Welche Auswirkungen die Eskalation in Israel auf die Welt und die Finanzmärkte hat, erläutert Anna Rosenberg in ihrem Beitrag auf finews.first.
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
Der Angriff der Hamas, die höchstwahrscheinlich vom Iran unterstützt wird, hat zu einer heftigen Reaktion Israels geführt. Der israelische Premierminister bezeichnete den Terroranschlag als einen Kriegsakt. Es scheint, dass Israels ausgeklügelte Sicherheitsüberwachung versagt hat, höchstwahrscheinlich aufgrund interner Konflikte, die auf Benjamin Netanjahus Justizreform zurückzuführen sind. Dadurch kam es zu einer wachsenden Spaltung zwischen der Regierung und den Sicherheitsdiensten.
Der Iran versucht durch die Unterstützung der Hamas die jüngste Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel zu sabotieren und die Saudis an die Macht des Iran in der Region zu erinnern. Die zuletzt stattgefundene Normalisierung stellt eine erhebliche Bedrohung für den Iran dar und könnte sich möglicherweise auf regionale Sicherheitsabkommen unter Beteiligung der USA ausweiten. Dies könnte dazu führen, dass der Iran in der Region isoliert würde.
«Der Konflikt wird wahrscheinlich mehrere Wochen andauern»
Ausserdem versucht die Hamas mit dem Angriff angesichts ihrer geschwächten innenpolitischen Position, ihre militante Glaubwürdigkeit zu untermauern. Die Hamas hat ein geringes Interesse an einem Frieden mit Israel. Sie will ebenfalls eine saudisch-israelische Normalisierung verhindern, bei der die Saudis wohl eine Behelfslösung für die palästinensische Frage akzeptieren würden. Die aktuelle Eskalation ist aber auch eine Reaktion auf die zunehmende israelische Einschüchterung und Gewalt gegen Palästinenser.
Der Konflikt wird wahrscheinlich mehrere Wochen andauern, wobei die Geiselnahmen die Reaktion Israels derzeit erschweren. Die USA werden sich höchstwahrscheinlich einschalten, nicht zuletzt, da es auch US-Bürger unter den Geiseln gibt. Innenpolitisch wird Premierminister Netanjahu angesichts des Sicherheitsversagens mit einem erheblichen Gegenwind rechnen müssen, so dass er wohl eher wenig zurückhaltend agieren wird. Der Konflikt wird wahrscheinlich auf den Gazastreifen und das Westjordanland beschränkt bleiben. Allerdings könnten vom Iran unterstützte Milizen in Syrien und im Libanon involviert werden, und sich der Konflikt somit dorthin ausweiten.
«In den USA wird die Situation als Chance gesehen»
Die Auswirkungen auf die Märkte dürften sich in Grenzen halten, solange der Konflikt sich nicht ausweitet. Für den Verteidigungs- und den Erdölsektor ist die Entwicklung leicht positiv, für einige andere Sektoren wie Luftfahrt und Langstreckenreisen jedoch negativ, da Reisen nach Israel und Flüge über die Region erschwert werden.
In den USA wird die Situation als Chance gesehen, die Gefahr eines Regierungs-Shutdowns einzudämmen, um für zusätzliche israelische Hilfen stimmen zu können. Das größte Risiko besteht jedoch für die Ölpreise. Wir gehen davon aus, dass nach der aktuellen Lockerung die US-Sanktionen gegen iranische Ölverkäufe wieder strenger werden. Sollten die Auswirkungen des Angriffs zu einem Anstieg der Ölpreise führen, wäre dies aber natürlich in einem Wahljahr negativ für US-Präsident Joe Biden. Israel könnte, sobald der unmittelbare Konflikt unter Kontrolle ist, beschließen, die iranischen Nuklearkapazitäten anzugreifen. So könnte ein grösserer regionaler Konflikt ausbrechen, der wohl zu höheren Ölpreisen führen würde.
«Die Ukraine könnte leiden»
Unterstützung für die Ukraine gefährdet: Das Ausmass der Sicherheitsbedrohung in der Region könnte die Unterstützung des Westens für die Ukraine weiter gefährden, einfach dadurch, dass der Schwerpunkt verlagert wird. Der Westen wird gerade daran erinnert, dass es andere Konflikte geben kann, die militärische und finanzielle Unterstützung erfordern. Wegen des Todes von US-Bürgern in Israel und den US-Geiseln werden in den USA Stimmen laut werden, dass möglicherweise dringendere Probleme für die Sicherheit der USA existieren als die Ukraine.
