Der Untergang der Kryptobörse FTX vernichtete innerhalb weniger Tage rund 200 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung von Crypto-Assets. Ist dies nun das Ende für Kryptowährungen? Dies fragt sich Ha Duong in seinem Beitrag auf finews.first.
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
Fast ein Monat ist nun vergangen, seitdem mit FTX die drittgrösste Cryptohandelsplattform in einem regelrechten Wirtschaftskrimi zusammengebrochen ist. War das Unternehmen in den vergangenen Jahren noch kometenhaft aufgestiegen, beherrschen gegenwärtig nahezu täglich immer neue Schlagzeilen zum rasanten Absturz des FTX-Firmennetzwerks und dessen Nachwirkungen die Medien.
Inzwischen ist auch klar: Letztlich ist das Ende von FTX vor allem auf Verfehlungen des Managements sowie unzureichendes Risikomanagement und fehlende Compliance zurückzuführen. Die Behörden gehen zudem von betrügerischen Vorgängen aus.
Die Auswirkungen des Crashs sind für Teile des Cryptomarktes gravierend und seine Folgen ziehen noch immer ihre Kreise. Wie von Experten erwartet, hat inzwischen auch der amerikanische Crypto-Lender BlockFi Insolvenz beantragt. Man wolle so das Geschäft stabilisieren und dem Unternehmen die Möglichkeit geben, eine umfassende Restrukturierung durchzuführen, heisst es in einer offiziellen Mitteilung des Unternehmens. BlockFi reiht sich damit ein in eine wachsende Liste von Unternehmen, die nach der FTX-Pleite vor dem Aus stehen.
«Viele Beobachter sehen die Technologie am Abgrund»
Die Insolvenz des Firmennetzwerks rund um Cryptoinvestor und FTX-CEO Sam Bankman-Fried war damit ein Dominostein, der wie bereits im Fall von Terra/Luna-Crash, eine Reihe von Turbulenzen mit sich gebracht hat und die vorherigen Monate der Konsolidierung von Crypto-Assets vorerst vergessen macht.
Die Negativität am Markt ist gegenwärtig enorm und in Anbetracht neuer Schadensmeldungen und in Erwartung neuer negativer Meldungen neigten zahlreiche verunsicherte Anleger zum Verkauf ihrer Crypto-Assets. Der Untergang von FTX hatte innerhalb weniger Tage einen Verlust von etwa 200 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung bei Crypto-Assets zur Folge. Ist dies nun das Ende für Crypto? Was kommt nach dem grossen Crash? Viele Beobachter sehen die Technologie am Abgrund. Der «Economist» spricht auf seinem Titelblatt vom 17. November 2022 von einem «Downfall».
Es ist nicht das erste Mal, dass Crypto-Assets von Experten und Medien totgesagt werden. Allein der Bitcoin ist seit 2012 rund 16 Mal gecrasht. Zwischen 2017 bis 2018 erlebte BTC gar eine Preiskorrektur von über 83 Prozent und stürzte vom damaligen Hoch von fast 20'000 Dollar auf etwa 3'000 Dollar. Schon damals hatten viele renommierte Experten die Technologie faktisch abgeschrieben. Was folgte, waren jedoch neue Höchststände zwischen 2020 und 2021.
Interessanterweise drehen sich Fragen zur aktuellen Krise eher darum, wann denn wieder ein guter Einstiegsmoment wäre, während sich Investoren noch beim letzten Crash in 2018 hingegen fragten, ob Crypto überhaupt eine Daseinsberechtigung habe.
«Nicht in der EU oder in den USA wird am häufigsten nach Bitcoin gegoogelt»
Was können wir also nun künftig von Bitcoin & Co. erwarten? Angesichts der aktuellen Ereignisse gerät leicht in Vergessenheit, dass sich die Cryptoindustrie auch in den letzten Monaten ungeachtet der Marktturbulenzen stark weiterentwickelt hat. Mit The Merge hat das Ethereum-Ökosystem einen signifikanten technologischen Fortschritt gesehen, der Skalierbarkeit und Massentauglichkeit der Ethereum-Blockchain verbessern wird.
Zudem werden mit MiCA und der Transfer-of-Funds-Regulierung auf EU-Ebene neue regulatorische Rahmen geschaffen, die Etablierung und Akzeptanz von Crypto-Assets in der konventionellen Finanzwelt und bei institutionellen Anlegern begünstigen werden. Auch regulatorische Bestrebungen in vielen weiteren Regionen, wie etwa Australien, Grossbritannien, Hongkong oder Südafrika, werden für eine steigende Rechtssicherheit bei Crypto-Assets sorgen.
Nicht zuletzt dürfte ein weiterhin steigendes Interesse in Crypto auch zu einer steigenden Verfügbarkeit von Kapital und Talenten und damit auch zu weiteren Innovationen führen. Diese werden unter anderem der Infrastrukturebene zugute kommen, wodurch sich die Skalierbarkeit weiter verbessern und somit neue Anwendungsfälle ermöglicht werden.
