Das globale Finanzsystem bleibt post-CS latent instabil; neuerliche Krisen können alle und jede treffen. Notenbanker und Regulatoren sind gefordert – es braucht eine neue, den dramatisch gesunkenen Informations- und Transaktionskosten angepasste Architektur, schreibt Konrad Hummler in seinem Beitrag auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Seit dem unrühmlichen Ende der einst so stolzen Schweizer Grossbank Credit Suisse ist die weltweite Finanz-Community um eine wichtige Erfahrung reicher: den modernen, global wirksamen Bank-Run. Er kontrastiert massiv mit den beinahe beschaulichen Vorstellungen von langen Warteschlangen vor ehrwürdigen Bankgebäuden in London, als Gläubiger versuchten, Reste ihres Guthabens in Barmitteln zu retten. Der moderne Bank-Run erfolgt unsichtbar in der elektronisch-vituellen Sphäre.

Er kennt keine Schalteröffnungszeiten und keine Banknoten-Logistik und auch keine materielle Unterscheidung zwischen – in der Tat gefährdeten – Kontoguthaben und privilegierten Depotbeständen. Der moderne Bank-Run ist radikal und vollzieht sich dank Social-Media und anderen Kommunikationsmitteln innert kürzester Zeit. Wenige Tage genügen, um eine Bank zu leeren und ihren Fortbestand undenkbar zu machen.

«Die Risikoprämien der Credit Suisse liessen sich kaum mehr bändigen»

Es traf das zweifellos richtige Institut. Spätestens seit den schlechten Nachrichten über das «Greensill»-Konglomerat war klar, dass die vielen zuvor geäusserten Versprechungen zur geschäftspolitischen Läuterung Schall und Rauch entsprachen. Die Risikoprämien der Credit Suisse (CS) liessen sich kaum mehr bändigen, und es war voraussehbar, dass auch nur geringe Erschütterungen im Bankensystem prekäre Auswirkungen für die angeschlagene Bank haben würden.

Aber alle, zuvorderst das erst vor kurzem eingesetzte neue CS-Management, darüber hinaus aber auch die mitverantwortliche Aufsichtsbehörde Finma und die Schweizerische Nationalbank als «Lender of last Resort», hatten die Rasanz eines modernen Bank-Runs völlig unterschätzt. Ebenso erschrocken waren ausländische Banken und Behörden, vorab in den USA, von wo die Bankenkrise des Jahres 2023 ja ausgegangen war.

«Die CS-Rettung unter Einbezug der weit gesünderen UBS war wohl alternativlos»

Angesichts der drohenden CS-Katastrophe wurde eine global um sich greifende Finanzkrise mit vielfältigen Opfern unter durchaus auch überlebenswerten Banken befürchtet. Die CS-Rettung sui generis unter Einbezug der weit gesünderen UBS und unter straffem Kommando der Finanzministerin Karin Keller-Sutter war wohl alternativlos.

Allerdings: Das Problem von Radikalität und Rasanz des modernen Bank-Runs bleibt. Denn mutmasslich würden schon Gerüchte genügen, um auch solide Banken in ihren Grundfesten zu erschüttern. Zwei, drei ungünstige Kommentare zu Geschäftsgebaren und Bilanz, ein paar personelle Geschichtchen, hohe Bezüge des Managements…

«Bis es soweit ist, bleibt das Finanzsystem und bleiben mithin die Banken gefährdet»

Das globale Finanzsystem bleibt post-CS latent instabil; neuerliche Krisen können alle und jede treffen. Notenbanker und Regulatoren sind gefordert – es braucht eine neue, den dramatisch gesunkenen Informations- und Transaktionskosten angepasste Architektur.

Zurzeit sehe ich nur folgendes: Entweder findet man Möglichkeiten zur geografischen oder materiellen Eingrenzung eines Bankenproblems («Containment»), oder man muss eine viel schärfere Trennung vornehmen zwischen Notenbankgeld und dem von den Banken geschöpften kommerziellen Geld. Der Zahlungsverkehr und das gewöhnliche Sparen müssten dann sicheren «Vollgeldbanken» vorbehalten bleiben, der ganze grosse Rest einer Banken-Community jenseits von Staatsgarantien und Too-Big-To-Fail-Ideen («Segregation»).

Eines ist wenigstens sicher: Bis es soweit ist, bleibt das Finanzsystem und bleiben mithin die Banken gefährdet.


Konrad Hummler trat nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in die Schweizerische Bankgesellschaft (heute UBS) ein, wo er zum Stab von Robert Holzach gehörte. Später, 1989, übernahm er mit Partnern die St. Galler Privatbank Wegelin, die in den Wirren des US-Steuerkonflikts zum Teil an die Raiffeisen-Gruppe verkauft und zum andern aufgelöst wurde. Nach dieser Zäsur erfolgte ein Neubeginn in Form der Firma M1, eines Think Tanks für strategische Zeitfragen. Heute hat er verschiedene Mandate, unter anderem ist er Verwaltungsratspräsident der Private Client Bank in Zürich, von wo auch der vorliegende Text stammt.


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