Es mehren sich die Befürchtungen, dass die geopolitischen Risiken in den nächsten Jahren grossen Druck auf die Kapitalmärkte ausüben könnten, schreibt Christian Dreyer, CEO der CFA Society Schweiz.
Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.
Eine grosse Mehrheit der Investmentmanager (70 Prozent) rechnet damit, dass aktuelle geopolitische Risiken in den nächsten drei bis fünf Jahren erheblichen Druck auf die Renditen an den Kapitalmärkten ausüben werden. Dies ergab eine Erhebung des CFA Institute, eines Berufsverbands für professionelle Investoren und Investmentmanager bei weltweit 1’500 Finanzexperten.
Zu den wesentlichen Unsicherheitsfaktoren zählt die weitere Entwicklung des Brexit. Rund 70 Prozent der Umfrageteilnehmer aus Grossbritannien rechnen damit, dass der geplante EU-Austritt des Vereinigten Königreichs dessen Wettbewerbsfähigkeit als Finanzplatz schadet. Eine ähnlich grosse Mehrheit von Investmentexperten aus Kontinentaleuropa (71 Prozent) erwartet, dass internationale Unternehmen ihre Präsenz im Vereinigten Königreich zurückfahren werden. Als grösster Gewinner des Brexit gilt der Finanzplatz Frankfurt (77 Prozent), gefolgt von Dublin (63 Prozent), Paris und New York (beide 58 Prozent).
«In den kommenden 24 Monaten werden definitiv neue EU-Realitäten geformt»
Pikant ist dabei: Immerhin 59 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Austritte weiterer Länder aus der EU für wahrscheinlich halten. Dies entspricht einem Plus von 10 Prozent gegenüber einer ähnlichen Umfrage des CFA Institute im Juli 2016.
Bislang ging es beim Brexit einzig und allein um parteistrategische Hoffnungen und Ängste, was gewiss keine solide Basis für die Meinungsbildung an den Finanzmärkten ist. In den kommenden 24 Monaten werden nun aber definitiv neue EU-Realitäten geformt. Diese bieten eine Grundlage für deutlich robustere Einschätzungen.
«Geopolitische Risiken und ihre Auswirkungen auf die Finanzmärkte sind nicht neu»
Im Rahmen der Umfrage wurden die Teilnehmer auch gebeten, neben dem Thema «Brexit» weitere geopolitische Risiken zu nennen, die sich auf die Finanzmärkte und Wertpapieranlagen auswirken könnten. Die Investmentmanager nannten dabei vornehmlich Unsicherheiten in Bezug auf die US-Wirtschaftspolitik und die Präsidentschaftswahlen in Frankreich.
Geopolitische Risiken und ihre Auswirkungen auf die Finanzmärkte sind nicht neu. Mit Ausnahme der zwei Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs von 1989 bis zur Finanzkrise 2008 sind entsprechende Risiken eine Konstante. Neu sind aber die Qualität und Breitenwirkung populistischer Bewegungen in den Industriestaaten, wie sie etwa der Bridgewater Developed World Populism Index illustriert (vgl. nachfolgenden Chart).
Wichtig ist, wenn sich entsprechende Anzeichen verdichten, dass Anleger auf die Beratung hochqualifizierter Fachleute zählen können, die sie mit der gebotenen Vorsicht durch unruhige Gewässer lotsen. Oder anders gesagt: Aufgepasst, es stehen turbulente Zeiten an!
Der 50-jährige Christian Dreyer ist seit April 2013 Geschäftsführer der CFA Society Switzerland. Er studierte Staatswissenschaften an der Hochschule St. Gallen (HSG) und hat an der University of Edinburgh einen Master of Laws erworben.
Seine berufliche Laufbahn begann er 1994 als Assistent des CEO bei der sanierungsbedürftigen Solothurner Kantonalbank. Im Jahr 2000 erwarb er die Meriten eines Chartered Financial Analyst (CFA) und wurde Leiter des Investment Research bei der Basler Kantonalbank. Zuletzt arbeitete der gebürtige Basler als Executive Director für J.P. Morgan (Schweiz), wo er für die Beziehungen zu institutionellen Anlegern in der Schweiz und in Liechtenstein verantwortlich war.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Frédéric Papp, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Guido Schilling, Claude Baumann, Adriano B. Lucatelli, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Dan Steinbock, Stephen Dover und Denise Kenyon-Rouvinez.