Ferraris kometenhafter Aufstieg beruht nicht auf Produktionsmengen. Während Massenhersteller wie Volkswagen mit schwacher Binnenkonjunktur und den hohen Kosten des Umstiegs auf Elektrofahrzeuge kämpfen, hat Ferrari die Kunst der Knappheit, Exklusivität und die Magie der Marke perfektioniert.
Wie ein aktueller Bericht des «Wall Street Journal» (Artikel auf Englisch, hinter Paywall) aufzeigt, hat sich die italienische Marke zu einer Luxuskraft entwickelt und nutzt ihre treue Anhängerschaft, um ihre Dominanz unter den schnellen Autos weiter auszubauen.
Mit einer Marktkapitalisierung von fast 94 Milliarden Euro hat Ferrari den Volkswagen-Konzern bei Weitem überholt – obwohl der italienische Hersteller im letzten Jahr nur 13'752 Fahrzeuge verkauft hat, während VW neun Millionen auslieferte. Der Grund? Ferrari ist kein Autobauer im herkömmlichen Sinn. Wie CEO Benedetto Vigna im «Wall Street Journal» betonte: «Wir sind ein Luxusunternehmen, das auch Autos baut.»
Die Ökonomie der Knappheit
Diese Strategie erinnert an jene französischer Luxusmarken. So wie Hermès und Chanel die Produktion bestimmter Handtaschen begrenzen, um ihre Exklusivität zu wahren, stellt Ferrari sicher, dass seine begehrtesten Modelle für den Durchschnittskunden unerreichbar bleiben. Den Besitz eines Ferrari-Hypercars muss man sich verdienen – nicht nur mit Geld, sondern mit Loyalität zur Marke.
Ferrari verfolgt eine simple, aber wirkungsvolle Maxime, die noch vom Gründer Enzo Ferrari stammt: «Ferrari wird immer ein Auto weniger liefern, als der Markt verlangt.» Diese Exklusivität treibt die Nachfrage an – Modelle wie der 3,7 Millionen Dollar teure F80-Hypercar sind ausverkauft, bevor sie überhaupt offiziell präsentiert werden. Bei allen 799 gebauten Exemplaren erhielten nur die treuesten Kunden den Zuschlag.
Aktueller Hypercar: Ferrari F80. (Bild: Ferrari, zVg)
Dreifache Wertsteigerung
Sammler, von denen viele gleich mehrere Ferraris besitzen, konkurrieren um den Zugang zu diesen Modellen. Laut dem «WSJ»-Bericht mussten einige Kunden mindestens zehn Ferraris erwerben, bevor sie überhaupt für den Kauf des früheren Hypercars LaFerrari infrage kamen. Das Ergebnis? Die Preise dieser exklusiven Modelle explodieren.
Eine gut erhaltene LaFerrari, die 2013 für 1,4 Millionen Dollar verkauft wurde, erzielt heute Preise von über 3,8 Millionen US-Dollar – weit mehr als ein gebrauchter Porsche 928 Spyder (850'000 Dollar) oder ein McLaren P1 (1,15 Millionen Dollar).
Kunden-Segmentierung mit klarer Rangordnung
Ferrari überlässt die Auswahl seiner Kunden nicht dem Zufall. Ein fein abgestuftes Rankingsystem, gesteuert aus dem Hauptsitz in Maranello, berücksichtigt zahlreiche Dimensionen – von der Kaufhistorie bis hin zur Teilnahme an Ferrari-Events. So stellt Ferrari sicher, dass nur die grössten Enthusiasten Zugang zu den seltensten Modellen erhalten.
«Cavalcade classiche»: Idyllische Ausfahrten, exklusiv für Ferrari-Kunden. (Bild: Ferrari, zVg)
Der Erfolg von Ferrari kontrastiert zunehmend mit anderen Sportwagen-Herstellern. Porsche versuchte mit seinem Börsengang im Jahr 2022 eine ähnliche Strategie zu verfolgen, doch Probleme in China und eine fehlgeleitete Elektroauto-Strategie haben das Vertrauen der Investoren geschwächt.
