Die ehemalige Bankerin Claudia Kraaz hat verschiedene Persönlichkeiten zum Thema «Erfolg» befragt. In ihrem Beitrag für finews.first stellt sie fest, dass in der Finanzbranche der «äussere Erfolg» eine grössere Bedeutung hat als in anderen Wirtschaftszweigen.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Ein erfolgreiches, gelungenes Leben führen: Wer möchte das nicht? Doch was bedeutet dies überhaupt? Zum Begriff «Erfolg» gibt es fast so viele Definitionen wie Individuen. Viele Menschen lässt das Wort «Erfolg» an äusserliche Symbole denken; für andere ist persönlicher Erfolg wichtiger. Es stellen sich dabei grosse Fragen wie: Ist ein gegen aussen erfolgreicher gleichzeitig auch ein glücklicher Mensch? Wie hoch liegt die Latte für das Erreichen von Erfolg? Wie viel kann jeder Mensch zu seinem Erfolg beitragen?

In einzelnen Bereichen, etwa im Sport oder teilweise in der Wissenschaft, kann Erfolg unter anderem mit erreichten Zeiten, Podiumsplätzen oder Wirksamkeit genau gemessen werden. In anderen Bereichen ist es Ermessenssache, beispielsweise in der Kunst oder zum Teil auch in der Wirtschaft.

Ist ein Unternehmen erfolgreicher, wenn es in einem Jahr beim Reingewinn die Spitzenposition in seiner Branche einnimmt, oder ist es erfolgreicher, wenn es sich über Jahre unter den besten fünf halten kann? Beim persönlichen Erfolg ist die Antwort ganz einfach: Er erfüllt und macht nachhaltig zufrieden.

«Gegen aussen erfolgreiche Menschen sind nicht unbedingt glücklicher»

Die Auswirkungen von äusserem Erfolg können sowohl positiv als auch negativ sein. Eine allzu starke Ausrichtung nach aussen kann dazu führen, dass man süchtig nach gesellschaftlichen Statussymbolen wird und eine konstante Bestätigung braucht. Man will immer mehr und ist nie zufrieden mit dem bereits Erreichten. Dann ist das Erfolgsempfinden sehr flüchtig. Verschiedene Untersuchungen haben denn auch gezeigt, dass gegen aussen erfolgreiche Menschen gar nicht unbedingt glücklicher sind.

Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung in der Finanzbranche wage ich zu behaupten, dass der äussere Erfolg dort einen (noch) höheren Stellenwert hat als in anderen Branchen – vielleicht auch deshalb, weil ja das Kernthema der Finanzbranche das Geld ist.

Statussymbole wie eine hohe hierarchische Funktion, ein tolles Auto oder eine Villa haben im Finanzsektor auch heute noch eine grössere Bedeutung. Diese Symbole sind jedoch gerade in diesen unsicheren Zeiten flüchtig.

«Studien zeigen, dass Zufriedenheit aufgrund einer Lohnerhöhung nicht nachhaltig ist»

Gleichzeitig stelle ich fest, dass «weiche» Werte, darunter Sinnhaftigkeit, das mentale Wohlbefinden oder psychologische Sicherheit, in den vergangenen Jahren auch im Finanzbereich an Bedeutung gewonnen haben. Die Unternehmen haben realisiert, dass die Mitarbeitenden einen besseren Job machen, wenn sie auch innerlich zufrieden sind. Studien zeigen, dass intrinsische Motive dreimal stärker mit Motivation bei der Arbeit korrelieren als extrinsische Anreize. Andere Studien zeigen wiederum auf, dass Zufriedenheit aufgrund einer Lohnerhöhung nicht nachhaltig ist.

Jüngere Mitarbeitende namentlich aus der Generation Z legen zudem mehr Wert auf andere Dinge als auf Erfolg im Aussen. Für sie zählen insbesondere Flexibilität und Sinnhaftigkeit. Die Finanzindustrie muss deshalb einen kulturellen Wandel durchlaufen, wenn sie die jungen Top-Talente anziehen und halten will.

«Wenn man gerne tut, was man tut, ist man erfolgreicher»

Aus langjähriger Erfahrung weiss ich zudem: Es gibt nicht das eine Erfolgskonzept, das für alle passt. Jeder Mensch ist verschieden und hat unterschiedliche Prägungen, berufliche Hintergründe, Werte und vor allem Ziele im Leben. All das hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie diese Person Erfolg für sich selbst definiert und wonach sie strebt. Und diese Vorstellungen sind dem erwähnten gesellschaftlichen Wandel unterworfen, der weitergehen wird.

Auch die für mein Buch «Erfolg! Erfolg? Auf Spurensuche in Gesprächen» befragten Persönlichkeiten, darunter Pepe Lienhard, Iouri Podladtchikov oder Simona Scarpaleggia, definieren Erfolg teilweise sehr unterschiedlich. Aber Sinnhaftigkeit ist für alle wichtig. Denn wenn man gerne tut, was man tut, ist man erfolgreicher.


Mit ihrem Unternehmen Stress and Balance ist Claudia Kraaz seit fast acht Jahren als Führungs- und Stress-Coach sowie als Resilienz-Trainerin selbständig. Seit Mai 2021 ist sie zudem Verwaltungsrätin des Zuger Kantonsspitals. Zuvor war sie während 13 Jahren in leitenden Funktionen in der Unternehmenskommunikation tätig, unter anderem als Kommunikationschefin bei der Bank Vontobel und bei der Credit Suisse, wo sie als stellvertretende Kommunikationschefin und weltweite Medienchefin auch für die Beratung des damaligen Konzernchefs Oswald Grübel zuständig war.

Claudia Kraaz ist Autorin der Bücher «Erfolg! Erfolg? Auf Spurensuche in Gesprächen» (Vernissagen am 25. August 2022 in Bern und am 5. September 2022 in Basel) sowie «Nachhaltig leistungsfähig bleiben – Praxis-Tipps für den Business-Marathon».


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