Externe Untersuchung: Klaus Schwab beim WEF unter Druck

Das plötzliche Aus von Klaus Schwab an der Spitze des World Economic Forum (WEF) sorgt weltweit für Aufsehen und wird auch auf dem Schweizer Finanzplatz intensiv diskutiert. Nun enthüllt das «Wall Street Journal», dass der Stiftungsrat eine unabhängige Untersuchung gegen den 87-Jährigen angestrengt hat. Gegenstand sind Vorwürfe über angebliche Unregelmässigkeiten in der Amtsführung des WEF-Gründers.

Wie das «Wall Street Journal» (WSJ) exklusiv berichtet (Artikel auf Englisch, bezahlpflichtig), ist der Rücktritt von Klaus Schwab als Präsident des Stiftungsrates des World Economic Forum (WEF) nicht bloss dem Alter oder einem geplanten Generationenwechsel geschuldet.

Gemäss dem Zeitungsbericht leitete der Stiftungsrat an seiner ausserordentlichen Sitzung vom Ostersonntag eine unabhängige Untersuchung ein – ausgelöst durch einen anonymen Whistleblower-Brief, der das Gremium vergangene Woche erreichte und der im Vorfeld der Sitzung zu einem Kräftemessen zwischen Schwab und dem Stiftungsrat, den er bis dahin präsidiert hatte, führte.

In dem unsignierten Schreiben an den Stiftungsrat heisst es gemäss «Wall Street Journal», die Autoren seien aktuelle und ehemalige WEF-Mitarbeiter, die sich «verpflichtet fühlen, eine detaillierte Auflistung von systematischen Governance-Verfehlungen und Machtmissbrauch» darzulegen, «die sich während langen Jahren unter der uneingeschränkten Autorität von Klaus Schwab ereignet haben».

Vermischung privater und institutioneller Interessen?

Im Zentrum steht der Vorwurf einer Vermischungen privater und institutioneller Interessen: Schwab und seine Ehefrau sollen private Luxusreisen über das WEF abgerechnet haben und eine vom WEF erstandene und renovierte Immobilie in Genf teilweise exklusiv privat genutzt haben – Vorwürfe, die Schwab entschieden bestreitet.

Gegenüber dem «Wall Street Journal» kündigt er juristische Schritte gegen den oder die Urheber der Anschuldigungen an.

Dennoch sah sich der Stiftungsrat des Forums, dem neben dem interimistischen Präsidenten Peter Brabeck-Lethmathe auch Persönlichkeiten wie Blackrock-Chef Larry Fink, der Präsident von Singapur Tharman Shanmugaratnam, der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore und der Cellist Yo-Yo Ma angehören, zu einer vertieften Prüfung veranlasst.

Gegenüber der amerikanischen Zeitung bestätigt das WEF, dass der Stiftungsrat einstimmig beschlossen habe, eine unabhängige Untersuchung einzuleiten. «Diese Entscheidung wurde nach Rücksprache mit externen Rechtsberatern getroffen.»

Die Organisation betonte, man nehme «diese Vorwürfe ernst, sie sind jedoch bislang unbewiesen». Weitere Kommentare würden erst nach Abschluss der Untersuchung abgegeben.

Der Beschuldigte wurde nicht angehört

An der Sitzung vom vergangenen Sonntag konnte Schwab trotz dringendem Wunsch seine Sicht der Dinge nicht darlegen. Gemäss «Wall Street Journal» soll er der WEF-Stiftung gar seine jährliche Pension, die das amerikanische Wirtschaftsblatt mit 5 Millionen Dollar beziffert, als Sicherheit angeboten haben – ein Angebot, auf das der Stiftungsrat nicht einging.

Das Communiqué des WEF-Stiftungsrates vom Ostermontag war generisch gehalten und erwähnte die angestrengte unabhängige Untersuchung gegen Klaus Schwab mit keiner Silbe.

In der Schweiz kursierten nach dem Rücktritt teils andere Mutmassungen. Der «Blick» beispielsweise spekulierte über gesundheitliche Gründe, politischen Druck oder interne «Woke»-Debatten im Kontext von Donald Trump und dem argentinischen Präsidenten Javier Milei. Auch ein möglicherweise missglücktes Telefonat Schwabs mit Trump von letzter Woche wird erwähnt.

Governance des WEF im Blick

Diese Szenarien erscheinen nun – mit Blick auf die US-Recherche – als Ablenkung vom eigentlichen Kern: die Governance der Organisation selbst. Die WEF-Stiftung untersteht der Aufsicht der eidgenössischen Stiftungsaufsicht, die beim Eidgenössischen Departement des Inneren angesiedelt ist.

Wer Schwab nach dem Brabeck-Interregnum beerben wird, ist noch offen. Namen wie Christine Lagarde oder Larry Fink stehen im Raum.

Für die Schweizer Finanzbranche sind die Vorgänge ebenfalls relevant. Die Organisation ist auch ein wichtiges Schaufenster der hiesigen Finanzwelt. Beim World Economic Forum vernetzen sich auch zahlreiche CEOs bedeutender Schweizer Banken mit Politikern, Regulatoren und Technologieführern. 

Frühere Vorwürfe

Ein mögliches Reputationsproblem des WEF fiele somit auch auf die Schweiz und auf ihren Finanzplatz zurück.

Bereits im vergangenen Jahr hatte es Vorwürfe gegen Klaus Schwab wegen des Umgangs mit weiblichen Angestellten gegeben. Diese wurden seinerzeit von der Organisation selbst untersucht und schliesslich bestritten. Auch im anonymen Schreiben an den Stiftungsrat ist dieses Thema offenbar erneut Gegenstand.