Viele Privatbanken wachsen kaum mehr. Sie profitieren bloss noch von der Marktperformance. Dabei gäbe es zahlreiche Möglichkeiten, um Mehrwerte jenseits des Geldes zu schaffen, schreibt Vega Ibanez in ihrem Essay für finews.first.
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
«Das Problem mit dem Private Banking ist, dass es keinen Wert mehr für die Kunden schafft», seufzte mein Bankerkollege bei unserem letzten gemeinsamen Drink, bevor die Bars vor einem Jahr wegen des Lockdowns dicht machten. Für meine Freunde in der Unternehmensberatung hiess das: Freut euch! Warum?
Tatsächlich lebt das Private Banking in einem Traum, wenn es um neue Werte geht, selbst wenn es nach wie vor «gute» Gewinne erwirtschaftet. Ein Blick auf die jüngsten Finanzergebnisse bestätigt denn auch die Einschätzung meines Kollegen. Oder anders gesagt: Während die Vermögen von Privatpersonen ungebremst zulegen, wachsen die Privatbanken (in der Schweiz) nur noch dank der Marktperformance, aber nicht durch die Akquisition neuer Kunden. Nichtsdestotrotz gelten sie immer noch als attraktive Investition – trotz glanzloser Aktienkurse und Dividendenrenditen.
«An dieser Stelle würde mein Bankerkollege bestimmt ungläubig eine Augenbraue heben»
Noch interessanter ist indessen, dass die Gehälter in der Branche unaufhaltsam steigen, was letztlich die Banker selber zu den grössten Nutzniessern ihres Geschäfts macht. Doch Träume dauern nicht ewig und können für die Privatbanken letztlich nur in zwei Richtungen enden. Die Banken können entweder weiterhin dem Schlaf der (Selbst-)Gerechten frönen und nur einen geringen Mehrwert schaffen, oder aber, sie wachen mit einer intensivierten Wertschöpfung auf. Insofern könnte es nun durchaus an der Zeit sein, den Weckruf zu hören. Aber wie?
Eine Möglichkeit wäre, Werte jenseits des Geldes zu schaffen (an dieser Stelle würde mein Bankerkollege bestimmt ungläubig eine Augenbraue heben, während ich unbeirrt fortfahre). Der Zweck des Private Banking ist die Verwahrung, Transaktion und Bemessung von Werten zum Nutzen der Kunden. Einst waren diese Dienstleistungen schwer zu finden, teuer zu erbringen und nur in wenigen Finanzzentren zu haben. Werte und Nutzen wurden in Geld ausgedrückt, und die Bankiers wurden als Teil dieser begüterten Kundendynastien geschätzt.
«Das frass sich ins Herz des Private Banking»
All das koexistierte friedlich, bis das Online-Banking das Investieren für jeden und jede möglich machte – das frass sich ins Herz des Private Banking. Doch die Frage ist durchaus berechtigt: Was ist, wenn der Wert mehr ist als das Geld selbst? Denn heutzutage lassen sich durchaus auch neue Werte definieren, wie Nachhaltigkeit zum Beispiel. Noch konkret: Die Einführung sozialer und ökologischer Ziele erweitert die Definition des Vermögenswertes, der für die Kunden verwaltet wird, und damit auch den Nutzen, der im Gegenzug erwartet wird.
Interessanterweise sind es in diesem Fall die Kunden selber, die eine solche, neue Definition vorantreiben, indem sie darauf bestehen, dass ihre Investition keinen oder den geringstmöglichen Schaden in der Welt anrichten. Und mittlerweile nehmen auch viele Banken das Thema Nachhaltigkeit in ihre Produktpalette auf und können es auf alle ihre Dienstleistungen ausdehnen.
Diese Idee lässt sich noch viel weiter denken: Etwa, wenn die Banken Impact-Kundenberichte einführen, Impact-Kundenprofile anbieten oder ganz einfach Beratung bei Impact-Investments offerieren. Und wenn wir schon beim Fantasieren sind: Wie wäre es mit noch anderen Werten wie Gesundheit, Familienzugehörigkeit oder – mein ganz persönlicher Favorit – Daten?
«Mit solchen Möglichkeiten eröffnen sich innovativen Geldhäusern neue Wege der Wertschöpfung»
Banken sollten sich der Bedeutung ihrer Netzwerke wieder vermehrt bewusst werden. Echte Privatbankiers bieten tatsächlich Dienstleistungen an, die weit über das Investieren hinausgehen, im Prinzip so etwas wie einen Concierge-Service. Finanzinstitute sind allerdings auch keine Inseln. Vielmehr sollten die eigenen Netzwerk noch engmaschicker geknüpft werden, um den Kunden nicht-monetäre Werte zu liefern.
Doch zurück zur Nachhaltigkeit: Wenn Banken Wirkung zeigen wollen, müssen sie verschiedene Arten von Institutionen miteinander verbinden und orchestrieren. Zentral sind dabei Daten, die von internationalen Institutionen stammen, bis hin zu gemeinnützigen Projekten und staatlichen Massnahmen, um beispielsweise den sozialen «Fussabdruck» einer sehr vermögenden Familie genau zu berechnen und zu analysieren.
Mit solchen Möglichkeiten eröffnen sich innovativen Geldhäusern neue Wege der Wertschöpfung. So lassen sich neue Ertragsströme freilegen, die nicht an die übliche Geldvermehrung geknüpft sind, aber auf Dienstleistungen beruhen, für die der Mensch, sofern er sie für wertvoll hält, auch gerne bereit ist, etwas zu zahlen.
Wenn ich so darüber nachdenke, glaube ich, dass mein Bankerkollege wohl noch nicht ganz überzeugt ist von nachhaltigen Investitionen. Aber vielleicht können wir das bald klären, wenn die Bars wieder aufgehen.
Vega Ibanez ist Unternehmensberaterin in der Finanzbranche und lebt in Zürich. Vor dieser Tätigkeit arbeitete sie im Business Development der Bank Julius Bär sowie im Stab des damaligen CEOs. Die gebürtige Spanierin hat Literatur und Spanisch studiert, bevor sie einen Nachdiplomabschluss in Ökonomie erwarb. In ihrer beruflichen Laufbahn arbeitete sie auch als Strategieberaterin für Startups und half beim Aufbau eines Online-Dienstes für Menschen, die eine Krankheit durchmachen.
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