Credit Suisse: Ex-Verwaltungsrätin im Tal des Schweigens

Die Verhaltensökonomin Iris Bohnet gehörte über zehn Jahre lang dem Verwaltungsrat der Credit Suisse an. In einem grossen Interview mit der NZZ gibt sie sich zu dem Thema allerdings bemerkenswert schmallippig.

Die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) hat am Dienstag ein ausführliches Interview mit der Professorin und Verhaltensökonomin Iris Bohnet publiziert. Die beiden Journalistinnen Christin Severin und Aline Wanner haben die Inhaberin der Albert-Pratt-Professur of Business and Government an der Harvard Kennedy School auch zum Untergang der Credit Suisse befragt. Bohnet gehörte dem Verwaltungsrat der Bank von 2012 bis zu deren Untergang im Jahr 2023 an.

Als Verhaltensökonomin hätte sie sicherlich interessante Beobachtungen direkt aus dem Auge des Orkans beisteuern können. Die Interviewte zeigte sich bei diesem Thema allerdings gar nicht gesprächig:


Als Verwaltungsrätin der Credit Suisse waren Sie Mitglied des Vergütungsausschusses. Würden Sie die Vergütungen von damals heute wieder akzeptieren?

Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.

Warum nicht?

Ich kann dazu nichts sagen.

Als ehemalige Verwaltungsrätin können Sie nichts dazu sagen?

Nein. Ich kann dazu nichts sagen.

Wir finden es schwierig, mit Ihnen über Fairness und Diversität zu reden und Ihre Erfahrungen bei der Credit Suisse auszublenden. Es ist auch eine Gelegenheit, Ihre Sicht der Dinge darzulegen.

Es ist mir wichtig, etwas zu Dingen sagen zu können, die für die Welt wichtig sind. Aber ich spreche nur als Wissenschaftlerin.

Eine Fehlerkultur zu leben, hat das nicht auch mit Fairness zu tun?

Ich kann Ihnen dazu nichts sagen.

Uns interessieren nicht nur akademische Fragen, sondern auch die reale Welt. Aus Schweizer Sicht ist es nicht verständlich, wenn der gesamte Verwaltungsrat einer Grossbank auf Tauchstation geht.

(Bohnet schweigt.)


Die Passage wirft interessante Fragen auf: Ist aus Sicht der ehemaligen Verwaltungsrätin der Niedergang der Credit Suisse für die Welt nicht «wichtig»?

Und wie konnte der im Umgang mit den Medien durchaus geübten Professorin dieses kommunikative Missgeschick unterlaufen?

Die NZZ ist dafür bekannt, dass sie im Vornherein keine Fragen oder Themen bei Interviews ausschliesst, selbst wenn ein Interviewpartner dies wünscht.

Bohnets Nicht-Antworten haben nach Einschätzung von Kommunikationsexperten aber wahrscheinlich auch einen juristischen Hintergrund. Den ehemaligen Verwaltungsräten ist es vermutlich im Zuge der Übernahme durch die UBS untersagt worden, sich zu spezifischen Themen der Credit-Suisse-Vergangenheit zu äussern.