Seit einem halben Jahrhundert ist das 3-Säulen-Konzept als bestes aller Welten in der Bundesverfassung verankert. Auch wenn dieser Trabant längst gefährliche Risse aufweise und Reformen überfällig seien, werde weitherum nach wie vor der offiziellen Doktrin des Schweizer Vorsorgesystems gehuldigt, schreibt Angela Agostini in ihrem Beitrag für finews.first.
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
Mit der 1. Säule kann man sich einverstanden erklären. Die AHV sorgt seit über 70 Jahren für eine faire Umverteilung von Reich zu Arm. Ob jemand Millionen verdient oder Lohnempfänger in einer der tiefsten Einkommensklassen ist: Satz und Rente sind für alle gleich.
Ab einem Salär von rund 85'000 Franken wird – grob gerechnet – aus der AHV eine zweite Einkommenssteuer, da der AHV-Abzug auf dem gesamten Lohn vorgenommen wird. Dieser kommt dem überwiegenden Teil der Bevölkerung zu Gute.
Die 2. Säule hingegen, die seit gut 30 Jahren auf dem obligatorischen Zwangssparen aufbaut und inzwischen über einen Kapitalstock von geschätzt einer Billion Franken verfügt, sah nichts dergleichen vor.
«Die Besitzstandwahrung garantiert den Rentnern eine lebenslängliche Rente»
Die Solidarität sollte einzig innerhalb der Pensionskassen und Anlagestiftungen spielen, die die Gelder verwalten und entsprechend ihrer Anlageleistungen Altersrenten auszahlen – individuell abgestuft nach Höhe des angesparten Altersguthaben eines Versicherten.
Aber wir haben nicht mit der Politik gerechnet, die längst einer weiteren Dimension der staatlich verordneten Solidarität stattgegeben hat: der Umverteilung von Jung zu Alt. Weil die einst angedachte Rendite längst nicht mehr zu erzielen ist, wird die aktive Generation verknurrt, zu Gunsten der Rentnergeneration auf einen stetig wachsenden Teil ihres Alterskapitals zu verzichten.
Dieser Betrag erreicht inzwischen bereits 7,2 Milliarden Franken pro Jahr. Die Besitzstandwahrung garantiert den Rentnern eine lebenslängliche Rente, die in den meisten Fällen mit einem Umwandlungssatz von 7,2 Prozent gerechnet wurde und von der aktiven Generation mitfinanziert wird. Im Vergleich zu den AHV-Auszahlungen von 45 Milliarden Franken im vergangenen Jahr ist es bald einmal ein Fünftel, den sich die Rentner «aneignen».
«Ein Jobwechsel bietet damit immer die Möglichkeit, die eigene Vorsorge zu prüfen»
Gesetzliche Anlagevorschriften und der Kapitalmarkt schmälern die dringend notwendigen Erträge der Pensionskassen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen.
Insbesondere die Besserverdienenden der jüngeren Generation kommen sich langsam betrogen vor und müssen in Kauf nehmen, dass der Umwandlungssatz für ihre zukünftige Rente stetig gesenkt wird. Sie suchen nach Auswegen, die eine gewisse Kompensation ermöglichen.
Im Rahmen der 2. Säule stehen dazu Freizügigkeitslösungen bereit. Bei Jobwechsel, die in der modernen Arbeitswelt bekanntlich immer öfter vorkommen wie auch der Wechsel von unselbständig zu selbständig und vice versa, gilt es mit Umsicht ein geeignetes Freizügigkeitsdepot auszuwählen, das erstens einen hohen Aktienanteil zulässt und zweitens kostengünstig ist
Dafür sind insbesondere digitale Angebote attraktiv. Ein Jobwechsel bietet damit immer die Möglichkeit, die eigene Vorsorge zu prüfen und Chancen zu nutzen.
«Die digitalen Lösungsanbieter helfen den Kunden, sich eine eigene «Pensionskasse» aufzubauen»
Die Nase klar vorne haben dabei die Fintechs. Dank ihnen gewinnt die Individualisierung der beruflichen Vorsorge an Boden. Die digitalen Lösungsanbieter helfen den Kunden, sich eine eigene «Pensionskasse» aufzubauen.
Mit dem gleichen Ansatz sollten gut Verdienende ebenso konsequent die steuerbegünstigte Säule 3a mit Unterstützung der Fintechs bespielen: auf Aktien setzen, um an der Wertentwicklung der Wirtschaft zu partizipieren.
Was sich in den vergangenen hundert und mehr Jahren als die richtige Strategie erwiesen hat, wird auch in Zukunft kaum falsch sein. Dank digitalen Lösungen ist dieser Weg zudem jetzt noch kostengünstiger.
«Die vermeintliche beste aller Welten bewegt sich»
Kommt dazu, dass die Einzahlungsmodalitäten bald einmal liberalisiert werden dürften. Jedenfalls steckt ein Vorstoss im politischen Prozess. Vorgesehen ist unter anderem, bei 3a-Lösungen das Nachzahlen innerhalb einer Frist von fünf Jahren zu ermöglichen.
Die vermeintliche beste aller Welten bewegt sich – vorderhand zumindest - ein bisschen, in die richtige Richtung. Das ist hoffnungsvoll.
Angela Agostini ist Leiterin Vorsorge bei Descartes Vorsorge, einer Marke von Descartes Finance. Sie hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Assekuranz, wo sie sowohl diverse Fach- als auch Führungsverantwortungen wahrnahm. Als Dozentin für Vorsorge bildete sie bei der Zurich und für den Berufsbildungsverband der Versicherungswirtschaft (VBV) Kundenberaterinnen und Kundenberater in den Bereichen Firmen- und Privatkunden aus. Sie ist auch Prüfungsexpertin für Versicherungsvermittler beim VBV.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Rolf Banz, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Fabrizio Pagani, Niels Lan Doky, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Beat Wittmann, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Didier Saint-Georges, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Gérard Piasko, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Lars Jaeger, Andrew Isbester, Florin Baeriswyl, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Michael Welti, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Michael Bornhäusser und Reto Jauch.