Seit seinem Amtsantritt als Präsident und CEO von BMW Schweiz vor sechs Monaten hat Sergio Solero nicht nur die Schweizer Kultur, sondern auch den Automobilmarkt des Landes kennengelernt. Im Gespräch mit finews.ch spricht er über die Marktführerschaft von BMW im Premiumsegment, teilt seine Ansichten zu den Herausforderungen der Elektromobilität in der Schweiz und verrät seine persönlichen Favoriten aus der aktuellen BMW-Produktpalette.

Im eindrücklichen BMW Brand Experience Center in Dielsdorf treffen wir Sergio Solero. Er ist ein erfahrenen Automobilmanager mit jahrzehntelanger Erfahrung bei BMW. Gebürtig aus den Dolomiten, wuchs der Italiener inmitten von Serpentinenstrassen auf – ein passender Hintergrund für jemanden, der die Philosophie der «Freude am Fahren» verkörpert, wie sie sich BMW auf die Fahnen schreibt.

Inzwischen hat sich Solero in der Schweiz eingelebt. Er kannte das Land bereits aus Ferien in seiner Jugend – insbesondere in St. Moritz. Seiner neuen Aufgabe begegnet er mit spürbarer Hingabe und Entschlossenheit. Dabei kommt eine hohe Wertschätzung für den Schweizer Markt und dessen Besonderheiten zum Ausdruck, ebenso wie sein Wille, sich intensiv mit den Herausforderungen und Chancen für sein Unternehmen auseinanderzusetzen.

Sergio Solero, Sie sind seit über sechs Monaten CEO von BMW Schweiz. Was hat Sie bisher am meisten beeindruckt oder überrascht?

Die Vielfalt der Schweiz. Obwohl ich das Land von aussen kannte, ist es etwas ganz anderes, diese Vielfalt aus erster Hand zu erleben. Jeder der 26 Kantone hat eine eigene Identität, und sich durch dieses Patchwork aus Kulturen und Sprachen zu navigieren, war sowohl beeindruckend als auch herausfordernd. Ich habe das ganze Land bereist – von der Romandie bis ins Tessin. Auf Französisch kann ich mich zwar verständigen kann, habe aber gleichwohl begonnen, die Sprache zu vertiefen, um mich noch besser zurechtzufinden.

«Perfekt, um die Schweizer Bergstrassen zu erleben»: BMW M8 Competition. (Bild: zVg)

Was macht die Schweizer Kundschaft einzigartig?

Sie lieben High-End-Autos! Die BMW M-Modelle und der MINI John Cooper Works sind hier besonders beliebt. Tatsächlich zählt die Schweiz zu unseren wichtigsten Märkten weltweit für Premiumfahrzeuge. Doch es geht nicht nur um Luxus – Schweizer Kundinnen und Kunden legen grossen Wert auf Qualität und Innovation, was perfekt zu den Kernwerten von BMW passt.

Sie haben auch von Herausforderungen gesprochen. Was hat Sie in der Schweiz besonders überrascht?

Die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in den Städten – oder besser gesagt, der Mangel daran. Während das Autobahnnetz über eine solide Schnellladeinfrastruktur verfügt, sieht es in urbanen Gebieten anders aus. In Wohngegenden, am Arbeitsplatz oder auf öffentlichen Parkplätzen hinkt die Infrastruktur im Vergleich zu Ländern wie Deutschland oder sogar Teilen Norditaliens deutlich hinterher. Wenn wir mehr Menschen für Elektromobilität gewinnen wollen, muss diese Lücke schnell geschlossen werden.

Und dann war da noch der kürzliche Rückruf…

Ja, der Rückruf aufgrund von Problemen mit dem integrierten Bremssystem war eine weitere Herausforderung – und nicht nur in der Schweiz ein Thema. Rückrufe sind sowohl finanziell als auch operativ schwierig, aber unsere oberste Priorität ist immer die Sicherheit und Transparenz gegenüber unseren Kundinnen und Kunden. In diesem Fall lag das Problem nicht bei den Bremsen selbst, sondern in sehr spezifischen Fällen bei einem Assistenzsystem. Wir haben eng mit den Schweizer Behörden wie dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) zusammengearbeitet, um das Problem zu lösen. Dank moderner Diagnosetools können wir potenzielle Probleme bei einem bestimmten Fahrzeug Tage im Voraus erkennen und rechtzeitig Massnahmen ergreifen.

Vor Jahrzehnten war BMW beileibe noch nicht die erste Wahl für Schweizer Kundinnen und Kunden. Wie würden Sie die heutige Position beschreiben?

