Das Jahr im Tierkreiszeichen des Schweins dürfte für die Finanzbranche erfreulich ausfallen. Dieses Tier steht für Wohlstand, doch muss man es im Auge behalten, schreibt Michel Longhini auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Dem chinesischen Volksglauben zufolge dürfte das neue Jahr – das im Tierkreiszeichen des Schweins steht – für die Finanzbranche erfreulich ausfallen, steht dieses Tier doch für Wohlstand. Allerdings muss das Schwein, das von Natur aus gefrässig ist, auch im Auge behalten werden, da eine zügellose Gier negative Auswirkungen haben kann. Es gilt also, zuversichtlich zu sein, aber nicht zu übertreiben.

Das ist ungefähr die heutige Einstellung der amerikanischen Notenbank (Federal Reserve, Fed). Seit «Geduld» das neue Zauberwort ihres Vorsitzenden Jerome Powell ist, hat die Fed einen ganz anderen Ton angeschlagen. Waren vor einigen Wochen noch zwei oder drei weitere Zinsanhebungen absehbar, so signalisiert die Notenbank nun, sie wolle bei der Straffung ihrer Geldpolitik eine Pause einlegen.

«Die Perspektiven der Technologiefirmen sind ein guter Indikator für das Weltwirtschaftswachstum»

Dieser Umschwung von einem überaus positiven Wachstumsszenario zu mehr Zurückhaltung – Powell nennt es «wait and see» – führte an den Obligationenmärkten zu einem deutlichen Renditerückgang; und dies trotz des rekordhohen Stellenaufbaus. So sind die 10-jährigen US-Renditen von 3,25 Prozent im November auf derzeit 2,55 Prozent gesunken.

Obwohl die Fed immer wieder auf ihre Unabhängigkeit pocht, ist es durchaus denkbar, dass die scharfe und wiederholte Kritik von Donald Trump an der Währungshüterin zu einem Kurswechsel beigetragen hat – genauso wie die negativen Auswirkungen des «Shutdown» auf die Wirtschaft, der einen Grossteil der US-Verwaltung während eines langen Zeitraums von 36 Tagen lahmlegte.

Noch entscheidender war aber, dass im vergangenen Herbst Zweifel an den Perspektiven der grossen Technologieunternehmen aufkamen. Der Geschäftsgang dieser internationalen Konzerne gilt nämlich als zuverlässiger Indikator für den Trend des Weltwirtschaftswachstums. Gewinnwarnungen wie diejenige, die kürzlich Apple abgegeben hat, führen zwangsläufig dazu, dass die Nachhaltigkeit des Wachstums infrage gestellt wird.

«Das Szenario einer sanften Landung in den USA und in China spricht für eine gewisse Stabilität»

Nach der Börsenpanik zum Jahresende setzen die Anleger ihre Hoffnung nun auf die unerwartete Zurückhaltung der Fed und auf einen Durchbruch bei den Verhandlungen zwischen Washington und Peking. Der – übertriebene – Kursverfall vom Dezember 2018 konnte teilweise korrigiert werden, da der S&P 500 den besten Jahresauftakt seit mehr als drei Jahrzehnten hingelegt hat. Per Ende Januar 2019 lag der Dow Jones im Vergleich zum Vorjahr nur noch 4,4 Prozent und der Nasdaq lediglich 1,75 Prozent im Minus.

Das generell bevorzugte Szenario – jenes einer sanften Landung in den USA und in China – spricht für eine gewisse Stabilität an den Finanzmärkten – dies umso mehr, als die Korrektur im zweiten Halbjahr 2018 in sämtlichen Anlagekategorien für Entspannung bei den ausgereizten Bewertungen gesorgt hat.

Zwar ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Nasdaq mit 34 per Anfang Februar im historischen Vergleich immer noch hoch. Doch liegt es deutlich unter dem Höchststand von 52 im März 2018 und seinem Durchschnitt der vergangenen zwölf Monate mit 42. Auch beim KGV des Dow Jones, das vor einem Jahr bei 21 lag, gibt es nun wieder etwas Luft nach oben, beläuft es sich doch derzeit auf 16,3.

«Die chinesische Börse gehört seit Jahresbeginn zu den Spitzenreitern»

Die Geschichte lehrt uns, dass es eine überaus heikle Aufgabe ist, durch einen Wirtschaftsabschwung zu navigieren. In diesem Zeitraum «zwischen zwei Fahrwassern», in welchem sich die Hoffnung auf eine Fortsetzung des Wachstums und die Angst vor dem Ende des Konjunkturzyklus gegenüberstehen, ist daher Vorsicht angezeigt. Angesichts dieser Unsicherheit werden die wichtigsten Wirtschaftsindikatoren das Zünglein an der Waage spielen. Zwar steigt der Ölpreis seit Beginn des Jahres wieder stark, doch ist dieser Indikator aufgrund der Krise in Venezuela und der eigenen Berechnungen der OPEC wenig aussagekräftig.

Die Wirtschaftsdaten aus den USA und China sowie die gemeldeten Unternehmensgewinne hingegen sollten kritisch analysiert werden. Obwohl der Handelskonflikt die Exporte Chinas schwer in Mitleidenschaft ziehen könnte, ist es paradoxerweise durchaus möglich, dass die guten Nachrichten gerade aus diesem Land kommen. Die chinesischen Werte – namentlich diejenigen aus dem Technologiesektor – haben sich wieder gefangen und die chinesische Börse gehört seit Jahresbeginn zu den Spitzenreitern.

«Mit der überraschenden Wahl von Donald Trump hat sich das Blatt gewendet»

Wie dem auch sei, eine solche Konstellation spricht für ein asymmetrisches Portfoliomanagement. Es gilt, das Aktienexposure beizubehalten, doch muss dieses durch Derivate und Strukturierte Produkte abgesichert werden, um die Portfolios vor möglichen Marktrückschlägen zu schützen.

Zudem werden die Anleger mit einer Variablen zurechtkommen müssen, die zu berücksichtigen sie nahezu verlernt haben – der Volatilität. Grund dafür ist, dass die Politik wieder die Oberhand über die Wirtschaft und den Finanzbereich gewonnen hat. Jahrelang schien ihr Einfluss auf den Finanzmarkt nur sekundär zu sein – bis sich mit der Wahl von Donald Trump das Blatt wendete. Die verblüffende Rückkehr der Volatilität ist also eine Folge der offensiven Handelspolitik des amerikanischen Präsidenten. Auch dessen Missachtung der Unabhängigkeit der Fed belegt, dass er fest entschlossen ist, die Kontrolle zu übernehmen.

Doch auch Europa steht in nichts nach: Angesichts der anstehenden Meilensteine (Brexit, Europawahl, usw.) und der zahlreichen Regierungen, die unter Druck sind, stehen die Zeichen auf konsequentere und vor allem weniger vorhersehbare Entscheidungen.


Michel Longhini leitet als CEO das Private Banking der Genfer Union Bancaire Privée und ist Mitglied der Geschäftsleitung. Zuvor stand er in Diensten von BNP Paribas Wealth Management, namentlich von 2004 bis Mitte 2008 als CEO der Privatbank in Asien. Insgesamt blickt er auf mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bankwesen zurück. Der Franzose studierte in den 1980er-Jahren an der Lyon Business School, wo er auch sein MBA machte.


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