Martin Hess von der Schweizerischen Bankiervereinigung wünscht sich im Interview mit finews.ch, dass es 2025 gelingt, die heutige Tendenz «Paragrafen ersetzen unternehmerische Anreize» umzukehren.
Herr Hess, wenn Sie auf das Jahr 2024 zurückblicken: Was waren die prägendsten Entwicklungen auf dem Schweizer Finanzplatz?
Ich freue mich, dass die Banken in diesem Jahr so erfolgreich wirtschafteten, wie wir das in unserem «Swiss Banking Outlook» prognostiziert haben. Die Kundinnen und Kunden haben Vertrauen in ihre Bank und sind mit den Dienstleistungen sehr zufrieden. Das ist das grösste Highlight.
Das Umfeld war in diesem Jahr anspruchsvoll. Die wirtschaftliche Flaute in den wichtigen europäischen Absatzmärkten und die geopolitischen Spannungen meistern die Firmen in der Schweiz gut. Davon profitieren auch die Banken.
«Es besteht die Gefahr, dass die Margen-Normalisierung im Zinsgeschäft nur von kurzer Dauer war.»
Delikat ist das Zinsumfeld. Nach den wiederholten Zinssenkungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) besteht die Gefahr, dass die letztjährige Margen-Normalisierung im Zinsgeschäft nur von kurzer Dauer war.
Die Banken erbringen essenzielle Leistungen für die Wirtschaft und sind gleichzeitig wichtige Arbeitgeber. Welche Rolle hat der Schweizer Finanzplatz 2024 für die Stabilität und den Wohlstand der Schweiz gespielt?
Banken in der Schweiz sind verlässliche Arbeitgeberinnen. Die Mitarbeitenden sind zufrieden, und der befürchtete Kahlschlag nach dem Zusammenbruch der Credit Suisse ist bisher ausgeblieben.
Wie die Bedeutungsstudie von BAK Economics zeigt, erwirtschaftet der Bankensektor dank seinen hoch qualifizierten Angestellten deutlich über 5 Prozent des BIP und generiert zudem eine signifikante Wertschöpfung und Arbeitsplätze durch den Bezug von Vorleistungen.
Wirtschaftlicher Erfolg ist aber auch deshalb wichtig, weil er einerseits den Banken hilft, Kapital aufzubauen und Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Andererseits entrichtet der Bankensektor Steuern in Milliardenhöhe zugunsten der Allgemeinheit.
Wo sehen Sie Handlungsbedarf in der Wirtschaftspolitik, um die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes auch 2025 zu sichern?
Im Vergleich mit anderen Faktoren wurde die Regulierung in unserem «Swiss Banking Outlook» als grösstes Ertragsrisiko erachtet. Dies darf bei den anstehenden Diskussionen um regulatorische Anpassungen nicht vergessen gehen.
Vorschläge mit einem positiven Kosten-Nutzen Profil wie im Bereich der Sicherstellung der Liquidität im Krisenfall für systemrelevante Institute, sollten zügig ausgearbeitet und beschlossen werden.
«Die bürokratischen Hürden sind für Unternehmen zu hoch.»
Viele wären wohl mit der Aussage einverstanden, dass in der Schweiz die bürokratischen Hürden und die staatliche Gewinnabschöpfung für Unternehmen aktuell zu hoch sind. Im konkreten Fall lassen dann opportunistische Positionsbezüge Projekte oft scheitern – wie aktuell die vorgeschlagenen Massnahmen des Bundesrats zur Sanierung der Bundesfinanzen zeigen.
Kaum eine Stimme bezweifelt die Notwendigkeit des Projekts als Ganzes. Werden die Massnahmen aber konkret benannt, verteidigen die verschiedenen Anspruchsgruppen ihre Pfründe, zum Nachteil aller.
Die Verlässlichkeit der Politik muss aus meiner Sicht wieder zunehmen. Gerade sie ist wichtig für strategische Investitionsentscheide und damit für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.
Künstliche Intelligenz (KI) und veränderte Kundenerwartungen prägen die Zukunft der Banken. Wie sollten sich die Banken darauf vorbereiten?
KI wird für die Banken auch 2025 ein dominantes Thema bleiben. Sowohl für die Optimierung der Geschäftsabläufe als auch für die strategische Planung verspricht KI einen grossen Mehrwert. Daraus resultieren ein verbesserter Kundenservice und ein zusätzliches Ertragspotential.
Bereits heute nicht mehr wegzudenken ist KI für die Risikominimierung, etwa bei der Bekämpfung der Finanzkriminalität oder in der Verfolgung von ESG-Zielen der Finanzbranche.
«Rahmenbedingungen, die Innovation erlauben, sind Voraussetzung, die Schweiz wettbewerbsfähig bleibt.»
Im Gleichschritt mit der Verwendung von KI wird auch der Ruf nach einer einschneidenden Regulierung lauter. Meiner Ansicht nach täte die Schweizer Rechtsetzung gut daran, der Tradition technologieneutraler, prinzipienbasierter Regulierung treu zu bleiben.
Zweckmässige Rahmenbedingungen, die Innovation erlauben, sind Voraussetzung, damit die Schweiz bei der KI eine Vorreiterrolle einnehmen kann und entsprechend wettbewerbsfähig bleibt.
Wie trägt die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) dazu bei, die Anliegen der Banken in der politischen und öffentlichen Diskussion voranzubringen, und welche Schwerpunkte setzen Sie für das kommende Jahr?
Der Bankensektor – mit seinen vielen Verflechtungen in andere Wirtschaftsbereiche sowie die Gesellschaft – ist die mitunter am stärksten regulierte Wirtschaftsbranche. Entsprechend breit gefächert sind die Aufgaben der SBVg.
Persönlich am Herzen liegt mir unser Engagement für unternehmerische Handlungsspielräume und offene Märkte. Die «Thought Leadership» im Verband ist von zentraler Bedeutung, damit die Rahmenbedingungen die Risiken wirksam adressieren, dass gleichzeitig aber die Banken mit innovativen Lösungen zugunsten ihrer Kundschaft wettbewerbsfähig bleiben können.
Mein Wunsch ist es, dass es 2025 gelingt, die heutige Tendenz «Paragrafen ersetzen unternehmerische Anreize» umzukehren.
Martin Hess ist seit fast 15 Jahren in verschiedenen Funktionen für die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) tätig. Seit Juli 2020 ist er Chefökonom und Leiter Wirtschaftspolitik. Er studierte an der University of Rochester sowie an der Universität Bern, wo er auch promoviert wurde.