Die UBS wird in den USA mit einer unangenehmen Neujahrsüberraschung konfrontiert. Ein renommiertes Finanzmedium berichtet über angeblich bislang unbekannte NS-Konten der Credit Suisse. Auch der US-Senat ist involviert.
Neue Enthüllungen über Aktivitäten der Credit Suisse respektive ihrer Vorgängerorganisation Kreditanstalt haben die Befürchtung geweckt, dass die UBS, die das angeschlagene Institut 2023 übernommen hat, mit rechtlichen und finanziellen Herausforderungen konfrontiert werden könnte.
Diese Anschuldigungen haben zu einem kritischen Augenmerk seitens US-Gesetzgeber und Finanzmedien geführt. Experten zufolge dürfte das Risiko substantieller neuer Ansprüche jedoch begrenzt sein.
Mehrere Dutzend US-Ermittler
Wie finews.ch von UBS-nahen Quellen erfahren hat, durchforsten zeitweise mehrere Dutzend US-Ermittler die historischen Archive der Credit Suisse.
Die Wiederaufnahme der ursprünglich von CS-Rechtschef Romeo Cerruti initiierten Untersuchung Ende 2023 erfolgte unter der Leitung von UBS-General Counsel Barbara Levi. Dies, nachdem der Druck seitens des US-Senats gewachsen war, namentlich seitens des Haushaltsausschusses unter dem Vorsitz von Sheldon Whitehouse (Demokrat, Rhode Island) und seinem republikanischen Kollegen Chuck Grassley (Iowa).
Offenbar unbegrenzte Mittel
Die Ermittler, die sich auf Kosten der Bank mit scheinbar unbegrenzten Mitteln ausgestattet sehen, residieren Berichten zufolge über längere Zeiträume im luxuriösen Park Hyatt Hotel in Zürich.
Der Umfang der Operation, von den grosszügigen Unterkünften bis hin zu den erheblichen personellen Ressourcen, verdeutlicht die intensive Thematisierung des Kriegsvermächtnisses der Credit Suisse.
Hohe Einsätze
Ein der UBS nahestehender Experte meint gegenüber finews.ch: «Die für diese Untersuchung bereitgestellten Mittel sind aussergewöhnlich und spiegeln die hohen Einsätze sowie den Druck der US-Behörden wider.»
An der Spitze der Ermittlungen steht Neil Barofsky, ein ehemaliger US-Staatsanwalt und unabhängiger Ombudsmann. Barofsky ist kein Unbekannter bei der Credit Suisse. Bereits nach dem Schuldbekenntnis der Bank in einem US-Steuerfall 2014 wurde er zum gerichtlich bestellten Aufseher ernannt.
Teures Engagement
Damals überwachte Barofsky die Einhaltung der US-Vorschriften durch die Bank, insbesondere zur Vermeidung weiterer Steuerhinterziehung. Seine ursprünglich auf zwei Jahre angelegte Amtszeit wurde auf vier Jahre verlängert.
Der Compliance-Aufwand soll die Credit Suisse fast eine Milliarde Dollar gekostet haben.
Neue Anschuldigungen...
Am Samstag publizierte das «Wall Street Journal» (Artikel auf Englisch, hinter Bezahlschranke) neue Anschuldigungen gegen die Credit Suisse, die auf Barofskys Ermittlungen abgestützt sind.
Als wichtigste verbliebene Institution des 1,25 Milliarden Dollar schweren Vergleichs aus den 1990er-Jahren zwischen Schweizer Banken, Versicherern und jüdischen Organisationen steht die UBS offenbar erneut im Fokus.
...und Forderungen?
Könnten die neuen Enthüllungen erneute finanzielle Forderungen oder Klagen seitens Holocaust-Überlebender, deren Erben oder Lobby-Organisationen nach sich ziehen?
Von finews.ch befragte Experten halten es für unwahrscheinlich, dass sich daraus bedeutende neue Verpflichtungen ergeben. Sie verweisen auf das im Jahr 1998 ergangene Urteil des US-Richters Edward Korman, der die Verteilung der ursprünglichen Vergleichssumme überwachte.
«Abschliessende Natur des Vergleichs»
«Das Verhalten der Schweizer Banken während des Zweiten Weltkriegs wurde umfassend juristisch aufgearbeitet», erklärt ein Experte.
Und weiter: «Das Urteil von Richter Korman hat einen klaren Rahmen für die Lösung dieser Fragen geschaffen. Neue Forderungen würden auf erhebliche rechtliche und verfahrenstechnische Hindernisse stossen, insbesondere angesichts der abschliessenden Natur des damaligen Vergleichs.»
AT1, Iwanischwili
Trotz dieser rechtlichen Einschätzung sind die neuen Vorwürfe ein weiterer Schlag für die öffentliche Wahrnehmung der UBS. Das Institut sieht sich bereits mit anderen juristischen Herausforderungen konfrontiert, darunter Klagen von AT1-Anleihegläubigern nach der Abschreibung von 17 Milliarden Dollar bei der Übernahme der Credit Suisse.
Hinzu kommen Forderungen des georgischen Milliardärs Bidzina Iwanischwili in mehreren Ländern, der der Credit Suisse vorwirft, sein Vermögen falsch verwaltet zu haben.
Komplexes Erbe
Auch wenn die neuen Entwicklungen in Sachen Nazi-Erbe nicht zwangsläufig zu neuen finanziellen Belastungen führen müssen – insbesondere angesichts der durch den früheren Vergleich geschaffenen rechtlichen Schutzmechanismus –, verdeutlicht der Fall, welch komplexes Erbe die UBS durch die Übernahme der Credit Suisse angetreten hat.
Die Involvierung des US-Senats und die Aufmerksamkeit führender Finanzmedien lassen vermuten, dass es sich um eine Geschichte voller Unwägbarkeiten handelt.
UBS will mehr Licht ins Dunkel bringen
UBS will sich dafür einsetzen, einen Beitrag zu einer umfassenderen Aufklärung von NS-bezogenen Altkonten zu leisten, die zuvor bei den Vorgängerbanken der Credit Suisse geführt wurden, wie sie mitteilt: «Seit der Übernahme der Credit Suisse durch UBS im Juni 2023 haben wir es uns zur Priorität gemacht, sicherzustellen, dass die Prüfung gründlich und umfassend ist, und Neil Barofsky entsprechend erneut als unabhängigen Ombudsmann engagiert. Wir gewähren ihm jede notwendige Unterstützung, um seine Arbeit zu erleichtern und um durch die durchgeführte Überprüfung mehr Licht in dieses dunkle Kapitel der Geschichte zu bringen.»