Vor allem im DeFi-Bereich haben neue Applikationen das Potenzial, zukünftig Millionen von «underbanked» Menschen in Entwicklungsländern ohne Zugang zum Bankensystem Teilhabe an Finanzdienstleistung zu ermöglichen. Nicht etwa in der EU oder den USA wird am häufigsten nach Bitcoin gegoogelt, sondern in Nigeria – Märkte also, denen ein immenses Potenzial innewohnt und die es für Crypto-Assets langfristig noch zu erobern gilt.
«Spekulative Investoren haben inzwischen den Markt zum Grossteil verlassen»
Und auch mittelfristig sind die Investment-Aussichten weniger düster als es auf den ersten Blick anmutet. Inzwischen gibt der Inflationsdruck leicht nach und es ist wahrscheinlich, dass ein Grossteil der Zinserhöhungen bereits vom Markt eingepreist sind. Zudem sind Anzeichen zu beobachten, dass das breite Deleveraging am Cryptomarkt nahezu abgeschlossen ist.
So war die Auswirkung der FTX-Krise auf Crypto-Assets letztlich doch deutlich geringer als noch beim Crash von Terra/Luna. Langfristige Investoren waren nun bereits deutlich konservativer positioniert und mussten im Abverkauf nicht gehebelte Positionen zwangsverkaufen. Spekulative Investoren haben inzwischen zum Grossteil den Markt verlassen. Etwa 80 Prozent der Bitcoin befinden sich in den Händen von Marktteilnehmern, welche diese länger als sechs Monate nicht mehr angerührt haben.
Und nicht zuletzt durch das anstehende Bitcoin Halving ist ein positiver Effekt auf die Kursentwicklung möglich. Vergangene Halving Events hatten sowohl vor als auch nach der Halbierung der täglich produzierten Bitcoins einen positiven Effekt auf das Investoren-Sentiment aufgrund eines reduzierten Verkaufsdrucks, der für die Cryptowährung nach dem Halving antizipiert wurde.
«Es ist zu erwarten, dass das breite Deleveraging am Markt bald abgeschlossen ist»
Insgesamt ist festzuhalten, dass der Cryptomarkt gegenwärtig zweifelsohne einige Herausforderungen zu bewältigen hat und Crypto-Investoren schmerzhafte Verluste hinnehmen mussten. Durch riskante Wetten von Marktakteuren und Managementverfehlungen ist viel Vertrauen in die Branche verloren gegangen. Es ist jedoch zu erwarten, dass das breite Deleveraging am Markt bald abgeschlossen ist und nach diesem reinigenden Gewitter wieder die Fortschritte der Technologie und der zugrundeliegenden Infrastruktur in den Mittelpunkt rücken. Damit dürfte auch die Basis geschaffen werde, dass Crypto wie auch nach vergangenen Krisen an diesen Herausforderungen wächst und gestärkt aus ihnen hervorgehen kann.
Ha Duong ist Director Crypto Strategies bei der 2017 gegründeten, deutschen Fondsgesellschaft BIT Capital.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Rolf Banz, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Gilles Prince, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Thomas Stucki, Neil Shearing, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Karin M. Klossek, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Andrew Isbester, Florin Baeriswyl, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Reto Jauch, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Vega Ibanez, David Folkerts-Landau, Andreas Ita, Teodoro Cocca, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Roman Balzan, Todd Saligman, Christian Kälin, Stuart Dunbar, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese, Gun Woo, Lamara von Albertini, Philip Adler, Ramon Vogt, Andrea Hoffmann, Niccolò Garzelli, Darren Williams, Benjamin Böhner, Mike Judith, Jared Cook, Henk Grootveld, Roman Gaus, Nicolas Faller, Anna Stünzi, Thomas Höhne-Sparborth, Fabrizio Pagani, Ralph Ebert, Guy de Blonay, Jan Boudewijns, Sean Hagerty, Alina Donets, Sébastien Galy, Roman von Ah, Fernando Fernández, Georg von Wyss, Beat Wittmann, Stefan Bannwart, Andreas Britt, Frédéric Leroux, Nick Platjouw, Rolando Grandi, Philipp Kaupke, Gérard Piasko, Brad Slingerlend, Dieter Wermuth, Grégoire Bordier, Thomas Signer, Brigitte Kaps, Gianluca Gerosa, Michael Bornhäusser, Christine Houston, Manuel Romera Robles, Fabian Käslin, Claudia Kraaz, Marco Huwiler, Lukas Zihlmann, Nadège Lesueur-Pène, Sherif Mamdouh, Harald Preissler, Claude Baumann, Taimur Hyat, Philipp Cottier, Andreas Herrmann, Camille Vial, Marcus Hüttinger, Ralph Ebert, Serge Beck, Teodoro Cocca, Alannah Beer, Stéphane Monier, Ashley Semmens und Lars Jaeger.