Die weltweite Epidemie bringt die Nationen zusammen und fördert eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln. In solch schwierigen Zeiten wird Heimat wird wieder wichtiger, schreibt Michael Welti für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Bedürfnisse bestimmen, was Menschen tun, wenn sie in ihren Entscheidungen frei sind. Bedürfnisse sind innere Triebfedern. So gibt es zum Beispiel das Bedürfnis nach Lebensfreude, wenn der Alltag durch Ängste, Anstrengung, Erschöpfung und Frustration gekennzeichnet ist. Dadurch wählen die Menschen aus, was ihnen hilft, das Leben «angenehm» zu gestalten und zu einem «erfüllten» Leben zu gelangen. Interessant ist, dass eine Auswertung der digitalen Veränderung ergeben hat, dass die meisten Erfindungen auf Ärger basieren.

Zu den wichtigsten Bedürfnissen der Menschen gehört Locality. Darunter versteht man das Bedürfnis nach Heimat, Gemeinschaft, Verwurzelung oder Identität. Es sind Orte persönlicher Identifikation und Objekte, auf die sich die Aufmerksamkeit der Menschen regelmässig ausrichtet. Sie bestimmen die Welt oder machen sie aus. Locality ist das Bedürfnis nach räumlich-sozialer Heimat und stetigen sozialen Kontakten. Es ist das Bedürfnis nach einem Erlebnisort, den man kennt und schätzt.

«In aller Offenheit und bei all den Möglichkeiten bleibt immer die Angst, sich selbst zu verlieren»

In Zeiten massiver Krisen wird der Begriff Heimat zum Grundgerüst für Schweizer Unternehmen. Erst war die Welt noch offen, fast grenzenlos und voll von Freiheiten und Chancen. Da bestand die Gefahr der Entwurzelung. In aller Offenheit und bei all den Möglichkeiten bleibt immer die Angst, sich selbst zu verlieren. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass viele weltweit so rasch wie möglich zurück in ihr Heimatland wollen, ihrem Herkunftsort, ihrem Zuhause. Die aktuelle Epidemie fördert die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln.

Zukunftsforscher sprechen hier auch von einem Neo-Biedermeier-Trend: «Die Familie gewinnt wieder an Popularität. In der vergangenen Weihnachtszeit sahen wir überall das Bild von Josef, Maria und Jesus, also das Bild einer Kernfamilie. Diesen Trend wollte die Kirche vor Jahrhunderten ganz bewusst setzen. Er scheint heute wieder an Bedeutung zu gewinnen», erklärt Andreas M. Walker, langjähriger Co-Präsident der Swiss Future Assocation. Aufgrund der Komplexität der Welt kehren wir nun wieder nach Hause zurück und suchten das Bekannte, das Überschaubare und Heimelige.

«Theodor Zwinger behauptete gar, dass ein spezifischer Gesang bei Schweizer Söldnern diese Krankheit auslöse»

Dies könne eine Chance für die Familie und natürlich auch familiengeführte Unternehmen sein, sagt Walker. So wie junge Männer ihre Vaterschaft viel engagierter wahrnehmen als noch ihre Väter und Grossväter, genauso engagiert man sich für die Heimat. Während Heimat früher ein Ort war, an dem man geboren und aufgewachsen ist, so ist der Begriff heute viel ausgedehnter, viel subjektiver geworden. Heute versteht man unter Heimat viel mehr das Gefühl von Zugehörigkeit, das Sich-Zuhause-Fühlen. Damit ist es auch möglich eine zweite, oder eine dritte Heimat zu finden. Meist merkt man erst durch das Verlassen der Heimat, was man eigentlich daran gehabt hat.

Interessant ist in diesem Zusammenhang der Begriff Heimweh: Wissenschaftler des 17. Jahrhunderts bezeichneten Heimweh als eine typisch schweizerische Krankheit. Der Basler Mediziner Theodor Zwinger (1658-1724) behauptete gar, dass ein spezifischer Gesang bei Schweizer Söldnern diese «Krankheit» auslöse und sie zur Fahnenflucht verführe. Das Singen der traditionellen Hirtenlieder wurde deshalb den Schweizer Soldaten in französischen Diensten unter Androhung der Todesstrafe verboten. Die Sehnsucht nach Heimat ist eigentlich schön. Der Wunsch ist nachvollziehbar, nach Hause zu gehen. Dorthin, wo es einem wohl ist und man sich daheim fühlt.

«Ein Leuchtturm muss nicht unbedingt gross sein – er muss vor allem hell sein»

Die Sehnsucht nach Heimat drückt sich in Zeiten von globalen Krisen in einer starken Swissness aus. Als Marke steht die Swissness für langjährige Tradition und beste Qualität: 2017 wurde festgelegt, welche Kriterien erfüllt werden müssen, dass sich ein Produkt «swiss made» nennen darf. Dabei kann die Swissness ein Heimatgefühl fördern. Wenn man im Ausland eine Toblerone sieht, fühlt man ein kleines Stück Heimat. Swissness kann auch Eigenschaften beschreiben für die Schweizer im Positiven bekannt sind, wie Pünktlichkeit oder die Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit. Auch wenn Swissness kitschig klingen mag, kann sie trotzdem ein wichtiger Baustein zum Heimatsgefühl sein.

Schweizer werden oft gefragt, warum Swiss Banking weltweit berühmt ist. Das hat seine Gründe: Das Swiss Banking hat sich über Jahrhunderte stabil und kontinuierlich entwickelt. Es basiert auf traditionellen Werten und vor allem einer gut funktionierenden Demokratie, die weltweit in dieser Form einzigartig ist. Das Swiss Banking profitiert auch von der weltweit starken Ausstrahlung für Touristen, für Luxusgüter und für den Handel. Wer kennt nicht die berühmte Uhrenindustrie oder die Schweizer Schokoladenproduktion und die malerische Landschaft der Schweiz?

Die Schweizer Finanzindustrie geht Hand in Hand mit vielen anderen Branchen und zeigt die Exzellenz in der ganzen Nation. Auch in den Bereichen Unternehmensführung, Besteuerung und Arbeitsmarkt gehört die Schweiz zu den weltweit besten. Das alles trägt zum positiven und starken Image der Schweiz bei. Kein Wunder, hat sich die Schweiz daher als global anerkannte Drehscheibe für hervorragende Bankdienstleistungen etabliert. Ein Leuchtturm muss nicht gross sein – er muss vor allem hell sein!


Michael A. Welti ist Head Zürich und Managing Director im Wealth Management bei der Genfer Bankengruppe Reyl & Cie.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Karin M. Klossek, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Beat Wittmann, Ken Orchard, Michael Welti, Christian Gast, Didier Saint-Georges, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Gérard Piasko, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Ralph Ebert, Lars Jaeger, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Santosh Brivio, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Fabrizio Pagani und Niels Lan Doky.