In einem exklusiven Gespräch mit finews.ch spricht der frühere US-Botschafter in der Schweiz, Edward McMullen, über die kontroversen Themen aus der Credit-Suisse-Ära, die derzeit Schlagzeilen machen. Er betont die Notwendigkeit von Transparenz und hebt hervor, dass erfahrene Führungspersönlichkeiten aus dem Banking für reibungslosere Beziehungen zu den US-Behörden sorgen könnten. McMullen wird die Amtseinführung von Präsident Trump vorzeitig verlassen, um am WEF teilzunehmen – in den schweizerisch-amerikanischen Beziehungen wird er weiter engagiert bleiben.
Herr Botschafter McMullen, in den letzten Wochen sind in den USA zwei juristische und politische Altlasten betreffend Credit Suisse aufgetaucht: Anschuldigungen des US-Senatsausschusses für Haushaltsfragen zu Nazi-Konten, wie von finews.ch berichtet, und mögliche Verstösse gegen den grossen «Plea Deal» in Sachen Steuerhinterziehung aus dem Jahr 2014, ebenfalls von finews.ch thematisiert. Sind Ihnen diese Themen während Ihrer Amtszeit als Botschafter in der Schweiz begegnet?
Keines dieser Themen kam während meiner Amtszeit als Botschafter auf. Alles war gut geregelt, und unsere Administration konzentrierte sich auf ausländische Direktinvestitionen, Handelsabkommen, Innovationsaustausch, internationale Zusammenarbeit, die Schutzfunktion der Schweiz und andere Themen, die für die bilateralen Beziehungen wichtig waren.
Sprechen wir zuerst über die Vorwürfe aus der NS-Zeit. Sie wurden zuerst vom Simon Wiesenthal Center erhoben und werden nun von Neil Barofsky unter der Aufsicht des Haushaltsausschusses des Senats untersucht. Überrascht Sie das Aufkommen dieses Themas?
Ja, denn alle gingen davon aus, dass dies abgeschlossen war. In diesem Sinne haben wir auch während der ersten Trump-Administration gearbeitet. Während der letzten Administration sind dann etliche Kontroversen aufgetaucht. Leider lenken sie von der wichtigen Aufgabe ab, sich weiterhin auf die Stärkung unserer Beziehungen zu konzentrieren.
Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?
Bankenthemen sind wichtig. Sollten hier Fehler gemacht worden sein, ist es ganz klar: Ich plädiere nicht dafür, sie unter den Teppich zu kehren.
In der Schweiz herrscht die Ansicht vor, dass die Nazi-Zeit in den späten 1990er-Jahren gründlich untersucht wurde und der Vergleich von Richter Korman aus dem Jahr 1999 umfassend war. Auf finews.ch hat Thomas Borer diesen Punkt dargelegt. Sie haben seine Gedanken gelesen.
Wäre Markus Diethelm noch Rechtschef bei der UBS, wäre das nie passiert. Er hat eine etablierte Beziehung zum Justizministerium, wo man ihn respektiert. Deshalb wurden Dinge in der Vergangenheit gut geregelt. Markus war jemand, den das Justizministerium als transparent, ehrlich, engagiert und zuverlässig ansah. Leider führt das Fehlen solcher Führungspersönlichkeiten zu unglücklichen Situationen für die Schweiz, die UBS und die bilateralen Beziehungen.
«Leider führt das Fehlen von Führungspersönlichkeiten zu unglücklichen Situationen für die Schweiz und die UBS.»
Politisch sind die Vorwürfe des Wiesenthal Centers inzwischen weit fortgeschritten, sie beschäftigen sogar den US-Senatsausschuss für Haushaltsfragen. Auch der führende Republikaner im Ausschuss, Senator Sheldon Whitehouse, engagiert sich spürbar.
Hoffentlich wird das schnell gelöst, sodass wir uns auf die wichtigeren Themen konzentrieren können, die unsere Verbindungen stärken.
Als Markus Diethelm bei der Credit Suisse verantwortlich war, hat er versucht, das Thema zu stoppen. Er sprach mit den Mitarbeitern des Haushaltsausschusses und überlegte sogar, Richter Korman zu kontaktieren, der den Vergleich 1999 abgesegnet hatte. Fehlt der heutigen UBS der direkte, hochrangige Zugang zu den politischen und juristischen Instanzen in den USA?
Sergio Ermotti ist ein brillanter und sehr talentierter Banker. Ich halte ihn für einen der Besten der Welt. Sein Team hat sich jedoch verändert, seit er zum zweiten Mal CEO wurde und die Credit Suisse dazugekommen ist. Dieses juristische Team hat nicht dieselbe Qualität von Beziehungen, die Diethelm hatte, um solche Probleme anzugehen.
Das aktuelle juristische Team verlässt sich stark auf externe Berater. Ich bin mir nicht sicher, ob es allzu viele direkte persönliche Kontakte zur amerikanischen Seite gibt.
Das ist ein grosser Fehler. Erfolgreiche Schweizer Banken wissen, dass direkte Beziehungen zur US-Regierung, insbesondere zum Justiz- und Finanzministerium, unverzichtbar sind. Man kann nicht einfach junge Anwälte in New York oder Washington beauftragen und erwarten, dass das ausreicht. Bei diesen Kanzleien und Agenturen fehlt der «Swiss Touch»; man wird behandelt wie jeder andere Kunde auch, oftmals von Junioren bedient, frisch von der Universität. Stattdessen bräuchte es Respekt, Vertrauen und historische Kenntnisse, wie sie Markus Diethelm hatte. Es ist Zeit für ernsthafte, erfahrene Führungskräfte, die sich diesen wichtigen Themen widmen.
