Robo-Advisor werden Bank-Berater ersetzen, meint die Fintech-Szene. Doch die Chancen stehen gut, dass der Kunden-Betreuer gerade wegen der neuen Technologien ein Revival erlebt, schreibt Marc Lussy in seinem Essay.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.


Relationship-Manager sind heute nicht mehr zu beneiden. Einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeitszeit müssen sie für Compliance-Themen aufwenden. Oft wird diese Arbeit vom Kunden jedoch wenig wertgeschätzt.

Das Marktumfeld ist auf Grund der sehr tiefen Zinsen schwierig geworden. Die Anlagevehikel werden komplexer und die Kunden immer anspruchsvoller. Zudem weiss die Klientel dank besserer Ausbildung und dem Internet immer besser Bescheid.

Der Druck auf die Margen steigt. Der Kampf um Neugelder wird immer härter und entsprechend steigt der Druck des Arbeitgebers auf den Berater. Zudem muss dieser sich laufend mit neuen IT-Applikationen auseinandersetzen.

«Nun sollen die Kundenberater durch Roboter wegrationalisiert werden?!»

Während er früher einfach ein Kundenversteher sein durfte, muss er heute zusätzlich Analyst, Akquisiteur und Beinahe-Jurist und IT-Spezialist sein. Und nun sollen die Kundenberater auch noch durch Roboter wegrationalisiert werden?!

Das ist Schwarzmalerei. Denn auch in der Zukunft werden wir von Finanzexperten betreut werden, allerdings werden sie dann wohl nicht mehr im Sold der Banken stehen, sondern unabhängig agieren.

Die Chancen stehen nämlich sehr gut, dass die fortschreitende Digitalisierung dazu führen wird, dass der Berater und die Beraterin sich wieder auf ihre Kernkompetenzen fokussieren können: Das heisst, dem Kunden im Finanzdschungel nach bestem Wissen und Gewissen mit Tat und Rat zur Seite zu stehen.

Auf der einen Seite glauben viele, die heute als Relationship-Manager tätig sind, dass es ihre Stelle auch in Zukunft noch geben wird. Auf der anderen Seite führen die Fintech-Gurus Argumente ins Feld, welche aus ihrer Sicht dafür sprechen, dass der menschliche Kundenberater bei Banken ein Auslaufmodell ist. Wem soll man nun glauben?

«Für den Anlageerfolg stehen sich die Kunden vor allem selbst im Wege»

Beide Seiten dürften teilweise Recht behalten. Es spricht vieles dafür, dass der Trend gerade wegen der Technologisierung vom heutigen Relationship-Manager mit seinem sehr breiten Aufgabenfeld zwar wegführt. Der Job dürfte sich allerdings in Richtung Trusted Partner entwickeln: Dabei handelt es sich um einen Partner, der sich konsequent auf seine Kernkompetenzen ausrichtet und für die Kunden ein enger Vertrauter ja sogar Coach ist.

Es ist also wahrscheinlich, dass das heutige Beraterprofil langsam aber sicher verschwindet. Dass die Berater jedoch mehrheitlich durch Roboter ersetzt werden, daran glaube ich nicht.

Der Finanzsektor ist nicht einfacher sondern komplexer geworden. Für den Anlageerfolg stehen sich die Kunden vor allem selbst im Wege. Die Kunden sind heute zwar besser ausgebildet, schaut man sich Studien an, bewegt sich das Finanzwissen aber noch immer auf einem eher tiefen Niveau.

«Für die Bewältigung all dieser Herausforderungen hilft ein Robo-Advisor wenig»

Die heutigen sehr komplexen Anlageinstrumente, Gebührenstrukturen und neue Paradigmen wirklich zu verstehen, ist eine grosse Herausforderung. Auch aus der grossen Anzahl von Anbietern im Bereich Vermögensverwaltung den optimalen Partner auszuwählen ist eine schwierige Aufgabe.

Für die Bewältigung all dieser Herausforderungen hilft ein Robo-Advisor wenig. Hier öffnet sich aber ein breites Feld für einen Trusted Partner. Ein solcher Partner muss jemand sein, der die Märkte vor allem aber auch den Finanzsektor von innen her kennt. Um die Kundinnen und Kunden unabhängig beraten zu können, darf ein Trusted Partner selbst keine Anlageempfehlung abgeben.

Seine Dienstleistung fokussiert ausschliesslich auf die Entwicklung einer für den Kunden massgeschneiderten Anlagestrategie. Der Trusted Partner unterstützt den Kunden bei der Auswahl der am besten geeignete Bank beziehungsweise des richtigen Asset Managers. Weiter überprüft der strategische Partner danach regelmässig die Portfolios seines Kunden in Bezug auf Risiko, Rendite und Kosten.

«Im Transportsektor zeigt die Firma Uber bereits, wie ein solches Modell funktioniert»

Es gibt bereits Firmen, die dieses Modell konsequent umsetzen, zum Beispiel die Firma «Zwei Wealth Experts» in Zürich Um solche wichtigen Dienstleistungen in einem grossen Rahmen anbieten zu können, vor allem auch durch kleinere Unternehmungen, sind kostengünstige technische Hilfsmittel erforderlich. Auf Grund der Digitalisierung stehen diese nun zur Verfügung

Um dieser neuen Rolle des Trusted Partners wirklich Leben einzuhauchen, und um es erfahrenen Spezialisten – auf selbständiger Basis – zu ermöglichen, auf dieses Jobprofil zu setzen, braucht es kostengünstige digitale Plattformen, welche die entsprechenden Überwachungsfunktionalitäten anbieten.