Israel & Iran: Der Hamas-Angriff erhöht das Risiko eines israelischen Angriffs auf den Iran. Israel scheint zu glauben, dass, wenn der Iran die aktuellen Angriffe unterstützt, ohne Atombomben zu besitzen, diese Aktionen nur noch häufiger werden, wenn der Iran «einsatzbereite» Atommacht wird. Dies wird wahrscheinlich auch zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und dem Iran führen und die jüngsten Verbesserungen zunichtemachen. Als Reaktion darauf könnte der Iran die Uran-Anreicherung wieder beschleunigen. Dann könnte Israel bei einem Angriff auf den Iran auf weniger Widerstand seitens der USA stossen.
Israel & Saudi-Arabien & Türkei: Der Konflikt und die zu erwartende harte Reaktion Israels werden die Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien – ebenso auch zwischen Israel und der Türkei – erschweren. Israels innenpolitischer Diskurs wird sich weiter nach rechts verlagern, was die Suche nach einer Lösung für die Palästinenserfrage noch schwerer machen dürfte.
USA & Saudi-Arabien: Die Entwicklungen könnten US-Präsident Bidens Hoffnungen auf gute Schlagzeilen vor den US-Wahlen zerschlagen und die sich in letzter Zeit verbessernden saudi-amerikanischen Beziehungen beeinträchtigen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Israel nun hoffnungslos ist oder dass sich die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien verschlechtern werden. Aber sie sind neuen Risiken ausgesetzt.
Anna Rosenberg ist Head of Geopolitics am Amundi Investment Institute.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Rolf Banz, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Gilles Prince, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Thomas Stucki, Neil Shearing, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Vega Ibanez, David Folkerts-Landau, Andreas Ita, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Roman Balzan, Todd Saligman, Christian Kälin, Stuart Dunbar, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese, Gun Woo, Lamara von Albertini, Ramon Vogt, Andrea Hoffmann, Niccolò Garzelli, Darren Williams, Benjamin Böhner, Mike Judith, Jared Cook, Henk Grootveld, Roman Gaus, Nicolas Faller, Anna Stünzi, Thomas Höhne-Sparborth, Fabrizio Pagani, Ralph Ebert, Guy de Blonay, Jan Boudewijns, Sean Hagerty, Alina Donets, Sébastien Galy, Roman von Ah, Fernando Fernández, Georg von Wyss, Stefan Bannwart, Andreas Britt, Frédéric Leroux, Nick Platjouw, Rolando Grandi, Philipp Kaupke, Gérard Piasko, Brad Slingerlend, Dieter Wermuth, Grégoire Bordier, Thomas Signer, Gianluca Gerosa, Michael Bornhäusser, Christine Houston, Manuel Romera Robles, Fabian Käslin, Claudia Kraaz, Marco Huwiler, Lukas Zihlmann, Nadège Lesueur-Pène, Sherif Mamdouh, Harald Preissler, Taimur Hyat, Philipp Cottier, Andreas Herrmann, Camille Vial, Marcus Hüttinger, Ralph Ebert, Serge Beck, Alannah Beer, Stéphane Monier, Ashley Semmens, Lars Jaeger, Shanna Strauss-Frank, Bertrand Binggeli, Marionna Wegenstein, George Muzinich, Jian Shi Cortesi, Razan Nasser, Nicolas Forest, Jörg Rütschi, Reto Jauch, Bernardo Brunschwiler, Charles-Henry Monchau, Nicolas Ramelet, Philip Adler, Brigitte Kaps, Ha Duong, Teodoro Cocca, Beat Wittmann, Jan Brzezek, Florin Baeriswyl, Nicolas Mousset, Beat Weiss, Pascal Mischler, Andrew Isbester, Konrad Hummler, Jan Beckers, Martin Velten, Katharine Neiss, Claude Baumann, Daniel Roarty, Kubilaqy Yalcin, Robert Almeida, Karin M. Klossek, Marc Taverner, Charlie T. Munger, Daniel Kobler, Patrick Stauber und Colin Vidal.