Verlieren die USA schon heute das letzte Triple-A-Rating?

Schon heute könnte die letzte der drei grossen Agenturen die Note für US-Staatsanleihen senken. Die neue Zollpolitik und die damit verbundenen Unsicherheiten sind aber nicht die Ursachen für die Verschlechterung der Bonität der für das globale Finanzsystem zentralen Akteurin.  

Die Zeiten, in denen die USA uneingeschränkt als Triple-A-Schuldnerin galten, sind schon lange vorbei. Aktuell bewertet nur noch Moody's die für die globalen Finanzmärkte so zentrale Akteurin mit der Bestnote Aaa. Die beiden anderen grossen Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch haben das Triple-A schon 2011 bzw. 2023 entzogen. Ihr Rating steht seither auf AA+.

Doch nun könnte sehr bald auch das Triple-A von Moody's fallen, mutmassen die Bonitätsanalysten von Independent Credit View (I-CV) in einem am Freitagnachmittag publizierten «Credit Insight» und werden auch konkret: Es könnte schon heute Freitagabend soweit sein.

Terrain für Rückstufung vorbereitet

Für ihre Prognose haben sie einige belastbare Argumente. Erstens hatte Moody's den Ausblick für das Rating bereits im November 2023 mit einem negativen Ausblick versehen – und diesen März bereitete die Agentur mit einem kritischen Bericht das Terrain für eine Rückstufung der USA gewissermassen weiter vor. Zweitens böte die Woche mit dem Trump-Crash, der auch den Markt für US-Staatsanleihen (Treasuries) durchgeschüttelt hat (was den Präsidenten wohl zum Aufschub eines Teils der Zölle gebracht haben dürfte), genügend Gründe, weshalb ein Downgrade gerade jetzt richtig wäre. Drittens ist der Schritt gemäss I-CV sowieso «längst überfällig», und viertens publiziert Moody's die Resultate von Ratingüberprüfungen gewöhnlich Ende Woche.

I-CV ist bezüglich der Bonität des weltweit wichtigsten Staatsschuldners schon lange noch kritischer und gesteht den USA nur noch ein AA– zu.

Die Zollpolitik wäre aber bloss der Auslöser und nicht der Grund für die Rückstufung; ausschlaggebend ist vielmehr die langjährige Schuldenwirtschaft.

«Unabhängig von Partei oder Präsident»

Oder wie es I-CV formuliert: «Die anhaltende Verschlechterung der Fiskalpolitik mit massiven Defiziten, einer hohen und schnell steigenden Verschuldungsquote und steil zunehmender Zinsbelastung sorgt für eine brüchige Basis des hohen Ratings. Die Politik, unabhängig von Partei oder Präsident, umschifft das Thema der Haushaltskonsolidierung im Wahlkampf seit Jahren elegant. Eine Bereitschaft, dem entgegenzuwirken und das Land auf einen nachhaltigeren Kurs zurückzuführen, ist nicht erkennbar.»

Konsequenz davon: Die Verschuldung steigt weiter an. Das von den Ratingagenturen und auch vielen Ökonomen bemühte Argument, wonach die überragende Rolle des Dollars das Rating stütze, vermag I-CV nicht zu überzeugen.

Was Bondinvestoren beachten müssen

Die Folgen einer Rückstufung sollten nicht nur die Bondinvestoren interessieren. Denn über Pensionskassen und Versicherungen sind die meisten Schweizer und Schweizerinnen in Obligationen investiert, auch wenn sie das Instrument gar nicht kennen.

  • Die Renditen langlaufender US-Staatsanleihen könnten weiter steigen. Dies erhöht die Refinanzierungskosten für Hausbesitzer, Konsumenten, Unternehmen und andere Staaten.
  • Anleger mit der Anforderung Triple-A müssen umschichten. Dies kann zu Abflüssen aus Treasuries und temporären Marktturbulenzen führen.
  • Umschichtungen in die verbliebenen Triple-A-Länder Deutschland, Schweiz, Schweden, die Niederlande oder Australien. Die Folge wären sinkende Renditen und eine Aufwertung ihrer Währungen zum Dollar.
  • Mit Triple-A bewertete internationale Organisationen wie die Europäische Investitionsbank, die Weltbank oder die EU könnten als Alternativen verstärkt in den Fokus rücken.

Der (zu) lange ziemlich gutmütige Bondmarkt sei nun aufgewacht, hält René Hermann, Senior Partner bei I-CV und Autor des «Insight», gegenüber finews.ch fest. Doch nun sei der Markt durchgerüttelt worden.

Dass Donald Trump es geschafft hat, dass die Bond Vigilantes, die Wächter am Anleihenmarkt, auch in den USA wieder auf Defizite und auf die Verschuldung reagieren, ist ein zumindest ordnungspolitisch grundsätzlich erwünschter Nebeneffekt einer ausgesprochen turbulenten Woche.

Der letzte (fiskalpolitisch) solide Präsident: Bill Clinton

Wahrscheinlich hat der Präsident auch am US-Staatsanleihenmarkt als Katalysator gewirkt, der ohnehin laufende Entwicklungen und sich abzeichnende Ereignisse beschleunigt hat. Auch die Schuld am Entzug des letzten Triple-A trüge er nicht allein. Seine Vorgänger wären dafür mindestens so sehr verantwortlich.

Der letzte US-Präsident, der fiskalpolitisch vernünftig handelte, war Bill Clinton, wie Trump ebenfalls eine durchaus schillernde Persönlichkeit. Damals sorgte man sich sogar darum, dass der US-Staatsanleihenmarkt aufgrund der sinkenden Verschuldung mangels Nachschub «austrocknen» würde; zumindest ein Kummer, den man heute nicht haben muss.