Diffuse Situation in Nordkorea: Während die USA annehmen, dass ihre Politik Veränderungen zeige, steht für Alex Wolf fest, dass eine andere Grossmacht massgebend ist, wie er auf finews.first schreibt.
Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.
Seit dem letzten Atomtest im September 2017 gab es viele Spekulationen über einen Politikwechsel Nordkoreas. Die einen Kommentatoren behaupteten, dass Nordkorea seine Ziele rund um das Atom- und Raketenprogramm erreicht habe und nun ein Treffen mit dem amtierenden US-Präsidenten Donald Trump anstrebe, um über die Anerkennung als Atommacht zu verhandeln. Umgekehrt spekulierte die US-Regierung, die Neuausrichtung gehe auf ihre Politik des «maximalen Drucks» zurück. Andere Kommentatoren meinten schliesslich, der Norden wolle eine Entspannung mit dem Süden, um die Allianz mit den USA zu untergraben.
Wenn man jedoch der chinesischen Zollstatistik glauben darf, so ist es der chinesische «Maximaldruck», der eine Änderung der nordkoreanischen Politik bewirkt hat. Denn China hat seine Erdölexporte nach Nordkorea in den vergangenen fünf Monaten fast vollständig gestoppt und geht damit weit über das hinaus, was von den Vereinten Nationen gefordert wird. Chinas monatliche Ausfuhren beliefen sich in den vergangenen fünf Monaten auf durchschnittlich 282 Tonnen raffiniertes Erdöl.
«Unklar ist, ob sich Nordkorea diese Exporte einfach nicht mehr leisten kann»
Auf das Jahr hochgerechnet, lagen sie mit rund 3'393 Tonnen weit unter den 90'870 Tonnen, die im vergangenen Jahr exportiert wurden. Der Durchschnitt der vergangenen fünf Monate entspricht also etwa 3,7 Prozent der letztjährigen Exportmenge. Und die Exportmenge ist rückläufig, was wiederum darauf hindeutet, dass die Exporte für das gesamte Jahr vielleicht noch tiefer ausfallen.
Der Druck, den China ausübt, ist auch bei anderen Produkten sichtbar: Die nordkoreanischen Stahlimporte aus China sind 2018 regelrecht eingebrochen. Das Gleiche gilt für Autoimporte. Unklar ist zwar, ob China diese Exporte blockiert, oder ob sich Nordkorea diese einfach nicht mehr leisten kann. Fest steht indessen, dass Nordkoreas Wirtschaft unter grossem Stress steht, was zweifellos zum Politikwechsel im Land beigetragen hat.
«China will eine zentrale Rolle bei der «Lösung» dieser Krise spielen»
Während die Rolle Chinas in den vergangenen Monaten oft übersehen oder wenig verstanden wurde, scheint sich folgende Strategie abzuzeichnen: China will eine zentrale Rolle bei der «Lösung» dieser Krise spielen. Aber es will dies auf eigene Faust tun. Vielleicht hat das Reiche der Mitte beschlossen, starken Druck auf Präsident Kim Jong-un auszuüben und seine Angst vor Instabilität und einem möglichen Regimewechsel zu überwinden, um Nordkorea an den massiven wirtschaftlichen Einfluss Chinas zu erinnern.
Chinas Strategie und das angestrebte Ergebnis sind noch unklar. Aber es wird immer deutlicher, dass der chinesische Druck eine treibende Kraft ist, und China eine zentrale Rolle in allen zukünftigen Gesprächen spielen wird. Was das für die USA bedeutet, ist ebenfalls unklar. Der aktuelle Stand der Dinge (Gespräche auf hoher Ebene zwischen Nord- und Südkorea, Annäherung zwischen China und dem Norden sowie Normalisierung der Beziehungen zwischen China und Südkorea nach dem THAAD-Streit) stellt die USA vor grosse Herausforderungen. Die diplomatische Lage in Ostasien ist dynamisch. Viele Fragen bleiben offen.
Alex Wolf ist Senior Emerging Markets Economist beim britischen Vermögensverwalter und Versicherer Aberdeen Standard Investment.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Didier Saint-Georges, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Katharina Bart, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Beat Wittmann, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Michel Longhini, Frédéric Papp, Claudia Kraaz, James Syme, Peter Hody, Claude Baumann, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Ralph Ebert, Marionna Wegenstein, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Michael A. Welti, Peter Fanconi und Alex Wolf.