Die Invasion in der Ukraine wird Russland in eine Rezession treiben und seine Aussichten kurz- und langfristig unterminieren, schreibt Stéphane Monier in einem Essay auf finews.first.
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen
Der Krieg in der Ukraine verändert die geopolitische und wirtschaftliche Landschaft, mit tiefgreifenden Folgen für das globale Wachstum und die Märkte. Exakt 23 Jahre nach seiner Machtübernahme im Kreml scheint Präsident Wladimir Putin bereit zu sein, Russlands Wirtschaft aus geopolitischen Gründen zu lähmen. Innerhalb weniger Tage hat die EU eine jahrzehntelange Verteidigungs- und Energiepolitik über den Haufen geworfen, um mit beispiellosen Sanktionen zu reagieren. Die Invasion wird Russland in die Rezession treiben und seine Aussichten kurz- und langfristig unterminieren.
Nach wochenlangen Dementis westlicher Geheimdienstberichte hat Präsident Putin den grössten konventionellen Krieg in Europa seit 1945 begonnen, mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht und Weissrussland als Basis genutzt, von der aus der nördliche Arm der Invasion in der Ukraine gestartet wurde. Der russische Präsident bezeichnete die Invasion als eine «spezielle Militäroperation» zur «Entmilitarisierung» der Ukraine. Die ukrainischen Streitkräfte wehren sich jedoch weiterhin und mobilisieren Reservisten, um Widerstand zu leisten und die Invasion zu verlangsamen.
«Die EU, die USA und ihre Verbündeten haben die Sanktionen in dieser Woche kontinuierlich verschärft»
Die Ukraine erlangte ihre Unabhängigkeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor dreissig Jahren. Während sich die Welt auf die Bekämpfung der Covid-Pandemie konzentrierte, begann Putin im Frühjahr 2021 damit, russische Streitkräfte an den Grenzen der Ukraine aufzustellen. Er argumentierte, dass die Ukraine aufgrund ihrer gemeinsamen Identität und Geschichte untrennbar mit Russland verbunden sei, und wandte sich gegen die Bemühungen der Ukraine um engere Beziehungen zur EU und zur Nato.
Die EU, die USA und ihre Verbündeten haben die Sanktionen in dieser Woche kontinuierlich verschärft und damit die russische Führung und ihre Institutionen schrittweise isoliert. Vor dem Einmarsch am 24. Februar 2022 begann die EU, Sanktionen gegen russische Einzelpersonen zu verhängen, und Deutschland stoppte sein Genehmigungsverfahren für die Nord-Stream-2-Pipeline durch die Ostsee.
«Russisches Öl und Gas fliessen weiterhin, wie schon während des Kalten Krieges»
Seit dem Angriff haben die EU und die USA die Vermögenswerte weiterer Personen eingefroren und den Handel mit von der Zentralbank ausgegebenen Staatsanleihen verboten. Die EU hat auch die Guthaben von Putin, dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und allen Mitgliedern der russischen Duma, des russischen Sicherheitsrats sowie von belarussischen Beamten, die mit dem Krieg in Verbindung stehen, eingefroren. Darüber hinaus hat die EU mit ihren 26 Mitgliedstaaten alle russischen Flugzeuge aus ihrem Luftraum verbannt.
Weiter hat der Westen einer Reihe russischer Banken den Zugang zum SWIFT-Nachrichtensystem gesperrt, das Finanzinstitute für den Handel, die Bestätigung von Zahlungen, den Währungsumtausch und die Übermittlung von Aufträgen nutzen. Dies bedeutet, dass Öl- und Gaszahlungen von westlichen Unternehmen an russische Lieferanten weiterhin möglich sind, wenn auch über eine begrenzte Anzahl von Kanälen. Bislang ist der Energiesektor nicht von den Sanktionen betroffen, und russisches Öl und Gas fliessen weiterhin, wie schon während des Kalten Krieges.
«Russlands Zentralbank verfolgt seit mindestens 2018 eine Politik der Entdollarisierung»
Jeder Konflikt erfordert Bargeld. Die westlichen Länder haben nun den Zugang der russischen Zentralbank zu den Währungsreserven eingefroren und untergraben damit Russlands Fähigkeit, den Krieg zu finanzieren, seine eigene Wirtschaft zu stützen und Rubel zu kaufen, um seine Währung zu stützen. Seit der Annexion der Krim 2014 hat Putin die russischen Währungsreserven verdoppelt, die vor der Invasion in der vergangenen Woche 630 Milliarden Dollar wert waren. Diese Reserven bestehen aus Vermögenswerten, die von ausländischen Zentralbanken gehalten werden, darunter die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank (Federal Reserve).
Seit 2014 haben Russland und China ihre Abhängigkeit vom Dollar im internationalen Handel auf schätzungsweise 40 Prozent der Transaktionen reduziert und sind stattdessen auf den Euro umgestiegen. Russlands Zentralbank verfolgt seit mindestens 2018 eine Politik der Entdollarisierung. Im Juni 2021 kündigte Russland an, dass sein Nationaler Vermögensfonds, der über 170 Milliarden Dollar verwaltet, alle auf Dollar lautenden Anlagen verkaufen würde, so dass 40 Prozent seiner Vermögenswerte in Euro, 30 Prozent in chinesischen Renminbi und 20 Prozent in Gold angelegt wären. Das Einfrieren des Zugangs zu den Währungsreserven setzt Russland auf eine schwarze Liste mit nur drei anderen Ländern: Iran, Venezuela und Nordkorea.
Stéphane Monier ist der Chief Investment Officer (CIO) der Lombard Odier Private Bank.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Rolf Banz, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Andreas Britt, Gilles Prince, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Neil Shearing, Claude Baumann, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Karin M. Klossek, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Andrew Isbester, Florin Baeriswyl, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Michael Bornhäusser, Reto Jauch, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Rolando Grandi, Vega Ibanez, David Folkerts-Landau, Andreas Ita, Teodoro Cocca, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Roman Balzan, Todd Saligman, Christian Kälin, Stuart Dunbar, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese, Gun Woo, Lamara von Albertini, Philip Adler, Ramon Vogt, Gérard Piasko, Andrea Hoffmann, Niccolò Garzelli, Darren Williams, Benjamin Böhner, Mike Judith, Grégoire Bordier, Jared Cook, Henk Grootveld, Roman Gaus, Nicolas Faller, Anna Stünzi, Philipp Kaupke, Thomas Höhne-Sparborth, Fabrizio Pagani, Taimur Hyat, Ralph Ebert, Guy de Blonay, Jan Boudewijns, Beat Wittmann, Sean Hagerty und Alina Donets, Sébastien Galy, Lars Jaeger, Roman von Ah, Fernando Fernández und Georg von Wyss.