Waldimir Putin ist mit seinem Angriffskrieg gegen die souveräne und demokratische Ukraine offenbar bereits gescheitert. Er habe sich praktisch auf der ganzen Linie verkalkuliert – militärisch, politisch, ökonomisch und finanziell, schreibt Beat Wittmann in seinem Essay auf finews.first.
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen
Der russische Führer eskaliert seine Kriegsführung Schritt für Schritt und dies gemäss der traditionellen russischen Angriffs-Militärdoktrin aus dem Kalten Krieg – Feuer und Zerstörung der Städte und kritischer ziviler Infrastruktur mit Luftwaffe, Artillerie und Panzern, gefolgt von Bodentruppen, um alle zu töten, unabhängig von Nationalität und Ethnizität.
Mit jedem Tag und jeder Woche, da dieser Krieg fortdauert, fällt Wladimir Putin tiefer und härter, und die Position Russlands in der Welt wird isolierter und katastrophaler. Ich sehe drei Szenarien, wie Putins Krieg enden wird:
1. Wladimir Putin wird neutralisiert und Russland zieht sich zurück
Der russische Präsident wird durch seinen eigenen inneren Machtkreis neutralisiert und in Moskau oder in Den Haag vor Gericht gestellt. Dies weil es zunehmend klar wird, dass dem herrschenden Regime nicht eine glorreiche imperiale Renaissance bevorsteht, sondern Isolation, Ruin und Machtverlust, und zwar persönlich sowie kollektiv.
Allerdings wird es nicht damit getan sein Putin durch den nächsten Autokraten zu ersetzen. Der Rote Platz wird keine Maidan-Freiheit und Demokratie sehen, ohne dass der Kreml sein totalitäres System abschafft.
Die Chance, dass dies geschieht, ist allerdings ziemlich gering und wohl mit 10 Prozent bis 15 Prozent Wahrscheinlichkeit einzuschätzen. Die internationalen Aktienmärkte würden sich bei einem solchen Szenario massiv erholen, allen voran die europäischen.
2. Russische Eskalation – Nato-Engagement
Es wird an allen Fronten militärisch eskaliert, und die russischen Streitkräfte setzen radikal und undifferenziert alle verfügbaren Mittel und Methoden ein, um ihre Ziele zu erreichen. Es werden zunehmend Kriegsverbrechen begangen, und die Zahlen der Gefallenen, Flüchtlinge und Vertriebenen steigen rasch und massiv.
Die Reaktion des Westens besteht darin, die Sanktionen stetig zu verschärfen und zwar – ähnlich wie mit Nordkorea – ein totales Embargos aller russischen Güter zu erlassen und gleichzeitig die Lieferung von mehr und schwereren Rüstungsgütern und Waffen an die Ukraine zu beschleunigen.
Es ist eine Frage von Tagen, vielleicht weniger Wochen bis die öffentliche Stimmung im Westen in Richtung eines militärischen Engagements kippen könnte, was dann die Errichtung einer «No-Fly»-Zone über der Ukraine durch die Nato bedeuten könnte.
Putin könnte dann in Russland das Kriegsrecht verhängen, um dadurch auch eine möglicherweise rasch wachsende russische Opposition seines Angriffskrieges unter Kontrolle zu behalten.
Ich würde einem solchen Szenario eine Wahrscheinlichket von 45 Prozent bis 55 Prozent zuordnen. Aus Investmentsicht bleiben die Kapitalmärkte unattraktiv mit signifikantem Verlustpotenzial und die Weltwirtschaft mit zunehmenden Rezessionsrisiken behaftet. Die Anlagefavoriten blieben in dem Fall der Energie- und Rüstungssektor; Lateinamerika und der Nahe Osten würden von der umgelagerten Nachfrage nach Rohstoffen profitieren.
3. Ost- und West-Ukraine geteilt durch den Dnjepr
Es ist unwahrscheinlich, dass es Putin gelingen wird, die Ukraine militärisch vollständig zu erobern und zu besetzen. Denkbar ist allerdings, dass – falls es den Russen gelingen sollte – die Hauptstadt Kiew einzunehmen, Putin sich zum Sieger proklamiert und seinen Vormarsch stoppt und sich dann auf das Gebiet östlich des Dnjepr beschränkt. Damit würde er die Ukraine de facto in einen russisch-besetzten Osten und einen freien, unabhängigen Westen trennen.
Ich sehe die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios bei 30 Prozent bis 40 Prozent. In vielerlei Hinsicht würde die Welt damit eine historische Neuauflage der Nord-/Südkorea- und Ost-/Westdeutschland-Situation erleben – oder in anderen Worten: den Kalten Krieg 2.0.
Eine weitere direkte Konsequenz wäre, dass EU und Nato direkt an den Westen eines wirtschaftlich strukturell geschwächten Russlands grenzen würden – und Russland sich in die Rolle eines Juniorpartners und Lieferanten Chinas für Energie und Rohstoffe entwickelte. Die Kapitalmärkte würden weiterhin auf einer Achterbahn bleiben, mit selektiven Opportunitäten bei Kurschwächen.
Und Putin? Alle drei Szenarien werden zum Resultat haben, dass früher oder später der Name Putins auf dem Grabstein vergangener sowjetischer und zaristisch-imperialer Ambitionen eingraviert sein wird.
Beat Wittmann ist seit mehr als sechs Jahren Chairman und Partner der in Zürich ansässigen Finanzberatungs-Gesellschaft Porta Advisors. Der Bündner blickt auf eine mehr als 30-jährige Karriere im Schweizer Bankwesen zurück, die ihn unter anderem zu den Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie zu Clariden Leu und Julius Bär führte. Von 2009 und 2015 war er zunächst selbständig und danach für die Schweizer Raiffeisen-Gruppe im Asset Management tätig.
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