Sven Württemberger: «Nächster Schritt – Embedded Asset Management»
Die Vermögensverwaltungsbranche steht vor einem digitalen Umbruch – mit neuen Spielregeln, härterem Wettbewerb und geopolitischer Brisanz. Der Chef von DWS Schweiz erklärt, wie sich die Schweiz behauptet, wo Europa aufholen muss – und warum Krypto und Private Markets plötzlich wieder attraktiv sind.
Asset Management als Finanzdisziplin und als Industrie wandelt sich derzeit enorm: Wie nehmen Sie diese Entwicklungen im Tagesgeschäft wahr?
Wir sehen grundlegende Veränderungen und Trends im Kundenverhalten. Dazu kommen neue digitale Technologien. Beides sind Katalysatoren für einen starken Wandel im Asset Management. Wir wollen auf diese primär digital getriebenen Veränderungen die richtigen Antworten finden, und fokussieren uns bei unserer zukünftigen Ausrichtung deshalb auf die Themen Technologie und Daten. Zudem sehen wir zwei grosse Einflussbereiche, die die Industrie nachhaltig verändern. Der erste Bereich ist der Wandel der Branche aufgrund von Trends, die schon seit einer ganzen Weile zu beobachten sind, und die mit Evolution statt Revolution beschrieben werden können. Die prominentesten Beispiele hier: der Trend zum passiven Investieren, das Wachstum im Bereich Alternatives, die Bedeutung von Selbstentscheidern und digitalen Vertriebskanälen, die Rolle von Technologie, der Druck auf die Margen und die Konsolidierung in der Branche durch M&A. Der zweite grosse Einflussfaktor ist das sich rasant wandelnde geopolitische Umfeld, das ein neues Handeln der Branchenakteure erfordert. Die Chance ist da, dass Europa global als Gegenentwurf zu autoritären Regimen an Statur und an Attraktivität gewinnt. In diesen Zeiten braucht es mehr denn je jemanden, der die Perspektiven zusammenbringen kann. Wir nennen diese Fähigkeiten #connecting the dots. In diesem Kontext sehen wir es als grosse Chance und Verpflichtung zugleich, mit unseren Lösungen zur europäischen Transformation privates Kapital nach Europa zu lenken, um hier zu investieren.
Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht eine Insel – oder ein Sonderfall. Gilt das aus globaler Sicht auch für das Schweizer Asset Management?
Ganz und gar nicht, die Schweiz ist aktuell nach verwaltetem Vermögen der drittgrösste Asset-Management-Markt in Europa. Insbesondere die lokale konzeptionelle Kompetenz sowie die enge Verzahnung mit Banken, Wealth Managern aber auch institutionellen Kanälen wie Versicherern und Pensionskassen, die alle eine führende Rolle im europäischen sowie globalen Kontext spielen, schaffen eine ideale Voraussetzung für ein prosperierendes Asset Management. Zudem hat die Schweiz frühzeitig Trends erkannt, wie den Boom beim passiven Investieren, oder in der jüngeren Vergangenheit auch die steigende Nachfrage nach Alternatives. Die hervorragend aufgestellten lokalen Anbieter, aber auch die starke Repräsentanz ausländischer Asset Manager, haben ein Umfeld geschaffen, das in Europa so wohl einzigartig ist. Zudem könnten die aktuellen geopolitischen Unsicherheiten zu weiterer Aufwertung der Schweizer Expertise beitragen. Hohe Qualitätsstandards, Präzision und Zuverlässigkeit – Attribute, die wir gerne auch unter «Swiss Finish» resümieren – sind somit prägend für den andauernden Erfolg des Schweizer Asset Managements. Das bestätigt auch das stete Wachstum der Assets under Management.
«Die Chance ist da, dass Europa global als Gegenentwurf zu autoritären Regimen an Statur und an Attraktivität gewinnt.»
