Die anhaltende Urbanisierung in den Schwellenländern zwingt die Megastädte nachhaltiger und intelligenter zu werden, schreibt Jared Cook in seinem Beitrag für finews.first.
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen
Mehr als 55 Prozent der Weltbevölkerung leben heute in Städten, 1950 waren es 30 Prozent. Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass diese Zahl bis 2050 auf 70 Prozent steigen wird. Das bedeutet, dass in den nächsten 20 Jahren schätzungsweise 2,5 Milliarden zusätzliche Menschen in Städte und städtische Agglomerationen ziehen werden.
Dieser Trend ist auf die Urbanisierung zurückzuführen, die bereits in den Jahrzehnten nach der industriellen Revolution mit einer Massenmigration in die Städte begann. Vor dem Hintergrund sinkender Ernteerträge und einem Rückgang der Nachfrage nach manueller Arbeit in der Landwirtschaft zogen die Menschen auf der Suche nach besser bezahlten Arbeitsplätzen in die Städte.
«Die indonesische Hauptstadt Jakarta wird 2030 voraussichtlich die grösste Megalopole der Welt sein»
Diese fanden sie in Fabriken, die dort in grossem Umfang Konsumgüter produzierten. Im Jahr 2007 schliesslich lebten weltweit erstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Das dramatische Wachstum der Stadtbevölkerung hat eine Reihe von Megastädten auf der ganzen Welt entstehen lassen, wobei ein urbanes Zentrum mit zehn oder mehr Millionen als Megastadt definiert wird.
Zurzeit gibt es 33 Megastädte auf der Welt1, darunter erwartungsgemäss New York, London und Paris. Die meisten riesigen Metropolen befinden sich jedoch in Schwellenländern, vor allem in China, Indien und Südostasien. Es gibt aber auch andere bemerkenswerte Beispiele: Die Bevölkerung von Bogota in Kolumbien ist zwischen 2000 und 2016 um 3,6 Millionen Menschen gewachsen, und die Einwohnerzahl von Lagos in Nigeria hat sich im selben Zeitraum auf fast 14 Millionen verdoppelt2.
In den Entwicklungs- und Schwellenländern wird im nächsten Jahrzehnt die stärkste Urbanisierung stattfinden. Die indonesische Hauptstadt Jakarta wird 2030 voraussichtlich die grösste Megalopole der Welt sein, während sich die Bevölkerung von Luanda, der grössten Stadt Angolas, bis dann mehr als verdoppeln dürfte.
«Urbanisierung erfolgt aus sozioökonomischen Gründen»
Diese Länder werden jedoch nicht nur einen Bevölkerungsanstieg erleben, sondern könnten auch von einem enormen Wirtschaftswachstum profitieren. Für Städte wie Dhaka (Bangladesch), Manila (Philippinen) und Bangalore (Indien) wird bis zum Ende des Jahrzehnts ein BIP-Wachstum von nahezu 150 Prozent erwartet. und 2030 wird es voraussichtlich 39 Megastädte geben, die 15 Prozent zum weltweiten BIP beitragen3.
Schätzungen fürs Jahr 2050 gehen davon aus, dass sich dieser Urbanisierungstrend vor allem auf Asien und Afrika konzentriert, wobei die Stadtbevölkerung allein in Indien, China und Nigeria um insgesamt eine Milliarde Menschen wachsen wird.
Urbanisierung erfolgt aus sozioökonomischen Gründen, wobei die wirtschaftlichen Faktoren in den Schwellenländern besonders starke Treiber sind. Ein höherer Lebensstandard, wie ihn die Städte versprechen, hat das Potenzial, Millionen von Menschen aus der Armut zu heben. Darüber hinaus können die Megastädte zusätzlichen Nutzen – und potenzielle Chancen für Investoren – bieten.
«Die hohe Bevölkerungs- und Unternehmensdichte in einem Gebiet ist ein guter Nährboden für Innovationen»
Da sich Unternehmen in bevölkerungsreichen Gebieten ansiedeln, findet eine lokale Konzentration der Industrie statt. Dies hat erhebliche Vorteile, wie niedrige Transportkosten, einen starken lokalen Markt und ein grosses Angebot an Arbeitskräften. All diese Faktoren können zu potenziell höheren Kapitalrenditen und Gewinnen für Unternehmen führen. Delhi beispielsweise ist eine der produktivsten Metropolen Indiens, und der Dienstleistungssektor wird das rasante Wirtschaftswachstum der Stadt weiter vorantreiben.
Die hohe Bevölkerungs- und Unternehmensdichte in einem Gebiet ist ein guter Nährboden für technologische Innovationen und lokale Spezialisierung. Unternehmen können den Fluss neuer und innovativer Ideen lenken und ihre finanziellen Erträge steigern.
So sind beispielsweise Shenzhen und Bangalore riesige Technologiezentren mit erstklassigen Talentpools, die das Wachstum und die Expansion von Startups in ihren Ländern fördern und für Investoren attraktiv sind.
«Die neuen Megastädte müssen zukunftsweisende Versorgungseinrichtungen anbieten»
Die anhaltende Urbanisierung führt auch dazu, dass eine neue Generation von Städten mit nachhaltigem Ressourcenmanagement, intelligenter Infrastruktur und vernetzten Dienstleistungen entsteht. In einer stärker auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Welt müssen die neuen Megastädte zukunftsweisende Versorgungseinrichtungen anbieten, und die Themen Wasser- und Abwasser-Management sowie Recycling sind besonders wichtig.
Im Energiebereich stehen Projekte im Zusammenhang mit erneuerbaren Energieträgern, intelligenten Netzwerken, energieeffizienten Gebäuden und sauberen Verkehrsmitteln im Vordergrund. Umweltfreundliche und smarte Verkehrsinfrastrukturen, Carsharing und digitale Gesundheitssysteme gehören ebenfalls dazu.
- 1Euromonitor International (2017)
- 2Vereinte Nationen 2016
- 3Euromonitor International (2017)
Jared Cook ist Fixed Income Investment Specialist bei Axa Investment Managers.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Rolf Banz, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Andreas Britt, Gilles Prince, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Neil Shearing, Claude Baumann, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Andrew Isbester, Florin Baeriswyl, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Michael Bornhäusser, Reto Jauch, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Rolando Grandi, Vega Ibanez, Beat Wittmann, David Folkerts-Landau, Andreas Ita, Teodoro Cocca, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Fabrizio Pagani, Roman Balzan, Todd Saligman, Christian Kälin, Stuart Dunbar, Fernando Fernández, Lars Jaeger, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese, Gun Woo, Lamara von Albertini, Philip Adler, Ramon Vogt, Gérard Piasko, Andrea Hoffmann, Niccolò Garzelli, Darren Williams, Benjamin Böhner und Mike Judith und Grégoire Bordier.