Das Interesse an alternativen Staatsbürgerschaften von Menschen aus Schwellenländern und politisch unsicheren Ländern ist seit je gross. In jüngster Zeit jedoch hat sich vor allem die Nachfrage von Staatsangehörigen aus entwickelten Ländern markant erhöht, wie Christian Kälin auf finews.first feststellt.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen


Den besten Beweis für den Nutzen mehrerer Staatsbürgerschafts- oder Wohnsitzoptionen lieferte Europas kompletter Zusammenbruch des «grenzenlosen» Schengen-Raums während des Lockdowns im vergangenen Jahr; bemerkenswert war zuletzt auch die Entscheidung Australiens, seinen eigenen Bürgern, die aus Indien zurückkehren wollten, die Rückkehr zu verweigern.

Kurzum: Die bereits in den vergangenen zwei Jahrzehnten stetig gewachsene Attraktivität der sogennanten Investitionsmigration erlebte seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie einen neuen Höhepunkt. Während das Interesse von Bürgern aus Schwellenländern und politisch unsicheren Ländern an alternativen Staatsbürgerschaften schon lange sehr gross war, entwickelte sich die Nachfrage aus entwickelten Ländern wie Australien, Kanada, Grossbritannien und den USA sowie einiger EU-Mitgliedsstaaten in jüngster Zeit geradezu rasant nach oben.

«Dieser Trend veranlasst noch mehr Investoren dazu, einen Plan B und sogar C und D aufzustellen»

Bemerkenswert ist das enorme Wachstum in den USA: 2020 registrierten wir 207 Prozent mehr Anfragen von US-Bürgern im Vergleich zu 2019, mit +47 Prozent und +41 Prozent entwickelten sich auch die Anfragen von kanadischen respektive australischen Bürgern steil nach oben; unter den Briten stiegen die Anfragen nach dem Brexit um 31 Prozent. Das sind alles Anzeichen dafür, dass wohlhabende, international orientierte Menschen und Familien immer häufiger und äusserst aktiv nach alternativen Wohnsitzen Ausschau halten.

Die Anfragen steigen auch dieses Jahr weiter an, und ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend noch eine Weile fortsetzen wird, da die politische und wirtschaftliche Unsicherheit, die sich durch Covid-19 verstärkt hat, noch mehr Leute dazu veranlassen wird, einen Plan B und sogar C oder D aufzustellen.

«Die Investmentmigration zu einer eigenständigen Anlageklasse herangereift»

Die aussergewöhnlichen Ereignisse seit Beginn dieses Jahrzehnts haben gleichzeitig sogenannte Push-Faktoren wie die politische und wirtschaftliche Instabilität verschärft; gleichzeitig werden Pull-Faktoren wie Stabilität, Sicherheit sowie der Zugang zu alternativen Domizilen mit erstklassiger Infrastruktur und Gesundheitsversorgung immer stärker priorisiert. Insofern gab es schon vor der Pandemie entsprechende Entwicklungen. Das wiederum führt dazu, dass die Investmentmigration zu einer eigenständigen Anlageklasse herangereift ist.

Alternative Wohnsitze oder Staatsbürgerschaften werden mittlerweile nicht nur mit der Bequemlichkeit des Reisens oder mit dem Erwerb eines Zweitwohnsitzes in Verbindung gebracht, sondern sind eine wertvolle Option als Zugang zu globalen Investitionen und Geschäften sowie zur Gewährleistung internationaler Optionalität, zur Sicherheit und für das Vermächtnis ganzer Familien betrachtet.

Aufmerksame Anleger haben inzwischen auch klar erkannt, dass eine gewisse Diversifikation für die Lebensstil-Planung ebenso relevant ist wie für die Vermögensverwaltung. Die Streuung von Vermögenswerten über eine Reihe von Märkten und Gerichtsbarkeiten bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, im Laufe der Zeit Renditen zu erzielen, höher ist als die Absicherung von Wetten auf nur ein Land – selbst wenn es sich dabei um eine weltweit führende Nation handelt.

Monatelang eingesperrt, suchten vermögende Privatpersonen gerade in jüngster Zeit nach Möglichkeiten, um sich den Zugang zu anderen Ländern zu sichern, von wo aus sie ihre Geschäfte weiter betreiben konnten. So führten und führen sie ein qualitativ besseres Leben an Orten, an denen sie und ihre Familien sich sicherer fühlen.

«Je mehr Zugangsrechte eine Familie besitzt, desto diversifizierter ist deren Vermögen»

Optionen zu haben, ist zu einer Versicherungspolice für jede wohlhabende Familie im 21. Jahrhundert geworden. Der Erwerb eines alternativen Wohnsitzes oder einer Staatsbürgerschaft ermöglicht grössere Flexibilität und den Zugang zu den führenden Volkswirtschaften dieser Welt.

Im aktuellen Kontext ist es entscheidend, Portfolios zu entwerfen, die das juristische Risiko in Bezug auf persönliche Zugangsrechte sowie Finanz- und Immobilieninvestitionen diversifizieren. Je mehr Zugangsrechte eine Familie besitzt, desto diversifizierter ist deren Vermögen, und desto geringer ist ihre Anfälligkeit für länderspezifische, regionale und globale Volatilität.

In Kombination mit dem über ein Jahrzehnt andauernden Wirtschaftswachstum ist die Investitionsmigration zu einer gängigen Beratungsdienstleistung für vermögende Familien, internationale Investoren und Unternehmer avanciert.


Christian Kälin, Verwaltungsratspräsident von Henley & Partners, gilt als einer der weltweit führenden Experten für Investment-Migration und Citizenship-by-Investment, beides Bereiche, in denen er Pionierarbeit geleistet hat. Er besitzt einen Master und einen Doktortitel in Rechtswissenschaften der Universität Zürich. Ausserdem berät er Regierungen und internationale Organisationen in Immigrationsfragen. Er ist Autor, Co-Autor sowie Herausgeber verschiedener Fachpublikationen.


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