Die Industrie muss massiv in Technologie investieren: Da sind digitale Neuanbieter, die sehr günstig Asset-Management-Dienstleistungen bspw. im Anlagesparen anbieten. Oder coole Apps, über die man per Knopfdruck ein diversifiziertes Anlageportfolio erstellen kann. Wohin müssen sich die grossen Asset Manager entwickeln?
Aus Kundensicht sehen wir insbesondere drei digitale Trends, auf die wir als Asset Manager die richtigen Antworten finden müssen. Erstens: Kunden nutzen zunehmend digitale Kanäle für ihre Investitionen. Die Hürden für selbstgesteuerte Investitionen werden immer niedriger. Zweitens: Fonds werden in Zukunft aufgrund veränderter Kundenanforderungen und neuer Marktteilnehmer entlang der Wertschöpfungskette verstärkt digital vertrieben. Drittens: Kunden nutzen Technologien, um ihre Anlagen zu bündeln und einen ganzheitlichen Überblick über ihr Vermögen zu erhalten. Dem begegnen wir mit unserer Strategie für Asset Management-as-a-Service (SaaS), beziehungsweise eingebetteten Asset-Management-Lösungen. Als B2B-orientiertes Unternehmen wollen wir die Integration unserer Dienstleistungen in die Angebote unserer Vertriebspartner verbessern und suchen zudem nach neuen Partnerschaften entlang der Anlegerreise. Embedded Finance hat sich bereits bei mehreren anderen Finanzdienstleistungen etabliert. Wir glauben, dass Embedded Asset Management der nächste Schritt in dieser Entwicklung sein wird. Wir bauen deshalb in Zusammenarbeit mit ausgewählten WealthTech-Partnern ein modulares und skalierbares SaaS-Angebot auf, das über Application Programming Interfaces (API) integriert werden kann.
Crypto-Anlagen scheinen vor allem die Domäne von US-Asset Managern zu werden. Was tut DWS in diesem Bereich?
Das mag für viele erstaunlich sein, aber tatsächlich war Europa und speziell die Schweiz bei Kryptoanlangen der Vorreiter, die erste Jurisdiktion, in der Kryptowährungs-ETPs zugelassen worden sind. Die ersten Produkte kamen bereits 2015, die ersten physischen ETPs 2018. Der US-Markt für physische Krypto ETPs ist erst im Jahr 2024 entstanden, mit der Genehmigung der US-Spot-Bitcoin-ETFs durch die SEC im Januar 2024. Zuvor gab es lediglich synthetisch hinterlegte US-Bitcoin-ETFs und eher geschlossen-artige Fondsstrukturen. Die USA haben sich aber rasant entwickelt. Bei physischen Krypto-ETPs ist der US-Markt mit 95,8 Milliarden Dollar Assets under Management fast zehnmal so gross wie der europäische. Als DWS haben wir Ende März 2024 gemeinsam mit unserem Partner Galaxy Digital zwei europäische Single-Coin-Krypto-ETCs lanciert, die Investoren 1:1 physisch hinterlegten Zugang zu den zwei grössten Kryptowährungen, Bitcoin und Ethereum und damit einen einfachen, effizienten und verlässlichen Zugang zu der jungen und innovativen Anlageklasse bieten. Zusätzlich haben wir bereits seit einigen Jahren auf der Investment-Seite Erfahrungen im Bereich Kryptowährungs-ETPs sammeln können. So haben wir vor mehreren Jahren bereits damit begonnen, in ausgewählten Fonds, wo dies regulatorisch möglich ist sowie in die Anlagebedingungen und Anlageziele des Fonds passt, Krypto-ETPs als geringe Beimischung hinzuzufügen.
«Hohe Qualitätsstandards, Präzision und Zuverlässigkeit – Attribute, die wir gerne auch unter ‹Swiss Finish› resümieren – sind prägend für den andauernden Erfolg des Schweizer Asset Managements.»
Dafür setzt die Industrie nun auf Private Markets – man wird den Eindruck nicht los, dass dies aufgrund der höheren Margen in dieser Assetklasse geschieht. Wie sehen Sie das?
