Die Verlagerung von Bar- auf elektronische Zahlungen, insbesondere Kartenzahlungen, ist noch lange nicht abgeschlossen. Schätzungen zufolge werden in der Eurozone noch mehr als 70 Prozent der Transaktionen in bar abgewickelt, schreibt Guy de Blonay auf finews.first.
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
Für die Aktien europäischer Zahlungsdienstleister war 2019 ein gutes Jahr. Die meisten Firmen erzielten solide Zuwächse. Meines Erachtens gibt es auch keine Anzeichen dafür, dass es dieses Jahr anders laufen sollte.
Fachleute erwarten, dass die fundamentalen Rahmenbedingungen günstig bleiben, da die beiden strukturellen Faktoren, die dem Branchenwachstum zugrunde liegen, nach wie vor intakt sind:
Die weltweite Verlagerung von Bar- auf elektronische Zahlungen (insbesondere Kartenzahlungen) ist noch lange nicht abgeschlossen. Schätzungen zufolge werden in der Eurozone immer noch mehr als 70 Prozent der Transaktionen in bar abgewickelt. Zum Vergleich: In Grossbritannien sind es knapp 40 Prozent und in den USA knapp 30 Prozent.
«Banken kontrollieren immer noch beinahe 50 Prozent der gesamten Zahlungsströme»
Die Online-Zahlungen dürften daher weiter wachsen, wobei Zahlen von Statista darauf hindeuten, dass der globale E-Commerce-Markt ausgehend von 2,5 Billionen Euro mittelfristig um 10 Prozent pro Jahr zunehmen wird.
Gegenwärtig ist der Bereich In-Store-Zahlungen in Europa noch immer lokal begrenzt, fragmentiert und von Banken dominiert. Zahlungsanbieter wie WorldPay, Wirecard, Adyen und Ingenico haben sich mit einem gemeinsamen Marktanteil von fast 60 Prozent zwar eine dominierende Stellung im europäischen E-Commerce erarbeitet, doch Schätzungen gehen davon aus, dass die Banken immer noch beinahe 50 Prozent der gesamten Zahlungsströme auf dem Kontinent kontrollieren.
«Neue Akteure wie Paypal, Adyen und WorldPay erlebten einen Aufschwung»
Dies steht in deutlichem Kontrast zu Nordamerika, wo sich der Markt um eine Handvoll Technologieunternehmen wie FIS, Fiserv und Global Payments konsolidiert hat. Insgesamt dürften die fünf grössten Zahlungsanbieter in den USA einen Marktanteil von mehr als 75 Prozent haben, in Europa sind es dagegen weniger als 40 Prozent.
Es gibt vor allem drei Gründe, weshalb der derzeitige Status quo auf dem europäischen Zahlungsmarkt wahrscheinlich nicht von Dauer bleiben wird:
1. Innovationen bei Online-Zahlungen
Zum einen breiten sich Innovationen aus dem Bereich Online-Zahlungen auf stationäre Geschäfte aus. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden Innovationen im Zahlungsverkehr durch den elektronischen Handel vorangetrieben.
Neue Akteure wie Paypal, Adyen und WorldPay erlebten einen Aufschwung, da sie im Vergleich zu Banken besser in der Lage sind, den Händlern bei der Bewältigung der neuen Herausforderungen bei der Konvertierung von Kunden oder in der Betrugsbekämpfung zu helfen.
Einiges deutet darauf hin, dass sich die Innovationen jetzt auch auf die stationären Geschäfte ausbreiten werden. Die traditionelle Zahlungsabwicklung ist inzwischen standardisiert. Händler suchen stattdessen nach Lösungen, um ihr Geschäft effizienter zu betreiben und das Kundenerlebnis zu verbessern.
Zudem wünschen sie sich eine einheitliche Sicht auf ihre Kundeninteraktionen über alle Kanäle hinweg, da die Grenzen zwischen physischem und Online-Einzelhandel verschwimmen. Ähnlich wie vor 20 Jahren im E-Commerce hat dies eine Marktlücke für neue Anbieter geschaffen.
2. Regulierung beschleunigt den Wandel
Nach mehreren Verzögerungen dürfte die Zweite Europäische Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) in den nächsten 12 bis 18 Monaten in Kraft treten. Die Richtlinie schafft neue Anforderungen in Bezug auf die Sicherheit.