Das stimmt historisch betrachtet. Einige Wettbewerber waren schneller, die Bedürfnisse der Schweizer – insbesondere nach Allradantrieb – zu erfüllen. Das hat sich jedoch grundlegend geändert. Unsere xDrive-Technologie ist heute ein Standard; über 80 Prozent unserer Verkäufe in der Schweiz beinhalten Allradantrieb.

«Wir bieten für jede Zielgruppe passende Lösungen: Von Führungskräften, die oft Modelle wie den X5 oder die 7er-Reihe bevorzugen, bis hin zu Mitarbeitenden im mittleren Management, die sich eher für den X1 oder den 3er Touring entscheiden»

Was uns heute auszeichnet, ist die Stärke unserer Premiumprodukte. Ob M-Modelle oder voll ausgestattete 5er-Touring-Wagen – Schweizer Kundinnen und Kunden haben ein besonderes Gespür für Qualität und Leistung. Die Schweiz zählt zu unseren stärksten Märkten weltweit für hochwertige BMWs.

Blick in die Zukunft: Vision Neue Klasse X. (Bild: zVg)

Bei den Neuimmatrikulationen hat sich BMW in der Schweiz kürzlich zur Nummer 1 unter den Premium-Marken entwickelt. Woher kommt dieser Erfolg?

Es ist eine Kombination aus mehreren Faktoren. Erstens unsere Produktstrategie: Während die Zukunft zweifellos elektrisch ist, bieten wir weiterhin eine breite Palette an Lösungen – Plug-in-Hybride, Benziner und Diesel. Wir wissen, dass sich die Märkte unterschiedlich schnell entwickeln, und können so vielfältige Bedürfnisse bedienen.

Zweitens unsere lokalen Partnerschaften. Emil Frey ist ein gutes Beispiel: Das Unternehmen arbeitet seit über 55 Jahren mit uns zusammen, schon bevor BMW eine direkte Präsenz in der Schweiz hatte. Ebenso andere Partner aus dem Einzelhandel, die uns seit Jahrzehnten treu begleiten.

Drittens unser Schweizer Team. Viele unserer Mitarbeitenden sind seit Jahren bei BMW, und ihre Hingabe ist spürbar. Hinzu kommt unsere starke Finanzdienstleistungssparte, die einen integralen Bestandteil unseres Ökosystems darstellt.

Sprechen wir über die Finanzindustrie. Wie arbeitet BMW mit der Branche zusammen?

Finanzinstitute gehören zu unseren besten Kunden im B2B-Bereich, und unsere eigene Finanzdienstleistungssparte ist ebenfalls ein enormer Vorteil. Wir operieren mit drei Marken: BMW und MINI Financial Services für Privat- und Geschäftskunden, Alphabet für markenübergreifende Flottenlösungen und Alphera in der Finanzierung von Gebrauchtwagen.

Die Schweiz ist in dieser Hinsicht einzigartig: Über 70 Prozent der BMW- und MINI-Fahrzeuge werden mit einem Finanzprodukt verkauft. Das spiegelt die Raffinesse unserer Angebote wider – von Leasingplänen bis hin zu Versicherungspaketen – und zeigt, wie gut wir sowohl private als auch geschäftliche Bedürfnisse erfüllen.

Für CEOs und Bundesräte: Interieur der BMW i7 Limousine. (Bild: zVg)

Welche Modelle sind in der Schweiz besonders beliebt?

Touring-Modelle wie der 3er und der 5er sind Dauerbrenner, ebenso SUVs wie der X1 und der X3. Besonders der X1 ist bei Firmenkunden sehr gefragt, während der neue X3 nächstes Jahr ein Bestseller werden dürfte.

«über 80 Prozent unserer Verkäufe in der Schweiz beinhalten Allradantrieb»

Auf der MINI-Seite sticht das Cabrio hervor – es macht 20 Prozent der Verkäufe in der Schweiz aus. Das zeigt, wie sehr Schweizerinnen und Schweizer das Fahren unter freiem Himmel geniessen. Im Luxussegment ist die 7er-Reihe, insbesondere der elektrische i7, ein Highlight. Sogar einige Mitglieder des Bundesrats nutzen ihn als Dienstfahrzeug – ein Zeichen für seinen aussergewöhnlichen Komfort und seine innovativen Features.

Welche Entwicklungen können Schweizer Kundinnen und Kunden im nächsten Jahr erwarten?

