Um Beziehungen aufzubauen – oder nicht zu zerstören – und Karrierechancen intakt zu halten, müssen heutige CEOs die Kunst der diplomatischen Kommunikation beherrschen, schreibt Brigitte Kaps in ihrem Beitrag für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


«Takt ist die Kunst, einen Erfolg zu erzielen, ohne sich einen Feind zu machen.» Die Aussage von Mathematiker und Physiker Isaac Newton hat ihre Gültigkeit über die Jahrhunderte nicht verloren. Auch auf die Kommunikation von Führungskräften trifft sie zu. Um Beziehungen aufzubauen (oder nicht zu zerstören) und Karrierechancen intakt zu halten, müssen heutige CEOs die Kunst der diplomatischen Kommunikation beherrschen. Unternehmensführer, auf die das zutrifft, sind beispielsweise Changpeng Zhao (Binance), Tim Cook (Apple) oder Travis Kalanick (Uber).

Dass Kommunikation alles ist, weiss man in der Politik schon seit jeher. So zum Beispiel bei John F. Kennedy, der nichts weniger einen Atomkrieg abwenden konnte, weil er nicht nur geduldig und vorsichtig verhandelte, sondern Verständnis zeigte für die Gegenseite und auch zu Kompromissen bereit war. Das Gegenbeispiel lieferte ein paar Jahrzehnte später Donald Trump, der sich keinen Deut um die Wirkung seiner Worte scherte und damit oft auch die eigenen Leute brüskierte.

«Diplomatie stirbt nie»

Sogar in Kriegszeiten, in denen Themen wie militärische Manöver, Waffenlieferungen oder humanitäre Hilfe dominieren, bleibt Kommunikation unerlässlich. Oder in den Worten der deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock: «Diplomatie stirbt nie.»

Bestseller-Autor und Speaker Stephen M. R. Covey vertritt die These, dass sich das Vertrauen in Führungskräfte mit der Pandemie verändert habe. Er sieht eine aktive Kluft zwischen dem, was CEOs sagen, und dem, was sie meinen. Daher sei es schwieriger geworden, ihnen zu vertrauen. Das ist eine mittlere Katastrophe, denn das Vertrauen der Mitarbeitenden ist zwingende Voraussetzung für Erfolg. Entsprechend sollte es eine der wichtigsten CEO-Prioritäten sein, dieses Vertrauen zu gewinnen.

Das geschieht nicht, ohne etwas dafür zu tun. CEOs müssen zuhören und in der Lage sein, ihr Gegenüber abzuholen. Gleichzeitig müssen sie Pflichten verteilen und Entscheidungen treffen, die von möglichst viele Beteiligten getragen werden. Dies ermöglicht es, Probleme tatsächlich zu verstehen, bevor sie gelöst werden – nur so gewinnt man das Vertrauen sämtlicher Stakeholder.

«Auch in schwierigen Zeiten müssen CEOs ihre Reaktionen kontrollieren und steuern»

Gute Diplomatie braucht Einfühlungsvermögen, Menschenkenntnis und Geduld im Umgang – und am wichtigsten: Wertschätzung gegenüber anderen Menschen. Nur wer andere wertschätzt, hat eine Basis, selbst echte Wertschätzung zu erfahren.

CEOs sind Gesicht und Stimme des Unternehmens, sie verkörpern die Marke. Das hat zur Folge, dass jede ihrer Handlungen das Image des Unternehmens beeinflusst. Dazu gehört auch respektive gerade der Umgang mit sensiblen Themen wie Diversity und Gleichstellung, die viel ethische Kompetenz und Diplomatie erfordern. Auch in schwierigen Zeiten müssen CEOs ihre Reaktionen kontrollieren und steuern, um Image und Erfolg des Unternehmens nicht zu gefährden. Wutausbrüche, Provokationen oder starke zu Meinungen gehören der Vergangenheit an. Besonders dann, wenn die Stimmung eh schon aufgeheizt ist.

Diplomatisch agierende CEOs verstehen zudem den Unterschied zwischen Fakten und Emotionen sowie Meinungen und Gefühlen. Alle sind wichtig und müssen gehört werden, aber letztlich gilt: Fakten sind Fakten. Selbstbewusste und emotional agile Menschen erkennen die Legitimität ihrer Gefühle und Emotionen (und diejenigen anderer Menschen) an. Dabei vergessen sie aber nie, dass sie ihre Empfindungen niemals mit Fakten verwechseln sollten.

«Der Grat, auf dem man wandelt, ist nicht selten schmal»

Beziehungen, sei es zwischen Ländern oder Arbeitskollegen, erfordern Diplomatie und Taktgefühl. Nur so können sie wachsen, sich verbessern und letztlich helfen, schwierige Situationen für alle Beteiligten vorteilhaft zu lösen. Ein wichtiger Teil der diplomatischen Kommunikation besteht darin, sich selbst zurückzunehmen. Das bedeutet einerseits, eigene Fehler einzugestehen, und anderseits, anderen die nötige Anerkennung zu zollen. Solcherlei Verhalten führt zu Loyalität und einem Gefühl der gemeinsamen Ziele – und letztlich zu einem erfolgreichen Unternehmen.

In jedem Unternehmen gibt es immer wieder schwierige Situationen oder gar offene Konflikte. In diesen Fällen liegt es am Management respektive am CEO, die Gemüter mit einer breit akzeptierten Lösung zu beruhigen. Der Grat, auf dem man wandelt, ist nicht selten schmal. Denn nach Möglichkeit soll niemand brüskiert oder bevorzugt werden, doch noch wichtiger ist, dass die für das Unternehmen bestmögliche Lösung gefunden wird.

«Diese Fähigkeiten fallen nicht vom Himmel und auch an der Universität stehen sie selten auf dem Lehrplan»

Dazu muss in einer Art kommuniziert werden, die den Überzeugungen der Organisation entspricht. Ehrlich, aber nicht brutal. Taktvoll, aber nicht hinterhältig. Bestimmt, aber nicht gnadenlos. Oder halt eben «diplomatisch». Nur so schaffen es Führungskräfte, schwierige Situationen in einer unberechenbaren Welt zu bewältigen und zu lösen.

Diese Fähigkeiten fallen nicht vom Himmel und auch an der Universität stehen sie selten auf dem Lehrplan – diplomatische Kommunikation will gelernt und geübt werden. Es ist ein Handwerk, für das die einen etwas mehr Talent mitbringen, die anderen etwas weniger. Aber für die allermeisten gilt: Es ist lernbar.


Brigitte Kaps ist CEO und Gründerin der Firma Executive PR. Sie verfügt über einen Master of Advanced Studies in Business Communications (HWZ, MAZ & LSE) und ein Studium der Kommunikationswissenschaften der FH Frankfurt am Main. Sie bringt fast 20 Jahre internationale Berufserfahrung in Führungspositionen bei Auslandsbanken (ABN Amro, GE, RBS) mit. Bevor sie sich 2015 selbständig machte, leitete sie als Mitglied der Geschäftsleitung die Unternehmenskommunikation der Cembra Money Bank (ehemals GE Money Bank).


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