Im Transportsektor zeigt «Uber» bereits, wie ein solches Modell funktioniert. Im Bereich Trading stellt «Wikifolio» eine spannende Plattform zur Verfügung, die es Händlern erlaubt, durch ihre Leistung zu überzeugen und neue Kunden zu gewinnen.

Im Bereich Asset Management/Robo-Advisory hat dieses Jahr «Descartes Finance» die Bühne betreten. Auch dieser Dienstleister stellt «nur» eine Plattform zur Verfügung. Descartes wählt lediglich die Asset Manager aus, welche den Kunden auf dem Portal ihre Anlage-Expertise anbieten. Mittels eines entsprechenden Algorithmus kann der Kunde dann sein Portfolio online zusammenstellen.

Im Bereich Performance-Überwachung gibt es mit dem Vergleichstool «Performance Watcher» seit einiger Zeit eine entsprechende Plattform. Privatkunden wie auch professionelle Vermögensverwalter stellen hier ihre Performance-Daten täglich anonym zur Verfügung und ermöglichen so den Vergleich mit der Konkurrenz.

«Lange war es ein Tabu, ausserhalb des eigenen Instituts über Performance zu sprechen»

Eine solche Plattform ist für einen Trusted Partner unglaublich wichtig, damit er seine Dienstleistung überhaupt effizient anbieten kann. Denn ein Trusted Partner muss die Vermögensverwalter, die das Geld ihrer Kunden anlegen, täglich mit den Portfolios der Konkurrenz vergleichen, um dann herauszufinden, welcher Verwalter einen richtigen Mehrwert generiert.

Der wichtigste Erfolgsfaktor für den Trusted Partner ist das Vertrauen seiner Kunden. Um dieses Vertrauen zu gewinnen, muss er betreffend der Anlageperformance absolute Transparenz schaffen respektive diese Transparenz dem Kunden verständlich aufzeigen können. Lange Zeit war es ein Tabu, ausserhalb des eigenen Instituts über Performance zu sprechen. Man glaubte auch nicht, dass Transparenz bei der Rendite einem tatsächlichen Kundenbedürfnis entsprechen könnte.

«Da und dort werden wohl auch noch ein paar Mythen zerstört»

Hier hat sich die Ansicht inzwischen bei vielen Finanzmarkt-Experten geändert. So hat sich an einem Anlass vor ein paar Wochen in Zürich der Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, Urs Rohner, klar für mehr Transparenz ausgesprochen. Die Frage, ob Rohner auf einen Knopf drücken würde, der es allen CS-Kunden sofort ermöglicht, ihre Anlageperformance mit Kunden anderer Banken zu vergleichen, beantwortete der oberste CS-Chef mit einem klaren Ja.

Auch Boris Collardi, der CEO von Julius Bär, hat an einem Wirtschaftsforum im März klar durchblicken lassen, dass er Transparenz als Chance sieht. Vielfach sind dies vorerst nur Worte, auf welche die Handlung noch etwas auf sich warten lässt. Dies ist aber verständlich, denn Transparenz wird in der Finanzbranche vieles verändern.

Da und dort werden wohl auch noch ein paar Mythen zerstört. Die positiven Aspekte werden aber stark überwiegen. Die Möglichkeit von Portfolio-Vergleichen könnte in einer ersten Phase bei gewissen Kunden zuerst noch zu einem Erklärungsbedarf führen. Kundenseitige Fragen wie die nun plötzlich zur Verfügung stehenden Informationen gedeutet werden müssen, wird die Nachfrage nach einem Trusted Partner aber stark steigen lassen.

«Das bedeutet die Rückkehr zum Kundenversteher»

Die heutige Situation ist weder für die Kundenberater noch für die Kunden sehr befriedigend. Eine Veränderung drängt sich nur schon deshalb auf. Die Digitalisierung hat das Potenzial diese Veränderung stark zu beschleunigen. Die alten Rollen werden wohl bald der Vergangenheit angehören.

Das bedeutet aber nicht das Ende des Beraters, sondern den Beginn einer neuen Ära, beziehungsweise die Rückkehr zum Kundenversteher oder eben zum hier viel zitierten Trusted Partner, der auf Grund seiner Unabhängigkeit und seines Fokus ausschliesslich im Interesse des Kunden handeln kann.


Marc Lussy hat während zehn Jahren im Börsenhandel und in der Vermögensverwaltung gearbeitet. Danach leitete er bei verschiedenen Banken grosse strategische Change-Management- und IT-Projekte. Seit fünf Jahren ist der ausgebildete Finanzplaner selbständiger Berater für Digitalisierung und seit einem Jahr bei der Firma «Investment by Objective» als Partner tätig.

Als Blogger ist er ein «Fintech-Aficionado» der ersten Stunde. Zudem ist er Gastdozent für Banking, Leadership und Digitalisierung an verschiedenen Hochschulen.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer (zweimal), Oliver Berger, Rolf Banz, Dieter Ruloff, Samuel Gerber, Werner Vogt, Claude Baumann, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Peter Hody, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger und Beat Kappeler, Chris Rowe und Stefan Gerlach.