Da gibt es einiges. Die Plattform «Neue Klasse», die nächstes Jahr auf der IAA in München vorgestellt wird, ist ein grosser Schritt nach vorn. Diese vollelektrische Plattform wird neue Massstäbe für Leistung und Technologie setzen. Bei MINI erwarten wir die ersten vollelektrischen John Cooper Works-Modelle sowie das neue Cabrio mit grosser Vorfreude. Zudem erweitern wir unser Motorradangebot, um noch mehr Töff-Fans anzusprechen.

MINI John Cooper Works Countryman. (Bild: zVg)

BMW stellt in Europa auf ein Agenturvertriebsmodell um. Was bedeutet das für die Schweiz?

Im traditionellen Modell kaufen Händler Fahrzeuge von den Herstellern und verkaufen sie an die Kundschaft weiter. Im Agenturmodell hingegen wird BMW zum direkten Verkäufer, unterstützt von den Handelspartnern – unseren «local heroes». Wir übernehmen die Preisgestaltung und Bestandsverwaltung, während die Händler als Partner den Verkauf und die Serviceleistungen übernehmen.

Politisch hat das neue Modell in der Schweiz für Kontroversen gesorgt. Warum?

Die Umstellung stellt für das traditionelle Händlernetz eine Herausforderung dar. Für die Kundschaft bedeutet dies jedoch landesweit transparente Preise und ein nahtloses Einkaufserlebnis, egal ob online oder vor Ort. Auch die Händler profitieren, da sie keine grossen Lagerbestände mehr finanzieren müssen. Dadurch können sie sich stärker auf exzellenten Kundenservice konzentrieren.

Das Modell entspricht zudem den Erwartungen jüngerer Kunden, die ein Omnichannel-Erlebnis bevorzugen, bei dem sie problemlos zwischen Online-Recherche und persönlichen Interaktionen wechseln können. Durch die zentrale Lagerverwaltung können wir eine grössere Auswahl anbieten, ohne die Verzögerungen herkömmlicher Bestellsysteme.

Flotten- und Geschäftskunden sind sehr wichtig fürBMW Schweiz. Was macht Ihren Ansatz besonders?

Etwa 50 Prozent unserer Fahrzeuge werden über B2B-Kanäle verkauft – das ist ein zentraler Bestandteil unseres Geschäfts. Was uns auszeichnet, ist unsere Flexibilität. Wir bieten für jede Zielgruppe passende Lösungen: Von Führungskräften, die oft Modelle wie den X5 oder die 7er-Reihe bevorzugen, bis hin zu Mitarbeitenden im mittleren Management, die sich eher für den X1 oder den 3er Touring entscheiden. Unternehmen, die ihren CO₂-Fussabdruck reduzieren wollen, greifen zunehmend zu Modellen wie dem i4.

«Schweizer Kundinnen und Kunden legen grossen Wert auf Qualität und Innovation, was perfekt zu den Kernwerten von BMW passt»

Auch unsere Finanzdienstleistungen spielen eine wichtige Rolle. Wir bieten Lösungen für die Gesamtkostenbetrachtung (Total Cost of Ownership), indem wir Leasing, Versicherung und Wartung in einem umfassenden Paket bündeln. Das vereinfacht die Budgetplanung für Unternehmen und macht das Flottenmanagement effizienter.

Welches Auto fahren Sie eigentlich derzeit persönlich?

Ein grosses Pivileg an meinen Job ist: Ich darf alles ausprobieren! Kürzlich fuhr ich das M8 Cabriolet Competition – perfekt, um die Schweizer Bergstrassen zu erleben, besonders an Wochenenden in den Alpen. Davor hatte ich den vollelektrischen iX und den M760 Plug-in-Hybrid, an denen sich die Bandbreite von BMW hervorragend aufzeigen lässt. Momentan warte ich darauf, den neuen M5 zu testen – die perfekte Synthese aus M-Hochleistung und den modernen Fähigkeiten eines Plug-in-Hybrids, ideal für rein elektrisches Fahren in der Zürcher Innenstadt.


Seit März 2024 ist Sergio Solero Präsident und CEO von BMW Schweiz und leitet sämtliche Aktivitäten im Land. Während seiner über zwei Jahrzehnte umfassenden Führungserfahrung bei BMW hatte er globale Verantwortlichkeiten in Vertrieb, Marketing und Einzelhandel inne, wo er sowohl die Kundenzufriedenheit als auch innovative Strategien vorangetrieben hat. Vor seiner aktuellen Position war er Vizepräsident für Retail Development der BMW-Gruppe und gestaltete die Zukunft des Einzelhandels und des Kundenerlebnisses weltweit.