Schon jetzt deute einiges darauf hin, dass ein grosses Kräftemessen zwischen den USA, der EU und China die 2020er -Jahre prägen wird, schreibt Beat Wittmann in seinem Essay für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Das Kräftemessen zwischen den USA, der EU und China wird zu einer tripolaren Weltordnung führen – zum Nachteil vieler multilateralen Organisationen, der internationalen Regeln und Bestimmungen, aber auch auf Kosten der globalen Zusammenarbeit, die aufgrund globaler Herausforderungen wie der Corona-Pandemie und des Klimawandels mehr denn je erforderlich wäre.

Und als direkte Folge davon werden sich alle anderen Akteure, grosse wie kleine Länder und/oder Unternehmen, anpassen müssen, was wiederum einen hohen wirtschaftlichen Preis haben wird.

«Die USA profitieren von der Zurschaustellung ihrer unnachgiebigen Macht»

Der Übergang von der «Pax Americana», die nach dem Zweiten Weltkrieg zum Tragen kam, hin zu einem neuen geopolitischen und geoökonomischen Gleichgewicht wird zweifelsohne schwierig sein, da alle drei Supermächte über die nötige Grösse, die Fähigkeiten, die Ressourcen und die komparativen Stärken verfügen, um mit ihrer strategischen Autonomie ihre jeweiligen geographischen Einzugsgebiete zu dominieren.

So profitieren beispielsweise die USA nach wie vor enorm von einem globalen Finanzsystem, das auf dem Dollar beruht, aber auch von ihren technologischen Fähigkeiten und der Zurschautellung ihrer unnachgiebiger Macht.

China wiederum verfügt über die grösste – und ethnisch homogenste – Bevölkerung der Welt und hat in den vergangenen 40 Jahren eine beispiellose wirtschaftliche Entwicklung vollzogen – dies notabene nach kapitalistischen und nicht kommunistischen Wirtschaftsprinzipien – und es so geschafft, der grösste Gläubiger der USA zu werden.

«Es genügt, die vergangenen sechs Monate aufs zweite Halbjahr 2020 umzulegen»

Die EU ist eine hochentwickelte wirtschaftliche und ordnungspolitische Supermacht, die auf multilateralen Institutionen und Prozessen und einem gemeinsamen Anspruch auf humanistische und demokratische Werte und Regeln beruht.

Um einen Vorgeschmack auf das begonnene Jahrzehnt zu bekommen, lassen sich die politischen Entwicklungen der vergangenen sechs Monate einfach auf das zweite Halbjahr 2020 umlegen: Die USA mit Präsident Donald Trump, der keinerlei Respekt weder vor internationalen Organisation noch vor Regeln hat, offerbart eine höchst zwiespältige «Was-auch-immer»-Haltung, die einzig und allein darauf abzielt, dass er wiedergewählt wird.

«Dieses historische und mutige Paket dürfte von allen 27 EU-Mitgliedern gebilligt werden»

Chinas autokratischer Präsident Xi Jinping hält hingegen den Druck aufrecht, das Südchinesische Meer politisch zu beherrschen und die strategische Autonomie zu stärken.

Die EU hat im Gegensatz dazu eine umfassende und beispiellose geld-, finanz- und ordnungspolitische Reaktion eingeleitet, um die Krise zu bewältigen und die überfälligen Strukturreformen voranzubringen. Ich bin fest davon überzeugt, dass noch in diesem Jahr unter der Führung der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, der EZB-Präsidentin Christine Lagarde und der EU-Ratspräsidentschaft unter Angela Merkel dieses historische und mutige Paket von allen 27 EU-Mitgliedern gebilligt werden wird.

«Es besteht eine enorme Diskrepanz»

Eine Schlüsselfrage ist, wer diese Krise am besten nutzen wird, und wo die Risiken und die besten Investitionsmöglichkeiten liegen. Dabei besteht eine enorme Diskrepanz zwischen der beeindruckenden Erholung der Aktienmärkte in den vergangenen drei Monaten und den historisch hohen Arbeitslosenzahlen sowie den Verlusten bei den persönlichen Einkommen und den Unternehmenseinnahmen; enorm ist aber auch das Risiko einer rekordhohen Zahl an Insolvenzen, insbesondere im KMU-Bereich.

Die unbegrenzte Bereitstellung von Liquidität durch die Zentralbanken und Regierungen hat bisher die schlimmsten Ausfälle abgemildert. Das hat aber auch zu einer deutlich höheren Staats- und Unternehmensverschuldung geführt. Und diese muss über kurz oder lang entweder durch finanzielle Repression, eine Agenda des Wirtschaftswachstums, Zahlungsausfälle, höhere Steuern oder durch Inflation gelöst werden.

«Der Euro besitzt ein erhebliches Aufwärtspotenzial»

Die von Deutschland geführte EU hat auf die globale Gesundheits- und die damit verbundene Wirtschaftskrise sehr diszipliniert und gut abgestimmt reagiert. Die Aktienmärkte in der EU sind unterbewertet, und ich denke, dass auch der Euro im Vergleich zu allen anderen Währungen noch erhebliches Aufwärtspotenzial besitzt.


Beat Wittmann ist seit fast fünf Jahren Chairman und Partner der in Zürich ansässigen Finanzberatungs-Gesellschaft Porta Advisors. Der Bündner blickt auf eine mehr als 30-jährige Karriere im Schweizer Bankwesen zurück, die ihn unter anderem zu den beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie zu Clarien Leu und Julius Bär führte. Zwischen 2009 und 2015 war er zunächst selbständig und danach für die Schweizer Raiffeisen-Gruppe im Asset Management tätig.


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