszeitung L’Agefi gehören ihm.

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Gründer Antoine Hubert, CEO Fabrice Zumbrunnen, CFO Michel Keusch. (Bilder: Aevis Victoria)

Die Keimzellen der heutigen Aevis Victoria reichen über 20 Jahre zurück. 2002 erwarb Antoine Hubert die Clinique de Genolier in der gleichnamigen Waadtländer Gemeinde in der Nähe von Nyon, aus der später das ab 2006 börsenkotierte Genolier Swiss Medical Network hervorging. Ungefähr gleichzeitig legte Michel Reybier den Grundstein für sein Hotel-Imperium mit dem Erwerb des Hotel La Réserve in Genf. Die Verschmelzung des Genolier Swiss Medical Network mit Michel Reybier Hospitality erfolgte dann 2011.

Schweizweit bekanntes Gesicht

Ein schweizweit bekanntes Gesicht hat Aevis Victoria im Mai 2024 bekommen: Dann hat Fabrice Zumbrunnen, ehemaliger Chef der Migros, das Steuer als CEO übernommen.

finews.ch traf die drei prägenden Figuren des Unternehmens vor Ostern zum Gespräch: Gründer Antoine Hubert, Fabrice Zumbrunnen und Michel Keusch, seit Juni 2024 Finanzchef. Es war ein Interview über den Aktienkurs, Klinikstrategien und Weltmarken in der Luxushotellerie – aber auch über Rösti-Gräben und Unternehmensnachfolge.

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«La Réserve Eden au Lac» in Zürich. (Bild: Maud Devaud, zVg)

ESG-Strafe aus dem Nichts

Den Einstieg bestimmten aus aktuellem Anlass natürlich die Kapriolen der Kapitalmärkte. In den Wochen zuvor, noch vor dem berühmten «Zoll-Hammer» hatte die Aevis-Aktie einen massiven Rückschlag erlitten. Relevanter als das Tagesrauschen war dabei ein Vorgang, der für die Aevis-Victoria-Vertreter surreal wirkte: Aevis wurde überraschend aus einem ESG-Index der SIX ausgeschlossen – und das ohne Ankündigung. «Niemand hat uns informiert, niemand konnte erklären, warum. Heute noch wissen wir es nicht,» sagt Keusch. Die Folge: ESG-Fonds mussten Aevis-Aktien verkaufen – «ein automatisierter und prozyklischer Vorgang».

Die Ironie dabei: Die Tätigkeitsfelder von Aevis dürften zu den weniger problematischen im Index gehört haben: keine Kohlekraftwerke, keine Rohstoffförderung, keine Lieferketten in rechtsstaatlich fragwürdige Gefilde. Stattdessen: Gesundheitsdienstleistungen in der Schweiz, Luxushotels in Interlaken und Zermatt.

50-Prozent-Abschlag auf den Buchwert

Die Verkäufe seien nun abgeschlossen, sagt Keusch, doch der Schaden sei vorderhand geblieben: «Unser Abschlag auf den Net Asset Value liegt derzeit bei 50 Prozent. So hoch war der noch nie in der Geschichte der Aevis-Gruppe.»

Dabei sprechen die Zahlen, die Aevis Victoria kurz nach der ESG-Auslistung publizierte, eine andere Sprache. 2024 legte der Nettoumsatz um 11 Prozent auf über 1 Milliarde Franken zu, der EBITDA wurde mehr als verdoppelt. Die Hoteltochter MRH Switzerland erzielte ein Wachstum von über 10 Prozent – fast vollständig organisch – bei einem EBITDA-Plus von 46 Prozent.

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Genolier Hub: Privatklinik im Waadtland. (Bild: zVg)

Auch der statutarische Reingewinn drehte nach oben: 26,5 Millionen Franken – nach einem Verlust im Vorjahr. Die Gruppe spricht zudem von einem «vielversprechenden Start» ins laufende Geschäftsjahr.

Von der Betriebsgesellschaft zur Beteiligungsholding

Diese Zahlen sind nicht das Ergebnis des Zufalls, sondern eines langfristigen Umbaus. Hubert beschreibt im Gespräch, wie sich Aevis seit einigen Jahren von einer Betriebsgesellschaft zu einer Holdingstruktur mit Beteiligungen entwickelt hat:

«Heute gehören uns mehrheitlich noch das Swiss Medical Network, Michel Reybier Hospitality Switzerland und Swiss Hotel Properties. Vor allem in der Hotellerie gibt es noch viel Entwicklungspotenzial.»

Das Gesundheitsnetzwerk sei unternehmerisch betrachtet «eher reif», die Hotellerie dagegen in einer «jungen Phase», wie Hubert es formuliert. Der operative Erfolg vieler Beteiligungen werde auf Konzernstufe nicht immer sichtbar – was die wachsende Lücke zwischen innerem Wert und Börsenkurs mit erkläre: «Wir denken langfristig. Uns interessiert nicht primär der jährliche Nettogewinn, sondern die nachhaltige Wertentwicklung», sagt Hubert.