Der Tonfall in der Debatte um die Höhe des regulatorischen Eigenkapitals für systemrelevante Banken verschärft sich. Welches sind die Argumente der UBS, mit denen sie sich dagegen stemmt, dass sie künftig noch mehr Eigenkapital halten muss? finews.ch hat darüber mit dem Mann gesprochen, der die Grossbank und ihre Risiken so gut kennt wie wohl kein zweiter.
Die Fronten sind klar. Nach der (Zwangs-)Verheiratung der Credit Suisse (CS) mit der UBS im März 2023 fordern der Bundesrat, die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Schweizerische Nationalbank unisono schärfere Kapitalanforderungen für systemrelevante Banken im Allgemeinen und die UBS im Besonderen. Mehr Eigenkapital soll das Risiko reduzieren, dass die Schweiz nochmals eine grosse Bank retten muss. Auf der anderen Seite stehen die Schweizerische Bankiervereinigung, der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und natürlich die Grossbank selber. Müssten Banken noch mehr Eigenkapital halten, würde dies der Wirtschaft und dem Finanzplatz schaden, lautet ihr Argument.
In diesem Jahr werden für die Anpassung des nach der Finanzkrise 2008 geschaffenen Too-big-to-fail-Regelwerks (TBTF) und damit auch die künftigen Eigenmittelanforderungen im Parlament wichtige Weichen gestellt. Im Vorfeld hat sich der Tonfall der Debatte nochmals verschärft. finews.ch wollte wissen, wie es die von der künftigen Regulierung hauptbetroffene UBS sieht – abseits von Schlagwörtern und Zweizeilern – und hat sich dazu mit Markus Ronner, seit 2018 Group Chief Compliance and Governance Officer der UBS, unterhalten.
Ronner kennt die Grossbank und die mit ihrer Geschäftstätigkeit verbundenen vielfältigen Risiken so gut wie wohl kein anderer. Er ist seit über 40 Jahren für die UBS tätig. 2001 wurde er Head Group Internal Audit, wechselte 2007 als COO ins Asset Management und war ab 2009 in Führungspositionen im Wealth Management tätig. Von 2011 bis 2013 leitete er das konzernweite Programm, das sich mit der Umsetzung der TBTF-Gesetzgebung in der Bank befasste. Von 2012 bis 2018 war Ronner Head Group Regulatory and Governance.
Herr Ronner, damit wir wissen, worüber wir sprechen. Über wie viel Eigenkapital verfügt die UBS heute, wie hoch ist das regulatorisch vorgeschriebene Niveau?
UBS verfügt heute über rund 74 Milliarden Dollar hartes Kernkapital, sogenanntes CET 1-Kapital. Das entspricht einer Kapitalquote von 14,3 Prozent und liegt deutlich über dem regulatorischen Minimum von 10,6 Prozent. Wegen der CS-Übernahme steigen diese Minimalanforderungen auf Basis der bereits geltenden TBTF-Regelungen durch zusätzliche Grössenzuschläge auf ungefähr 12 Prozent. Zusätzlich muss UBS die sogenannten Tier-1-Eigenkapitalanforderungen von gut 16 Prozent erfüllen.
Wie sähe dies in einer Krise aus?
Im Rahmen des TBTF-Regelwerks müssen die systemrelevanten Banken auch Fremdkapital von aktuell knapp 100 Milliarden Dollar halten, das in einer extremen Krise in Eigenkapital gewandelt werden kann. Damit hält UBS zusammen mit den rund 88 Milliarden Dollar Eigenkapital über 185 Milliarden Dollar an verlustabsorbierendem Kapital. Zum Vergleich: Damit könnten wir die gesamten Verluste, die – eine notabene damals viel grössere und risikoreichere – UBS aufgrund der Finanzkrise 2008 erlitten hat, gleich viermal decken.
«Mit dem verlustabsorbierenden Kapital von heute könnten wir die Verluste, welche die UBS aufgrund der Finanzkrise 2008 erlitten hat, gleich viermal decken.»
Anfang dieses Jahres ist die verschärfte Eigenmittelverordnung in Kraft getreten. Was waren die Konsequenzen für UBS?
Die Schweiz hat diese sogenannten Basel-III-Regeln per 1. Januar 2025 früher und weitgehender umgesetzt als die EU, Grossbritannien und USA. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass die Schweizer Banken die Risiken – insbesondere operationelle Risiken – konservativer berechnen und deshalb auch mehr Eigenkapital halten müssen. Gemäss unseren Schätzungen müssen wir ungefähr 10 Prozent mehr Eigenkapital (knapp 5 Milliarden Dollar) für dieselben Risiken halten als die Konkurrenz in der EU, Grossbritannien und USA. Wir haben entsprechend bereits aufgrund der Basel-III-Umsetzung einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Banken der wichtigsten Konkurrenzfinanzplätze.
Der Bundesrat hat schon im vergangenen April angekündigt, dass er die Kapitalanforderungen an die letzte verbleibende Schweizer Grossbank verschärfen möchte und sieht sich nun vom PUK-Bericht zur CS bestätigt. Was für Schlüsse ziehen Sie für die Eigenkapitaldiskussion aus dem PUK-Bericht?
Der PUK-Bericht bestätigt, dass die CS primär aufgrund von Missmanagement kollabiert ist. Der Bericht weist auch auf die Kapitalproblematik des Stammhauses hin, wobei die Ursache bei weitgehenden regulatorischen Zugeständnissen lag. UBS hatte weder den regulatorischen Filter, noch benötigte sie eine zehnjährige Übergangsfrist für die erhöhten Kapitalanforderungen für Tochtergesellschaften und erfüllte die neuen Bedingungen vom ersten Tag an. Das Kapitalproblem der CS ergab sich nicht aus den Anforderungen, sondern deren ungenügender Umsetzung. Mit den bestehenden Regeln hätte die CS genügend Kapital gehabt, um die grossen Verluste zu verkraften.
«Die UBS hatte weder den regulatorischen Filter, noch benötigte sie eine zehnjährige Übergangsfrist für die erhöhten Kapitalanforderungen für Tochtergesellschaften.»
Und mit Blick nach vorn?
Der Bundesrat hat in seinem Bericht vom April 2024 verschiedene Massnahmen definiert, wie die Widerstandsfähigkeit der systemrelevanten Banken verbessert werden soll. Dabei hat er klargestellt, dass die Massnahmen verhältnismässig, effektiv und international abgestimmt umzusetzen sind. UBS hat stets gesagt, dass sie unter Einhaltung dieser vom Bundesrat definierten Prinzipien grundsätzlich mit den Massnahmen einverstanden ist. Dabei dürfen aber Extremvarianten bei neuen Kapitalanforderungen entsprechend keinen Platz haben. Diese würden die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Banken weiter verschlechtern und auch zu Kosten für die Wirtschaft führen. UBS versorgt die Schweizer Wirtschaft mit Krediten im Umfang von über 350 Milliarden Franken.
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