Kann dieses Thema zu den Nazi-Konten noch eingedämmt werden, oder ist es im Senatsausschuss bereits zu weit fortgeschritten?
Wenn es Täuschung oder irreführende Informationen gab, sind das legitime Fragen für den Ausschuss. Aber es sollte nicht politisch werden. Es geht im Kern um eine juristische Frage – Gerechtigkeit für jüdische Familien, die enteignet wurden. Diese Familien haben legitime und reale Anliegen. Wenn etwas vertuscht wurde, muss es transparent und auf legale Weise gelöst werden, ohne politische Agenda. Die richtige Adresse dafür wäre das Justice Department.
«Erfolgreiche Schweizer Banken wissen, dass direkte Beziehungen zur US-Regierung unverzichtbar sind.»
Warum ist der Kongress involviert?
Der Haushaltsausschuss hat eine Aufsichtsverantwortung. Leider eskaliert das Thema, obwohl es mit Wahrhaftigkeit und Transparenz rasch hätte geklärt werden können.
Noch kurz zu einem anderen Thema: Das «Wall Street Journal» hat kürzlich berichtet (Beitrag hinter Bezahlschranke, auf Englisch), dass es offenbar eine Last-Minute-Einigung zwischen der UBS und dem Justizministerium der Biden-Regierung gibt, was Verstösse gegen das Schuldeingeständnis von 2014 zur Steuerhinterziehung angeht. Die mögliche Strafe könnte bis zu 1,2 Milliarden US-Dollar betragen.
Ich bin damit nicht besonders vertraut, da es während meiner Amtszeit nicht auf dem Radar war. Zuständig dafür ist das Rechtssystem. Ich hoffe, dass wir uns bald wieder auf die Themen konzentrieren, die die bilaterale Beziehung zwischen den USA und der Schweiz stärken.
Glauben Sie, dass die neue Regierung und die Schweizer Wirtschaft so erfolgreich zusammenarbeiten werden wie während Ihrer Amtszeit?
Callista Gingrich, die designierte US-Botschafterin in der Schweiz, ist eine enge Freundin von mir. Wir haben sogar zusammen die Botschafterschule besucht. Ihr Mann, Newt Gingrich, der frühere Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, ist ebenfalls ein guter Freund. Ich habe volles Vertrauen in Callista. Sie ist eine erfahrene Diplomatin, welche sich auf die Themen konzentrieren wird, die dem Präsidenten wichtig sind. Ich denke nicht, dass sich diese gross von den Prioritäten seiner ersten Amtszeit unterscheiden werden: Handel, Direktinvestitionen, weniger Regulierung und Steuern, Sicherstellen, dass Schweizer Firmen die Arbeitsvisa und alles übrige bekommen, was sie benötigen, um in den USA erfolgreich zu sein – all das wird den bilateralen Erfolg fördern und darauf freue ich mich.
Welche Rolle werden Sie in der US-Schweizer Beziehung spielen?
Ich werde weiter an diesen Zielen arbeiten, auch wenn ich nicht mehr Botschafter bin. Ich freue mich darauf, diese Beziehungen weiterhin als Bürger und als Freund der neuen Botschafterin zu fördern.
«Das hätte mit Wahrhaftigkeit und Transparenz längst geklärt werden können.»
Werden Sie Teil der Regierung?
Der Präsident hat mich gebeten, seiner neuen Regierung anzugehören. Aber ich muss zuerst einige geschäftliche Verpflichtungen abschliessen und Investments auflösen. Ich bin mindestens ein Jahr davon entfernt. Dann schauen wir, was das richtige Amt und der richtige Zeitpunkt ist. In der Zwischenzeit kann ich auch von aussen viel bewegen, insbesondere bei den bilateralen Beziehungen zwischen der USA und der Schweiz. Am Montag fliege ich nach Davos und im März komme ich dann erneut, zusammen mit einer Handelsdelegation.
Sie lassen sogar die Amtseinführung aus und fliegen nach Davos.
Ich werde am Dienstag eine Rede am World Economic Forum halten und muss deshalb am Montag abreisen. Ich war aber beim Ball des Vizepräsidenten am Samstag und bei einem privaten Dinner und Black-Tie-Ball des Präsidenten am Sonntag im kleineren Rahmen.
Edward T. McMullen war von November 2017 bis Januar 2021 als Botschafter der Vereinigten Staaten in der Schweiz und in Liechtenstein tätig. Während seiner Amtszeit als Botschafter traf er sich mit über 300 CEOs und Geschäftsleitungsmitgliedern, um wirtschaftliche Beziehungen zu fördern. Botschafter McMullen ist Absolvent des Hampden-Sydney College und Alumnus der Young Leaders Conference der American Swiss Foundation, zu deren Vice Chair er 2021 gewählt wurde. Derzeit wirkt er als Senior Policy Advisor bei Adams and Reese LLP, einer Anwaltskanzlei und Public-Affairs-Firma mit Büros im gesamten Südosten der Vereinigten Staaten. McMullen eröffnete das Büro der Firma in Charleston mit einem Schwerpunkt auf Wirtschaftsentwicklung, ausländische Direktinvestitionen und Public Affairs.