Viele Top-Manager brüsten sich damit, wie wenig Schlaf sie brauchen. Doch damit liegen sie eindeutig falsch, wie Claudia Kraaz in ihrem Essay auf finews.first schreibt.
Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.
Viele Top-Manager brüsten sich damit, wie wenig Schlaf sie brauchen. So schläft Ex-CS-Chef Brady Dougan nur vier bis fünf Stunden pro Nacht. Und Apple-CEO Tim Cook beginnt seinen Tag bereits um 3.45 Uhr. Schon Napoleon, der selber nur etwa vier Stunden pro Nacht schlief, meinte, dass nur Dummköpfe und Kranke mehr Schlaf bräuchten.
Aber sie alle lagen respektive liegen falsch: Erwachsene brauchen im Durchschnitt sieben bis acht Stunden Schlaf (je nach Studie…), um sich wirklich zu erholen. Doch leider halten wir uns nicht immer daran, ja immer weniger.
Die durchschnittliche Schlafdauer ist in den vergangenen zwanzig Jahren um rund eine Stunde zurückgegangen – mit Folgen für unsere Gesundheit und unsere Leistungsfähigkeit. Jens Acker von der Klinik für Schlafmedizin in Zurzach Bad erklärte vor ein paar Jahren gegenüber der «NZZ»: «Nur rund 5 Prozent kommen mit weniger Schlaf als sechs Stunden aus und alles unter fünf Stunden ist biologisch ungesund.»
«Wir verbrauchen im Schlaf gleich viel Energie wie im Wachzustand»
Wieso ist das der Fall? Schlafen heisst nicht inaktiv sein. Zwar werden der Herzschlag und der Blutdruck heruntergefahren, aber der Organismus ist hochaktiv. Wir verbrauchen im Schlaf gleich viel Energie wie im Wachzustand, einfach für andere Aktivitäten. Das Gehirn verarbeitet, was am Tag passiert ist, und baut schädliche Abfallprodukte ab – räumt also auf und macht sauber.
Das Gedächtnis verlagert Daten vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis, und es werden neue Verbindungen zwischen den Hirnzellen erstellt, was uns ermöglicht, Zusammenhänge zu erkennen. Das erleichtert das Lernen. Man schöpft mentale Kraft und ist konzentrierter. Schlafen macht also schlau und leistungsfähig. Ausserdem arbeitet auch das Immunsystem mit voller Kraft. Es werden im Schlaf besonders viele Stoffe ausgeschüttet, die die Immunabwehr steigern.
«Die Gereiztheit steigt, wenn Sie einmal nicht gut geschlafen haben»
Die Fakten sprechen also für sich. Doch leider steht es nicht gerade gut um die Qualität des Schlafs in unseren Breitengraden. Die schweizerische Gesundheitsbefragung aus dem Jahr 2017 hat ergeben, dass 27,9 Prozent der Männer und sogar 40,4 Prozent der Frauen unter Ein- oder Durchschlafstörungen leiden. In schwierigen beruflichen Situationen, die ja nicht so selten sind, leiden sogar 81 Prozent aller deutschen Führungskräfte an Schlafstörungen.
Welche konkreten negativen Auswirkungen hat denn ein chronisches Schlafmanko? Da die schädlichen Abfallprodukte im Hirn nicht genügend abgebaut werden, kann man weniger gut Informationen verarbeiten und ist weniger konzentriert. Die Problemlösungsfähigkeit und die Kreativität werden beeinträchtigt.
Man ist emotional weniger stabil und deshalb weniger gelassen. Die Gereiztheit steigt, wie Sie sicher selber schon erfahren haben, wenn Sie einmal nicht gut geschlafen haben.
«Wer weniger als sechs Stunden pro Nacht schläft, hat ein deutlich höheres Burnout-Risiko»
Die Klinik für Neurologie der Universität Zürich hat zudem festgestellt, dass bei chronischem Schlafmangel systematisch höhere Risiken in Kauf genommen werden – nicht gerade ideal im Geschäftsleben. Die verminderte Funktionsfähigkeit der Immunabwehr führt zu mehr Infekten. Zudem kann ein chronisches Schlafmanko ernsthafte Gesundheitsfolgen haben wie einen Herzinfarkt, einen Hirnschlag oder Diabetes.
Was weniger bekannt ist: Schlaflosigkeit macht auch dick, weil man mehr isst und weniger verbrennt, da der Stoffwechsel sich verlangsamt. Ausserdem geht die Muskelmasse zurück. Schätzungen gehen davon aus, dass bei 20 Prozent der schweren Verkehrsunfälle Übermüdung eine entscheidende Rolle spielt. Und wer weniger als sechs Stunden pro Nacht schläft, hat ein deutlich höheres Burnout-Risiko.
«Schlafmangel kostet die Schweizer Volkswirtscahft fünf bis acht Milliarden Franken»
Schon nach einer Woche mit zu wenig Schlaf verhält man sich so, wie wenn man ein Promille Alkohol im Blut hätte – keine ideale Voraussetzung, um effizient und effektiv arbeiten zu können. Kein Wunder, gehen Schätzungen davon aus, dass Schlafmangel die Schweizer Volkswirtschaft fünf bis acht Milliarden Franken kostet, Deutschland rund 57 Milliarden Euro und die USA sogar über 400 Milliarden Dollar.
Machen Sie es also wie Jeff Bezos, Warren Buffett, Sheryl Sandberg und Bill Gates und setzen Sie auf die reinigende Wirkung von genügend Schlaf.
Mit ihrem Unternehmen «Stress and Balance» ist Claudia Kraaz seit viereinhalb Jahren selbständig. Sie ist als Führungs- und Stress-Coach tätig und gibt Vorträge und Workshops zu den Themen Resilienz, Stress und Burnout. Zuvor war sie während 13 Jahren in leitenden Funktionen in der Unternehmenskommunikation tätig, unter anderem bei der Zurich Insurance Group, der Swica Gesundheitsorganisation sowie bei der Zürcher Privatbank Vontobel. Als stellvertretende Kommunikationschefin der Credit Suisse und weltweite Medienchefin war sie mehrere Jahre für die Beratung des damaligen Konzernchefs Oswald Grübel und anderer Spitzenleute verantwortlich und hat selber 50 Mitarbeitende geführt.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Didier Saint-Georges, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Katharina Bart, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Beat Wittmann, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Ralph Ebert, Marionna Wegenstein, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Claudia Kraaz, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Claude Baumann, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Karin M. Klossek, Michael A. Welti, Christina Böck, Michel Longhini, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody und Ursula Finsterwald.