Wir sind der festen Überzeugung, dass wir im Bereich Private Markets für unsere Kunden attraktive, sinnvolle Anlagemöglichkeiten bieten können, gerade unter den Aspekten Rendite und Diversifikation. Zudem ermöglichen Private-Markets-Angebote Anlegern einen Zugang zu aussichtsreichen Wachstumsmärkten oder auch zu innovativen Technologien. Wie wichtig das Thema für uns ist, zeigt auch unsere jüngste Entscheidung, mit unserer Muttergesellschaft Deutsche Bank strategisch zusammenzuarbeiten. Wir wollen gemeinsam private Kreditvergabe und Investmentmöglichkeiten im Bereich Private Credit entwickeln, um unseren Kunden weltweit zusätzliche Investitionsmöglichkeiten in diesem Bereich bieten zu können. Teil der Kooperation ist, dass wir in Zukunft einen bevorzugten Zugang zu bestimmten Asset-Based-Finance-, Direct-Lending- oder anderen Private-Credit-Möglichkeiten haben werden, die die Deutsche Bank begibt. Dadurch werden wir unseren Kunden weltweit zusätzliche Investitionsmöglichkeiten im Bereich Private Credit anbieten können. Private Credit ist ein wichtiges Angebot für unsere Kunden, die nach Investitionsmöglichkeiten in die Realwirtschaft suchen.
Müssen sich Asset Manager von einer Produktewelt hin zu Lösungswelten entwickeln?
Die DWS hat sich schon immer als Lösungsanbieter verstanden und ist seit jeher im Retail- und Institutional-Bereich breit aufgestellt. Wir bieten ein umfassendes Spektrum an massgeschneiderten Anlagelösungen, die auf die spezifischen Bedürfnisse verschiedener Kundengruppen zugeschnitten sind. Für institutionelle Investoren – Unternehmen, Versicherungen, Pensionskassen, öffentliche Einrichtungen und Finanzinstitute – bieten wir individuelle Anlagestrategien in verschiedenen Anlageklassen, einschliesslich Aktien, Anleihen, Immobilien und alternativen Anlagen. Aber auch Mandate, für die wir beispielsweise in der Region APAC eine starke Nachfrage sehen. Wir planen deshalb, unser massgeschneidertes Mandatsgeschäft dort auszuweiten. Zudem bieten wir outsourced CIO-Dienstleistungen an, für die die Nachfrage ebenfalls beständig steigt. Privatanlegern bieten wir ein breites Spektrum an Publikumsfonds, ETFs, ETCs sowie offenen und geschlossenen Fonds.
Jahr für Jahr verzeichnen ETFs Rekordzuflüsse – und die Margen im Asset Management sinken. Wie geht dies für DWS auf?
Als Anbieter stehen die Bedürfnisse der Anleger für uns im Vordergrund. Diese Bedürfnisse bleiben sehr divers und individuell. Von der anspruchsvollen aktiven Dividenden-Strategie bis hin zum breiten Welt-ETF ist da alles dabei. Als DWS haben wir all das im Angebot – wir haben starke Fonds und ein ebenso starkes passives Segment mit Xtrackers. Wenn sich die Nachfrage in die eine oder die andere Richtung entwickelt, sind wir gut gerüstet.
Sven Württemberger ist CEO bei DWS Schweiz und Head of Client Coverage für die Schweiz und Israel. Vor seinem Wechsel zu DWS hatte er von 2009 bis 2017 verschiedene Positionen bei Blackrock inne, wo er für den Vertrieb in Deutschland und der Schweiz mitverantwortlich war. Von 2006 bis 2009 trug er zur Entwicklung strukturierter Produktlösungen für institutionelle Kunden bei DWS bei und war zuvor für eine internationale Unternehmensberatung tätig. Er besitzt einen MBA in International Finance von der Helsinki School of Economics und der Universität St. Gallen, sowie einen Bachelor-Abschluss in Finance von der Bristol Business School im Vereinigten Königreich.
Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Asset Management Association Switzerland.