Anleger mögen keine Ungewissheit, und derzeit herrscht eine enorme Verunsicherung darüber, wie schwerwiegend und langfristig die Auswirkungen dieser Krise sein könnten, schreibt Robert Sharps in seinem Beitrag auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Ich denke, die Leute beginnen zu verstehen, dass Unternehmer und Manager derzeit viel vorsichtiger agieren. Sie konzentrieren sich auf ihre Notfallplanung und die Geschäftskontinuität – dies im Gegensatz zu Themen wie Neueinstellungen von Personal und Expansion.

Und ich glaube auch, dass viele Mitarbeiter momentan ihrer Pläne neu bewerten und vorsichtiger entscheiden und handeln. Reisen werden abgesagt oder verschoben.

Hinzu kommt, dass Anleger mit einer Erholung der Unternehmensgewinne rechneten. Für diese haben wir aber noch nicht sehr viele Belege gesehen.

«Nun befinden wir uns in einem Prozess, in dem diese Erwartungen neu kalibriert werden»

In Kombination mit anderen Unsicherheiten, die vor allem im Hinblick auf die US-Präsidentschaftswahlen bestehen, ist es meiner Meinung nach ganz normal, dass mit einer gewissen Volatilität zu rechnen ist. Schliesslich durchliefen wir 2019 eine Periode, in der die Renditen in einer Reihe von Bereichen an den Märkten ziemlich robust und die Erwartungen ziemlich hoch waren. Nun befinden wir uns in einem Prozess, in dem diese Erwartungen neu kalibriert werden.

Bis wir wieder etwas mehr Gewissheit darüber haben, wann sich mit dem Coronavirus alles normalisiert und wir wieder etwas mehr «Business-as-usual» erleben, kann man davon ausgehen, dass wir weiterhin ein erhöhtes Mass an Volatilität sehen werden. Was die Frage anbelangt, ob die Volatilität eine Kaufgelegenheit schafft, so hängt dies meiner Meinung nach sehr stark vom jeweiligen Zeithorizont ab.

«Da findet man historisch attraktive Bewertungen»

Es hängt auch davon ab, welche Bereiche des Marktes man betrachtet. Ganz offensichtlich gibt es einige Sektoren, die kurzfristig wirklich von der Verbreitung des Virus betroffen sind wie die Reisebranche, Hotels, Casinos oder Fluggesellschaften; viele dieser Aktien sind um 30, 40 Prozent gefallen. Und bei vielen Industriefirmen, die sich aufgrund des Handelskriegs zwischen den USA und China bereits in einer Rezession befanden, wird sich die erwartete Belebung der Aktivität verzögern. Zudem können sich Lieferschwierigkeiten negativ auswirken.

Schaut man jedoch auf Unternehmen, die aus dieser kurz- oder vielleicht auch mittelfristigen Störung gestärkt hervorgehen, dann findet man dort historisch attraktive Bewertungen.

«Ich denke, es gibt sicherlich ein Szenario, bei dem das Virus im Herbst und Winter wieder auftaucht»

Im Moment sehe ich keine bedeutsamen strukturellen Ungleichgewichte in der Wirtschaft. Ich denke, es gibt sicherlich ein Szenario, bei dem das Virus im Herbst und Winter wieder auftaucht, und wir uns erneut damit auseinandersetzen müssen. Doch wenn wir das erst einmal durchgespielt haben, werden wir mehr wissen. Abgesehen von den Risiken für den Einzelnen, sehe ich auch keine wesentlichen oder langanhaltenden Auswirkungen auf die zugrunde liegende Wirtschaft.

Man muss aber in Unternehmen investieren, die aus der Situation stark oder gestärkt hervorgehen. Auf Sicht von sechs respektive zwölf Monaten sollte sich die fundamentale Investitionsthese vieler oder der meisten Themen nicht ändern.


Robert Sharps ist Chief Investment Officer des amerikanischen Vermögensverwalters T. Rowe Price.


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