Der Verlauf der Coronakrise lässt darauf schliessen, dass Lateinamerika von der Pandemie extrem stark betroffen sein wird. Für das Wealth-Management der Schweizer Banken und Vermögensverwalter ist dies nicht einfach. War doch die Region schon immer ein Wachstumsmarkt, wie Bernardo Brunschwiler auf finews.first schreibt.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Ohne Zweifel wird die Region in den nächsten ein bis drei Jahren weniger «neues Vermögen» generieren oder auf Englisch ausgedrückt: Die «Wealth Creation» wird abnehmen.

Die sehr vermögenden Privatkunden, im Jargon Ultra-High-Net-Worth-Individuals (UHNWI) mit Vermögenswerten ab rund 30 Millionen Franken, werden davon vermutlich weniger betroffen sein. Generell werden aber gerade jene wohlhabenden Kunden, die traditionell bei Schweizer Instituten anlegen, mit enormen finanziellen und unternehmerischen Problemen und Herausforderungen lokal zu kämpfen haben.

«Mit grösster Wahrscheinlichkeit ist ein neues Aufblühen der ‹informellen› Wirtschaft zu erwarten»

Zudem dürfte sich der positive Trend in Richtung versteuerter Einkommen und Vermögen verlangsamen. Im Gegenzug ist mit grösster Wahrscheinlichkeit ein neues Aufblühen der «informellen» Wirtschaft zu erwarten. Dies nicht zuletzt aufgrund von fehler- und sprunghaften Wirtschafts-, Währungs- und Fiskalmassnahmen, verbunden mit einer Politik, die zumeist wenig zur Rechtssicherheit und zu einem investitionsfreundlichen Klima beiträgt.

Auch in Lateinamerika verwaltet die Schweizer Finanzbranche heute nur noch versteuerte Gelder. Alles andere wäre – auch aus Reputationsgründen – ein grosser Fehler.

«Zwischen den USA und lateinamerikanischen Staaten gilt der Automatische Informationsaustausch nicht»

Demzufolge ist klar, dass sich die Akquisition von Neukunden und Neugeld künftig überaus schwierig gestalten wird – vor allem auch deswegen, weil der Automatische Informationsaustausch (AIA) zwischen den USA und den lateinamerikanischen Staaten bis heute nicht gilt. Dies verschafft den Amerikanern einen erheblichen komparativen Vorteil, auch weil viele Lateinamerikaner den AIA auch aus Sicherheits- und Diskretionsgründen nicht schätzen.

Unter diesen Prämissen werden die Schweizer Banken und Vermögensverwalter vor allem bereits in der Schweiz deponierte Kundengelder anvisieren müssen, um weiter zu wachsen. Insofern wird der «Kuchen» damit kaum grösser werden.

«Für die grossen Schweizer Banken geht der Trend schon länger in Richtung Onshore-Banking»

Wer erfolgreich sein will, wird zwangsläufig einen exzellenten, personalisierten Service mit guter, steuereffizienter Investmentperformance bieten müssen. Das wird allerdings auch zu einem weiteren Preiskampf führen. Kurzum: Der Aufwand wird zunehmen, und die Margen werden sinken. Ins Gewicht werden dabei auch die aufwändigen und komplexen regulatorischen Crossborder-Regeln fallen. Diese dürften sich im «Zeitalter nach Corona» wohl noch verschärfen.

Für die grossen Schweizer Banken geht der Trend schon länger in Richtung Onshore-Banking, mit lokalen Präsenzen in Ländern wie Mexiko und Brasilien. Um die vielen Regeln und Bestimmungen einzuhalten, werden die Finanzinstitute generell nicht darum herumkommen, sich um lokale Lizenzen (wie Representative Office oder Advisory Office) zu bemühen. Oder aber eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Finanzinstituten oder Vermögensverwaltern eingehen, um so handlungsfähig zu bleiben.

«Die Herausforderungen sind vielfältiger geworden»

Vor diesem Hintergrund werden sie in Zukunft weiterhin grosse Anstrengungen unternehmen müssen, um bei allen Kunden eine konstante und umfassende Due Diligence und Kontrolle sicherzustellen. Das wiederum bedingt grosses Know-how.

Das Private Banking in Lateinamerika bleibt also spannend. Die Marke «Schweiz» zieht zwar noch immer, aber die Herausforderungen sind eindeutig vielfältiger geworden.


Bernardo P. Brunschwiler, lic.oec. HSG, ist in Argentinien aufgewachsen. Ab 1982 war er im Swiss Banking mit Lateinamerika tätig, bei der Credit Suisse und der BSI (1983-1991) in Zürich, Lugano, Buenos Aires und New York. Von 1994 bis 2004 war er beim Bankverein (später UBS) für das Wealth Management in Lateinamerika verantwortlich. Ab 2006 war er selbständig, 2010/11 bei Clariden Leu tätig und ab 2014 bei der PKB Privatbank zuständig für Lateinamerika. Die Einzelfirma Bernardo Brunschwiler Consulting hat er 2012 in Zug gegründet.


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