Weit voraus: Aston Martin, McLaren und Porsche
Pierre-Olivier Essig, ein Experte für europäische Aktienmärkte und Leiter der Research-Abteilung bei der in London ansässigen AIR Capital, wies kürzlich auf den 50-prozentigen Rückgang der Porsche-Marktbewertung innerhalb eines Jahres hin. Auf LinkedIn schrieb er: «Im Jahr 2002, als man fast bankrott war und der erste SUV mit herausragender Leistung auf den Markt kam, wer es die richtige Strategie, Volumensteigerungen zu verfolgen. Doch heute ist nur noch der 911 richtig wettbewerbsfähig.»
Benzinbetriebene Perfektion: Ferrari-Werk in Maranello. (Bild: Ferrari, Courtesy)
Gleichzeitig haben Aston Martin und McLaren Mühe, Ferraris finanzielle Stabilität zu erreichen. Aston Martin hat seit seinem Börsengang 2018 bereits 95 Prozent seiner Marktkapitalisierung verloren, während McLaren kürzlich vollständig unter die Kontrolle des bahrainischen Staatsfonds geraten ist.
Volle Auftragsbücher bis 2026
Auch Ferrari sieht sich Herausforderungen gegenüber. Das «WSJ» berichtet, dass jüngste Preiserhöhungen den Occasionen-Markt für einige Modelle belastet haben. Dennoch bleibt die Kernstrategie des Unternehmens unerschüttert: Die Auftragsbücher von Ferrari sind bereits bis Ende 2026 gefüllt und federn so die Abschwächung des chinesischen Marktes ab, über die finews.ch berichtete. Solange die Wartelisten lang bleiben, dürfte Ferraris Erfolg anhalten.
Ferraris Fähigkeit, automobile Ingenieurskunst mit den Gesetzmässigkeiten des Luxusmarktes zu betreiben, hat den Markt für Sportwagen im obersten Segment neu definiert. Durch bewusst gesteuerte Knappheit und eine gezielt gepflegte, exklusive Kundschaft hat Ferrari seine Marke zur uneinnehmbar scheinenden Festung ausgebaut.
Ferrari-Themenpark in Abu Dhabi. (Bild: Ferrari, Courtesy)
UniCredit als Hauptsponsor
Ferraris Strahlkraft reicht längst über die Automobilbranche hinaus. Das zeigt auch die neue mehrjährige Partnerschaft mit Unicredit. Im September 2024 kündigten Unicredit-CEO Andrea Orcel und Ferrari an, dass Italiens führendes Finanzinstitut den bisherigen Hauptsponsor Santander ersetzen und Scuderia Ferrari in der Formel 1 unterstützen wird. Diese Partnerschaft unterstreicht die symbiotische Verbindung zwischen Rennsport, Automobilkultur und exklusiven Finanzdienstleistungen.
Unicredit wird seinen vermögenden Kunden exklusive Zugänge zu Rennsport-Erlebnissen bieten und so die Prestige-Marke zur Stärkung ihres Private-Banking-Angebots nutzen. Ferrari bleibt für Sammler und Motorsport-Enthusiasten ein begehrtes Investment, und UniCredit nutzt diese Faszination, um sich noch stärker mit dieser elitären Kundschaft zu vernetzen. Zudem planen die beiden Unternehmen, «neue Bankdienstleistungen für Ferrari-Fans und Kunden der pan-europäischen Bank zu entwickeln».
Ferrari-CEO Benedetto Vigna (links) mit Andrea Orcel. (Bild: Ferrari, zVg)
Ein kleines Aber
Allerdings möchte finews.ch eine Anmerkung machen. Jeder, der einen echten Ferrari-Liebhaber in seinem Bekanntenkreis hat, weiss: Die Magie der Marke beschränkt sich nicht nur auf die Strasse – sie ist tief mit der Formel-1-Geschichte von Ferrari verwoben. Doch in den letzten Jahren hat das Team sportlich nicht mehr überzeugt.
Der letzte Konstrukteurs-Titel der Scuderia Ferrari liegt bereits lange zurück – 2008, mit Kimi Räikkönen und Felipe Massa. Eine Dürreperiode, die in starkem Kontrast zum Erfolg der Marke bei den Strassen-Sportwagen steht. Ob diese Performance-Lücke langfristig den Mythos Ferrari trübt, bleibt abzuwarten – noch ist es lange nicht so weit.