Für die Mitarbeitenden der Credit Suisse ist das Timing nun das sprichwörtliche «Glück im Unglück». Jene, die im Bereich der Vermögensverwaltung arbeiten und sich im Lauf der Jahre ein Kundennetzwerk aufgebaut haben, können nun das Ruder selbst in die Hand nehmen, anstatt sich beim Headhunter in die Schlange zu stellen, schreibt Nicolas Ramelet in einem Gastbeitrag für finews.ch.
Von Nicolas Ramelet, Rechtsanwalt in Zürich
Man sagt, Totgesagte leben länger. Auch in der Vermögensverwaltungs-Branche scheint dieses Sprichwort zurzeit gerade bestätigt zu werden. Im Rahmen der Einführung der neuen Finanzmarkt-Regulierung wurde noch vor wenigen Jahren der baldige Tod der unabhängigen Vermögensverwalter prognostiziert. Gar noch schlimmer als beim nördlichen Nachbarn sollte es werden, hiess es vielerorts.
Die Banken würden sich das Geschäft einverleiben, und die bis anhin selbstbestimmten Partner und Inhaber der Vermögensverwaltungsfirmen würden alle an das Gängelband neuer Arbeitgeber kommen. Glücklich seien jene, welche ihre Karriere gehabt hätten und sich zurückziehen könnten. Doch wie kann man sich täuschen.
Grösste bewilligte Population der Finma
Sicherlich ist der Erhalt der Finma-Bewilligung als Vermögensverwalter kein Spaziergang nach Feierabend, und es bedarf einer professionellen Vorbereitung, etwas Geduld und auch etwas Durchhaltewillen. Aber letztlich haben per Anfang April 2023 bereits rund 680 Vermögensverwalterinnen und -verwalter die Bewilligung der Finma erhalten und dürfen als voll regulierte Finanzinstitute weiter unabhängig, persönlich und professionell für ihre Kundschaft deren Vermögen verwalten.
Ungefähr 1'000 Gesuche waren bei der Finma Ende 2022 pendent. Es dürften also letztlich deutlich mehr als 1'000 Vermögensverwalter die Bewilligung für die Weiterführung der Tätigkeit erhalten. Das vom Gesetzgeber im Vorfeld viel gepriesene «Level Playing Field» ist Realität geworden, und die unabhängigen Vermögensverwalter haben sich erfolgreich auf dieselbe Stufe gestellt mit den seit Jahrzehnten umfassend regulierten Banken, Versicherungen und weiteren Finanzinstituten. Mehr noch, sie werden damit die grösste bewilligte und überwachte Population der Finma.
Für Junge, Alte, Studenten, Reiche – querbeet
Dieser erfolgreiche Überführungsprozess allein zeigt die Robustheit des Vermögensverwaltungs-Segments. Ganz offensichtlich wurde der Wille der Branche, aber auch das Bedürfnis der Kundschaft nach unabhängiger Vermögensverwaltung unterschätzt. Dies wird auch deutlich, wenn man sich umsieht: Etablierte Versicherungen werben grossflächig mit massgeschneiderten Vermögensverwaltungs-Angeboten für Junge, Alte, Studenten, Reiche – querbeet.
Sogar die «Bâloise» wagt sich mit ihrem Marketing ins Heimrevier der «Zürich», die Angeln werden überall ausgeworfen. Die Banken tun es ihnen gleich – jeder will ein Stück vom Wachstumskuchen.
Glück im Unglück
Und nicht nur das: Diejenigen knapp 1'000 Vermögensverwalter, welche die Übergangsfrist zur neuen Bewilligung zwar ausnutzten, aber nun nicht mehr weitergehen, verwalteten keinesfalls proportionale Vermögenswerte. Für die meisten von ihnen ist die neue Regulierung ein guter Grund, sich einem ruhigeren Lebensabschnitt zuzuwenden.
Die Mandate gehen dabei grösstenteils auf andere, bewilligte Berufskolleginnen und -kollegen über, was für den alten und neuen Verwalter, aber auch für die Kunden eine optimal orchestrierte Nachfolgeplanung sicherstellt. So werden auch kaum Vermögenswerte aus der unabhängigen Vermögensverwaltung abfliessen. Doch wo ist der Sturm geblieben, den viele haben aufziehen sehen?
Fast scheint es, dass viele Banken, die den Sturm zum Ausbau ihrer Marktanteile nutzen wollten, nun selbst Wasser aus dem Rumpf schöpfen müssen. Für die Mitarbeitenden der Credit Suisse ist jedoch das Timing wiederum das sprichwörtliche «Glück im Unglück»: Jene, welche dort im Bereich der Vermögensverwaltung arbeiten und sich im Lauf der Jahre ein Kundennetzwerk aufgebaut haben, können nun das Ruder selbst in die Hand nehmen, anstatt sich beim Headhunter in die Schlange zu stellen.
Effiziente Kleinstunternehmen
Denn: Die Unsicherheiten der neuen Bewilligungsform der Vermögensverwalter sind grösstenteils geklärt, unter den Dienstleistern hat ein gesunder Wettbewerb die Preise nivelliert und die Qualität gesteigert, und nicht zuletzt hat sich der Finanzplatz Schweiz bereits als nach wie vor solider, zukunftsorientierter und dienstleistungsfreundlicher Vermögensverwaltungs-Standort behauptet.
Unter den bereits von der Finma Bewilligten befinden sich zahlreiche Kleinstunternehmen, welche mit effizienten Prozessen und schlanken Kostenstrukturen ihre Zeit auf die Kundenbetreuung verwenden, und damit selbst auch die Freude an der Arbeit behalten. Die Vorreiter haben gezeigt, dass es möglich ist. Für jene, die diesen Schritt in die Selbstbestimmung nun erwägen, könnten die Zeiten kaum besser sein.
Nicolas Ramelet ist Rechtsanwalt LL.M in Zürich und fokussiert in seiner Tätigkeit auf die Beratung und Vertretung von Finma-bewilligten Finanzinstituten.