Ganz grundsätzlich wird damit das Monopol der Finanzinstitute auf Kundendaten beendet. Mit anderen Worten: Banken müssen es Dritten ermöglichen, auf die Finanzdaten von Kontoinhabern zuzugreifen und in deren Namen Zahlungen zu veranlassen. Dies wird wahrscheinlich doppelten Druck auf die Banken ausüben: Sie müssen ihre alten IT-Plattformen modernisieren und gleichzeitig die Bedrohung durch neue Wettbewerber (Fintech oder Big Tech) abwehren.
3. Weitere Konsolidierung
Im vergangenen Jahr haben die M&A-Aktivitäten im US-Zahlungsverkehrsmarkt zugenommen. FIS kaufte WorldPay für 43 Milliarden Dollar, Fiserv erwarb First Data für 22 Milliarden Dollar und Global Payments übernahm TSYS für 21 Milliarden Dollar.
Diese Transaktionen widerspiegeln auch die Notwendigkeit der Skalierung in einer Branche mit festen Kosten, in der die zentrale Zahlungsabwicklung immer standardisierter wird. Daher glaube ich, dass die Konsolidierung in Europa nun ganz oben auf der Tagesordnung steht.
«Eine Option für Banken könnte darin bestehen, ihre Zahlungssparten vollständig zu verkaufen»
Die Banken haben möglicherweise Schwierigkeiten, ihren Innovationsrückstand aufzuholen. Während der Finanzdienstleistungssektor zu den Branchen mit den höchsten IT-Ausgaben im Verhältnis zu den Einnahmen gehört (laut Gartner fast 10 Prozent), wird der grösste Teil dieser Ausgaben für die Wartung von Altsystemen und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften aufgewendet, so dass nur wenig Spielraum für Investitionen in Technologie bleibt.
Eine Option für Banken könnte darin bestehen, ihre Zahlungssparten vollständig zu verkaufen – wie es die Royal Bank of Scotland bereits 2010 getan hat. Eine weitere Option könnte sein, Outsourcing auf breiterer Basis zu betreiben und mit Dritten zusammenzuarbeiten, um Kunden mehr Innovationen zu bieten.
«Innovative E-Commerce-Anbieter wie Adyen sind am besten positioniert»
In einer sich wandelnden europäischen Zahlungslandschaft fallen die potenziellen Gewinner in zwei Hauptkategorien: Innovative E-Commerce-Anbieter wie Adyen sind am besten positioniert, um die neuen Möglichkeiten zu nutzen, die sich durch Innovationen eröffnen.
Dazu gehören In-Store-Zahlungen, die immer noch fast 80 Prozent der gesamten Kartentransaktionen ausmachen, und die Bereitstellung neuer Angebote rund um Betrugsprävention, Analysen oder Marketing-Dienstleistungen.
Am anderen Ende des Spektrums sehen wir auch Potenzial bei traditionellen Anbietern von In-Store-Zahlungen wie Worldline und Nexi, die gut positioniert sind, um als Partner der Banken zu fungieren, die beginnen, ihre Positionierung auf dem Markt zu überdenken.
Der Kommentar entstand in Zusammenarbeit mit Antoine Hucher, einem neuen Mitglied des Financials and Innovation Team
Guy de Blonay stiess 1995 Jupiter Asset Management, wo er derzeit Fondsmanager im globalen Team ist. Er betreut in dieser Funktion den Jupiter Financial Opportunities Fund und den Jupiter International Financials Fund sowie den Jupiter Financial Innovation Fund (SICAV). Im Jahr 2001 wechselte er zu New Star, einem Unternehmen, das später vom Konkurrenten Henderson übernommen wurde. In der Folge kehrte de Blonay zu Jupiter zurück, wo er ab 2010 im Advisory-Geschäft tätig war und spöter im Fondsmanagement in Japan arbeitete.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Kinan Khadam-Al-Jame, Robert Hemmi, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Katharina Bart, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth, Marco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner Peyer, Thomas Kupfer, Peter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin Jans, Nicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio Quirighetti, Claire Shaw, Peter Fanconi, Alex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Karin M. Klossek, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Fabrizio Pagani, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Beat Wittmann, Ken Orchard, Michael Welti, Christian Gast, Didier Saint-Georges, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Gérard Piasko, Fiona Frick, Jean Keller, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Ralph Ebert, Lars Jaeger, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing und Claude Baumann.